RKI-Files belegen politische Steuerung der Coronapandemie – Ein Vergehen an Demokratie und Wissenschaft

Karl Lauterbach Foto: Raimond Spekking Lizenz: CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)


Die Coronapandemie war verbunden mit den schwersten Eingriffen in die Grundrechte seit Bestehen der Bundesrepublik. Seit 1949 gab es nichts, was dem auch nur annährend nahekam. Eine funktionierende Demokratie arbeitet die Konsequenzen und Folgen der Coronapandemie zum Selbstschutz auf, um zu lernen. Das sind wir unserer Demokratie schuldig.

Jens Spahn sagte während der Coronapandemie, man werde einander viel verzeihen müssen. Um zu verzeihen, bedarf es zunächst aber einer Entschuldigung, einer Analyse, ob und in welcher Form Dinge falsch15gelaufen sind. Das Coronavirus war neu, dass bei der Reaktion auf eine völlig neue Erkrankung Fehler gemacht werden, liegt in der Natur der Sache. Der Umgang mit der Coronapandemie belegt im Nachgang, dass Fehlerkultur innerhalb der deutschen Politik nicht vorhanden ist. Niemand macht Fehler, niemand gesteht diese ein. Das denkbar schlechteste Bild liefert derzeit das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach ab, dessen Handeln ein Manifest des Versagens und Scheiterns ist. In der vergangenen Woche forderte Bundestagsvizepräsident Kubicki sogar den Rücktritt des Gesundheitsministers. Der Vorwurf ist bedeutungsstark: Lauterbach habe gelogen.

Wie war das aber jetzt mit den Coronamaßnahmen?

Anfang des Jahres wurden die Protokolle des Corona-Krisenstabs, gemeinhin als „RKI-Files“ bezeichnet, vom Magazin Multipolar freigeklagt. Veröffentlicht wurden diese massiv geschwärzt. Nach ewigem hin und her und einer unendlich langen Kette an Begründungen, weshalb die Protokolle noch nicht vollständig ungeschwärzt freigegeben wurden, leakte die Journalistin Aya Velázquez Anfang der Woche sämtliche Dateien. Zugespielt bekam sie diese von einer internen Quelle im RKI, die mit der intransparenten Arbeit des Institutes unzufrieden war. Die Protokolle des RKIs belegen nun unzweifelhaft: Viele davon war politisch gewollt, nicht wissenschaftlich angezeigt. Der verursachte Schaden, der Vertrauensverlust in Politik und Wissenschaft, wird nachhallen. Ich habe lange überlegt, ob ich zu dem Thema wirklich schreiben möchte. Der Grund: Ich fühle mich nicht wohl dabei, medizinische Details zu beurteilen. Das kann ich nicht, dafür bin ich nicht ausgebildet. Als Ruhrbarone haben wir in der Coronapandemie umfangreich publiziert und kommentiert. Ich selbst habe versucht zu erklären, wie Test- und Fallzahlen zu verstehen sind, habe mathematisch-statistische Grundlagen dargestellt und so belegt, dass steigende Inzidenten real sind und eben nicht von der Anzahl an Tests abhängen und mich im Januar 2021 für eine Impfpflicht in Pflegeberufen ausgesprochen. Zahlen und Mathematik, das kann ich gut. Bei einigen meiner Artikel habe ich mich auf Zahlen gestützt, bei anderen auf Aussagen beispielsweise des RKIs und der Politik. Ich habe dabei darauf vertraut, dass Aussagen und Stellungnahmen ein wissenschaftliches Fundament haben. Dieses gab es jedoch nicht, beziehungsweise wurde es nicht publiziert. Follow the Science, folgt der Wissenschaft, war damals ein häufig beschworenes Mantra. Die Protokolle belegen nun, dass entgegen der medialen Darstellung zahlreiche Maßnahmen während der Coronapandemie nicht wissenschaftlich fundiert waren, sondern politisch getrieben. Für wen das kein Skandal ist, muss dringend den demokratischen Kompass neu justieren.

Einige Beispiele:

Im November 2021 sprach der medial omnipräsente Karl Lauterbach von einer nebenwirkungsfreien Impfung, die bedingungslos für Kinder zu empfehlen sei. Das RKI wusste es besser. Bereits am 07.05. hielt das RKI fest: das Paul Ehrlich Institut hatte alleine in der fraglichen Woche 45.000 Meldungen über Impfnebenwirkungen, darunter auch schwerwiegende Fälle wie Myokarditen und Sinusvenenthrombosen. Nach Aussage der WELT bezeichneten STIKO-Mitglieder die Impfung von Kindern- und Jugendlichen gar als „überflüssig“.

 

In einer Notiz im Protokoll vom 25.04.2022 hält das RKI fest: Es gibt zahlreiche Anfragen aus der Politik zum Umgang mit Corona und zur Hospitalisierung im anstehenden Herbst. Die Debatte ist politisch getrieben, fachliche Argumente genossen damals keine Priorität.

Politisch dürfte es hingegen der größte Skandal seit 1949 sein. Zwei Dinge sind herauszuarbeiten:

  1. Während der Pandemie wurde massiv Druck auf Ungeimpfte ausgeübt. Aus den Protokollen des RKIs folgt völlig unzweifelhaft: Das war politisch getrieben, nicht wissenschaftlich. Es war eine politische Entscheidung, eine Personengruppe zum Zweck des Impfmarketings in Geiselhaft zu nehmen und extremem Druck auszusetzen. Die Frage lautet aber: Wieso eigentlich? Die Protokolle des RKIs belegen unzweifelhaft den Impfnutzen, auch gegenüber den Impfrisiken abgewogen. Sämtliche zitierten und seither veröffentlichten Studien kommen zu den immer gleichen Ergebnissen, die Coronaimpfung reduziert das Risiko schwerer und schwerster Erkrankungen massiv und verringert das Risiko für Folgeschäden.
    Keine Pandemie der Ungeimpften. Bereits am 05.11.2021 stellt das RKI fest, dass die Aussage unhaltbar ist. Zeitgleich wird angemerkt, dass der damalige Gesundheitsminister Spahn dies bei jeder Pressekonferenz bewusst wiederholt. Die Schikanierung von Ungeimpften ging noch über Monate weiter.

    Aber: Die Impfung ist Selbstschutz, nicht Fremdschutz. Wie kann es sein, dass Millionen Menschen systematisch und ohne Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und mehr noch, weshalb wird das nicht aufgearbeitet? Ab dem Zeitpunkt, ab dem unzweifelhaft klar war, dass Ungeimpfte nicht Treiber der Pandemie sind und Impfungen nicht vor der Weitergabe des Virus schützen, muss hier von einer bewusst gesteuerten politischen Inhaftungsnahme gesprochen werden.

  2. Ein medizinischer Skandal ist in den RKI-Files nicht zu finden. Das RKI wusste, soweit der Kenntnisstand heute, zu jeder Zeit gut über das Virus Bescheid und verstand Risiken und Chancen. Das RKI verstand früh, dass beispielsweise die Impfung Risiken birgt und auch, in welcher Altersklasse diese am wahrscheinlichsten sind. Das Risiko von LONGCOVID wurde früh diskutiert und in den internationalen Forschungsrahmen eingebettet. Die Frage ist: Wieso genau wurde das nicht umgehend kommuniziert? Wieso konnten Politiker über die Fortführung von Maßnahmen und Handlungen entscheiden, als wissenschaftlich geklärt war, dass diese keine Wirkung entfalten? Wie kann es sein, dass in einem Staat wie der Bundesrepublik Deutschland teilweise völlig fachfremde Politakteure Einfluss auf das Handeln hochstudierter Experten nehmen und diese sich dann in der Kommunikation auch noch danach richten? Artikel 5 des Grundgesetzes definiert, dass die Forschung und Lehre frei sind, sprich die Wissenschaft völlig unabhängig von politischen Wünschen und Überzeugungen ist. Wenn nun aber politischer Einfluss auf ein zentrales Forschungsgremium genommen wird, dann ist dies ein direkter Bruch der Verfassung.

Armin Laschet, während seiner Amtszeit als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens und Kanzlerkandidat der CDU massiv gescholten, äußerte bei X zuletzt Unverständnis für das Vorgehen politischer Akteure. Richtigerweise kommt er zu dem Schluss: Wenn Demokraten die Coronapandemie und die Folgen nicht aufarbeiten, dann tun es die Gegner der Demokratie. Der Schaden dieses kommunikationspolitischen Versagens wird noch über Jahre fortbestehen. Bereits heute erleben wir in der Debatte um den Klimawandel (der Klimawandel ist real) immer häufiger, dass Menschen an wissenschaftlichen Fakten und Aussagen zweifeln. Berechtigt muss gefragt werden: Wenn bei der Coronapandemie wissenschaftliche Fakten verdreht und nicht kommuniziert wurden, wieso sollte es dann beim Klimawandel anders sein? Die Integrität der Wissenschaft lebt davon, dass sie nicht missbraucht wird.

Demokratie lebt von Transparenz

Das Handeln der politisch Verantwortlichen spielt den Demokratiefeinden und Diktatoren dieser Welt in einem kaum vorstellbaren Maße in die Karten. Es ist ein häufiges Argument von Demokraten, auch bei den Ruhrbaronen bemühen wir die Argumentation regelmäßig, dass die Demokratie dem Menschen ein Höchstmaß an Freiheit, Würde und Rechten ermöglicht. Die Demokratie steht damit im diametralen Konflikt zu autoritären Systemen, in denen politische Akteure mit Gewalt und Druck definieren, welches Verhalten die Bürger eines Systems oder Staates zu zeigen haben. In der Demokratie dient der Staat dem Leben jedes Bürgers, in Staaten wie Russland oder China dient das Leben jedes Menschen dem jeweiligen Führer und Staat.

Wie aber soll das Argument im Sinne der Demokratie geführt werden, wenn nun offensichtlich ist, dass auch in der Demokratie massive Einschränkungen der Grundrechte nicht nur möglich sind, sondern auch nachträglich überhaupt nicht diskutiert und aufbereitet werden?

Im Februar 2022 kommentierte die Leiterin des RKI-Fachbereichs Surveillance, Dr. Ute Rexroth, in einer internen Mail: Die Absonderungsregeln sind nicht mehr primär von wissenschaftlicher Evidenz gedeckt, sondern politisch festgelegt. Im Kern der Argumentation: Karl Lauterbach.

Zynisch könnte man formulieren, dass im operativen Handeln in der Krise kaum ein Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur zu erkennen ist. Bei der Aufarbeitung der Coronapandemie geht es nicht nur um das Handeln der einzelnen Akteure, sondern den Nachweis der Würdigung unserer Demokratie selbst. Eine Demokratie unterscheidet von der Diktatur, dass diese im Sinne der Bürger lernt, insbesondere prozessual. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland definiert nicht nur einen legalen Rechtsrahmen für die Bevölkerung. Es besteht auch aus einer umfassenden Reihe an Schutzmechanismen, um die Demokratie vor Missbrauch und Selbstdarstellern zu schützen. Dieser Schutz funktioniert aber nur, wenn sie gewürdigt und umgesetzt werden.

Bereits am 05. Mai 2020 vermerkte das RKI: Ein verbindlicher Indikator und dessen Quantifizierung zur Beurteilung der Pandemie ist schwierig und kaum greifbar. Anstatt sich auf die Wissenschaft zu verlassen, wurde aber politisch die Forderung nach einem Indikator durchgedrückt.
„Politik macht Vorgaben, diese müssen soweit möglich in die Strategie integriert werden.“ Notiz des RKIs vom 07.05.2020. Die Maßgabe „Testen, testen, testen“ war nicht wissenschaftlich begründet.
10.08.2022: Impfkommunikation und Vorbereitung für den Herbst: Faktenbasiert oder dramatisiert? Das Bundesgesundheitsministerium entschied sich für das Drama.

Aus den RKIFiles folgt, dass Einschränkungen der Grundrechte beibehalten wurden, obwohl hierzu keinerlei wissenschaftliche Grundlage (mehr) bestand. Dies wurde aber nicht aufgehoben, da außerhalb des Teilnehmerkreises mutmaßlich keinerlei Transparenz gelebt wurde. Eine Demokratie aber verdient Transparenz. Aus der Coronapandemie müssen Lehren und Instrumente abgeleitet werden, um die Bevölkerung und die Gewaltenteilung vor übergriffigem Verhalten zu schützen. Die Polizei und Ordnungsämter haben während der Coronapandemie beispielsweise eine Vielzahl von privaten Treffen aufgelöst und „vermeintliche“ Straftäter verfolgt. Spaß werden sie daran kaum gehabt haben, sie mussten es aus ihrer Dienstpflicht heraus tun. Wie genau soll hierfür zukünftig Akzeptanz geschaffen werden, wenn die Grundlage der Anweisung, „der Schutz der Bevölkerung“, längst widerlegt war? Die Exekutive darf nicht zu Handlangern politischer Akteure degradiert werden und Mitglieder der Exekutive müssen zu jedem Zeitpunkt wissen, dass alle Anweisungen auf einer soliden, nachvollziehbaren und transparenten Basis beruhen.

Auch Medien und Journalisten können nur qualifiziert über Dinge berichten, wenn sämtliche Informationen zu einem Sachverhalt vorliegen. Das bewusste Vorenthalten von Informationen unterscheidet sich in letzter Konsequenz nicht von der Zensur selbst. Die Coronapandemie war auch ein bisher nicht gekanntes Beispiel an Medienmissbrauch durch die Politik.

Eine Möglichkeit bestünde darin, beispielsweise Sitzungsprotokolle von Krisenstäben an das Bundesverfassungsgericht weiterzuleiten, um das Vorgehen dort auf Angemessenheit zu überprüfen. Es ist nicht vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht einer Einschränkung der Grundrechte ohne wissenschaftliche Grundlage, rein auf Basis politischer Meinungen zugestimmt hätte.

„Ein Menschenbild, das mit der demokratischen Idee vom mündigen Bürger wenig zu tun hat.“ – Dr. Juli Zeh, ehemalige Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

Über das Vorgehen in der Coronapolitik kann und muss kontrovers diskutiert werden. Diese Debatte aber überhaupt nicht zu führen und mehr noch, bewusst zu verhindern, ist ein Skandal. Und diesen Umstand nicht aufzuarbeiten, wirft ein ganz übles Licht auf den Zustand der deutschen Demokratie und all jener, die sich per Eid ebendieser verpflichtet haben.

 

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