Rezo, junge Leute und die Häuptlingsgesellschaft

REzo
Häuptling Rezo? Foto: Rewinside CC BY 3.0

Rezo wird vorgeworfen, er maße sich an, für eine ganze Generation zu sprechen. Aber macht er das überhaupt?

Armin Laschet hat keine Lust sich auf Twitch und Youtube einem Kanzlerduell zu stellen. Der Twitch-Streamer und Youtuber Rezo findet das blöd. WELT-Autor Frédéric Schwilden wirft Rezo in einem Meinungsbeitrag deshalb vor, Rezo hielte sich wohl offensichtlich für den maßgeblichen Vertreter der „Millennials“, wenn nicht gar weiterer Generationen, dabei spräche er doch nur für sich selbst. Mit der zweiten Feststellung hat er auf jeden Fall Recht. Mit der Ersten? Weniger. Aber dazu komme ich gleich.

Ich gehöre zu Rezos Generation und fühle mich politisch definitiv nicht in allen Belangen von Rezo vertreten. Frédéric Schwilden gehört auch zu Rezos Generation und ich habe das Gefühl, auch er fühlt sich politisch nicht so Recht von Rezo vertreten. Da wären wir also schon mal zwei. Weder Frédéric Schwilden, noch Rezo, noch ich können behaupten, dass wir für die Generation der Millennials (oder der jungen Leute) sprechen. Und dabei lassen wir mal ganz außer Acht, dass es für das was Rezo seinen Zuschauern bietet, offensichtlich einen größeren Markt gibt als für das, was Frédéric Schwilden (oder ich) seinen Lesern bietet. Das mit dem Markt sollte man als WELT-Autor zumindest als Argument anerkennen können, das ist doch für WELT-Autoren in der Regel das Ding das alles regelt, was geregelt werden muss. An Frédéric Schwildens Kleidungsgeschmack liegt es nämlich auf jeden Fall nicht, dass er weniger Follower hat als Rezo, denn der ist hervorragend.

In unserer Gesellschaft hat der Tag Struktur: Jede Gruppe braucht ihren Häuptling

Tatsächlich behauptet Rezo ja auch gar nicht, dass er die Millenials vertritt, oder die Generation Z oder unter welchem Namen auch immer man jetzt wieder sehr viele sehr verschiedene Leute zusammenfassen will. Es sieht manchmal ja auch so aus, als würde er die jungen Leute vertreten. Tatsächlich kann man dieses Phänomen häufig bei Gruppen erleben, deren Meinung in der Mehrheitsgesellschaft und ihrer demokratischen Abbildung im Parlament nicht so richtig Gehör findet.

Als Behinderter fühle ich mich zum Beispiel auch definitiv nicht in allen Belangen von Rául Krauthausen vertreten und er behauptet auch explizit nicht, er würde alle Behinderten vertreten. Trotzdem kann man beim alltäglichen Medienkonsum manchmal den Eindruck gewinnen, dass Rául gewissermaßen der Pressesprecher aller Behinderten ist und dementsprechend häufig eingeladen wird und zu Wort kommt, wenn es um Behinderte geht. Rául kennt jeder. Aber kann irgendjemand ohne zu googlen deutlich sichtbar behinderte Politiker nennen, außer Wolfgang Schäuble? 3… 2… 1… vorbei. Und, wie viele sind Ihnen eingefallen? Für’s nächste Mal: Man könnte da zum Beispiel Katrin Langensiepen (Grüne) nennen, die einzige sichtbar behinderte Abgeordnete im Europaparlament. Ein paar kann man sich merken, die Liste ist auch nicht so lang, versprochen.

Wieviele ältere SPD-Mitglieder finden den jungen Kevin Kühnert ganz, ganz toll, aber wenn dann so ein junger Bursche, oder gar eine junge Frau für den SPD-Ortsvereinsvorsitz kandidiert, dann hört der Spaß aber auf, weil die haben ja gar keine Erfahrung und der Eberhard macht doch schon seit dreißig Jahren so einen guten Job.

Es ist leichter mit solchen Gruppen umzugehen als seien sie ein monolithischer Block und keine Gruppe bestehend aus Individuen mit individuellen Bedürfnissen, Meinungen und Kompetenzen. Das ist platzsparender. Wissen Sie eigentlich, wieviele Talkshowplätze, Wahllistenplätze oder Gremienplätze man sonst für die alle freiräumen müsste?

Das gute am Selbstbetrug ist, man kann damit aufhören

Deswegen gibt es Rául Krauthausen den Häuptling vom Stamme der Behinderten, Kevin Kühnert, den Häuptling vom Stamme der jungen Sozialdemokraten und eben Rezo, den Häuptling vom Stamme der Millennials. Jedem von uns fallen Beispiele zur Genüge ein Und wenn ausnahmsweise Leute mal wirklich wichtig finden, was Leute solcher kleiner Gruppen zu sagen haben, dann wird da nicht etwa grundsätzlich was an diesem seltsamen System geändert, sondern dann wird uns eben noch ein Gegenhäuptling hingestellt. Dann gibt es nicht nur Häuptling Drosten, sondern dann haben andere Leute eben ihren Gegenhäuptling Streeck. Es finden sich immer Leute für den Häuptling und den Gegenhäuptling. Vielleicht könnte ja Frédéric Schwilden von der WELT zum Gegenhäuptling der Millennials ausgerufen werden? Oder ist sein Beitrag in der WELT am Ende gar der Versuch genau das zu tun?

Inklusion ist das auf jeden Fall nicht. Das ist die Illusion von Inklusion, die gleichermaßen beiden Seiten das Gefühl gibt, als würde sich wirklich was ändern, als höre man einander wirklich zu, als seien auch wirklich alle repräsentiert. Es ist meist nicht Absicht. Oft genug ist es einfach Selbstbetrug. Damit sollten wir aufhören.

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