Rolle rückwärts

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Grüne Politiker wollen einfach nicht offen über grüne Gentechnik debattieren. Wissenschaftsfeindlichkeit und Fortschrittsangst sitzen immer noch tief in den parteigrünen Knochen. Ein Gastbeitrag von Susanne Günther.

“Wir dürfen uns nicht von Ängsten leiten lassen”, betitelt (€) die FAZ heute ein Interview mit dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck. Doch wer sich angesichts dieser Headline Hoffnung gemacht hatte, dass Habeck hier die kürzlich angestoßene offene Debatte um Grüne Gentechnik weiterführt, wird bitter enttäuscht.

Statt nüchtern über Vor- und Nachteile klassischer Gentechnik und neuer Züchtungstechnologien zu diskutieren, entwickelt der Parteichef in seinen Antworten die übliche grüne Rhetorik: Bayer habe mit Monsanto auch den “extrem verstörenden” Ruf von Glyphosat erworben. Es sei weltweit genug Nahrung (“ausreichend Kalorien”) da, sie werde nur nicht gut verteilt. Direktzahlungen wirkten wie Exportsubventionen und schädigen afrikanische Märkte. Der Hunger in Mangelregionen mache Länder zwar politisch instabil, das sei aber kein Grund, “den industriellen Kreislauf der Landwirtschaft noch schneller” zu drehen. CRISPR/Cas und Co sei letztlich auch Gentechnik – was sonst? Konzerne brächten über Saatgut-Patente die Bauern in Abhängigkeit. Gentechnik werde immer nur in Kombination mit Pestiziden auf den Acker gebracht.

Zu den neuen Züchtungstechnologien positioniert sich Robert Habeck folgendermaßen:

“Diese neue Technik bringt kein artfremdes Gen ein, sondern simuliert einen natürlichen Prozess, im Schnellverfahren. Die Forscher sagen, es sei von natürlichen Verfahren nicht zu unterscheiden. Wenn es Saatgut gäbe, das mit weniger oder gar ohne Pestizide auskäme, wäre es für alle, auch meine Partei, eine echte Herausforderung, sich zu positionieren. In jedem Fall aber müssen solche Verfahren reguliert und kontrolliert werden.”

Selbst für den Fall, dass der EuGH in der kommenden Woche entscheidet, dass die neuen Züchtungstechnologien nicht unter die Gentechnik-Gesetzgebung fallen, fordert Habeck:

“Das Vorsorgeprinzip muss gelten. Zu sagen, das ist keine Gentechnik und deswegen regulieren wird das nicht, fände ich fatal. Es muss kontrollierte Anbauversuche und Testreihen geben. Bisher haben wir einen völlig unregulierten Zustand. Deshalb ist die Debatte zwingend.”

Was nützt es, wenn die Grünen nicht mehr “gegen” die neuen Züchtungstechnologien sind, aber eine Regulierung dieser Verfahren fordern? Gar nichts nützt das! Müssten etwa CRISPR-Pflanzen genauso reguliert werden wie mit klassischer Gentechnik entwickelte Nutzpflanzen, würden wieder nur die großen Konzerne von diesen Technologien profitieren. Denn die Technik ist nicht kostspielig, wohl aber die aufwendigen Auflagen der Gentechnik-Regulierung.

Die zitierten Statements zeigen zudem mehrere Missverständnisse und Inkonsquenzen auf:

  • Bereits mit klassischer Gentechnik sind Pflanzen entwickelt worden, die mit weniger Pestiziden auskommen: Bt-Mais und Bt-Auberginen sind resistent gegen Schädlingsfraß, wodurch massiv Insektizide eingespart werden können. Dieser Vorteil wurde mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Warum ist das für die Grünen nicht schon Anlass genug, das Thema Gentechnik ergebnisoffen neu aufzurollen?
  • Wenn sich das Ergebnis nicht von den Ergebnissen “natürlicher Verfahren” unterscheidet, warum soll dann das eine Ergebnis (Genome Editing) kontrolliert und reguliert werden, das andere (“natürliche Verfahren”) aber nicht? Wenn ich hier das Vorsorgeprinzip anführe, muss ich doch in letzter Konsequenz das natürliche Produkt erst recht testen und regulieren, weil ich das mit all seinen Eigenschaften viel schlechter kenne. Und was ist überhaupt mit den Produkten chemischer und radioaktiver Mutagenese? Manche Ergebnisse dieser Verfahren sind so massiv verändert, dass sie gar nicht lebensfähig sind. Hier soll das Vorsorgeprinzip nicht greifen? Das ist inkonsequent.
  • Auch konventionelle Züchtungen werden nicht “völlig unreguliert” und unkontrolliert auf den Markt gebracht. Basis für die Zulassung ist das Saatgutverkehrsgesetz. Nach diesem Gesetz kann die Zulassung versagt werden, “wenn hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Sorte ein Risiko für die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder die Umwelt darstellt, insbesondere, wenn der Anbau die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder die Umwelt gefährdet.”

Als die Debatte um die Gentechnik von der grünen Parteispitze losgetreten wurde, gab es in den Sozialen Netzwerken unter dem Hashtag “#Gentechnikwende” unzählige Gesprächsangebote von Wissenschaftlern. Das wäre doch eine ideale Gelegenheit, seine Kenntnisse aufzufrischen und zu erweitern sowie offene Fragen zu klären, sollte man meinen. Nach diesem Interview habe ich den Eindruck, das ist gar nicht gewollt, und Robert Habeck sucht einen Weg zurück zu den üblichen ausgetretenen Pfaden.


Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog der Autorin.

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Ke
Ke
6 Jahre zuvor

"Ich bin dagegen" ist Programm, und gefühlte Wahrheiten zählen.
Notfalls springen Trittin, Künast oder Roth wieder hervor und zeigen, was richtig grün ist.

Das ist wie die Energiewende ohne Leitungen und wenn, dann müssen sie wg. der Strahlen vergraben werden.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Wenn sich ein Katholik Gedanken über den Teufel macht, kommt etwas anderes dabei heraus, als wenn sich ein Atheist Gedanken über den Teufel macht.
Genau so ist es beim Thema Gentechnologie.
Für die Grünen war und ist Gentechnologie DER Teufel. Wenn nun Robert Habeck in etwa sagt, daß die Gentechnik seit CRISPR/Cas so etwas wie ein gemäßigter Teufel wäre, erzeugt er Stirnrunzeln bei den eigenen Gläubigen, aber erst Recht bei denen, die sich von der Gentechnik mit CRISPR/Cas die Lösung vieler Probleme, die mit der Nahrungsmittelproduktion verbunden sind, erhoffen. Denen reicht das nicht, was Habeck sagt.
Aber gut, über das Thema wurde schon länger diskutiert, und längst schon alles gesagt, aber noch nicht von Allen. Jetzt hat sich der Hofnungsträger der Grünen dazu geäußert, und bei mir den Status eines Hoffnungsträger prompt verloren. Das ist schade.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Die Grünen hätten als profeministische Organisation, so wie sich sich verstehen, sogar einen wichtigen Grund, diese CRISPR/Cas- Methode besonders hervorzuheben, weil sie von zwei Frauen entdeckt wurde. Aber nein, die Angst vor dem Teufel ist größer. Da kann man nichts machen.
"Die erste wissenschaftliche Dokumentation zur Entwicklung und zum Einsatz der Methode wurde 2012 durch eine Arbeitsgruppe um Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna veröffentlicht. Die wissenschaftliche Fachzeitschrift Science erklärte die CRISPR-Methode zum Breakthrough of the Year 2015.[3]" Wikipedia

trackback

[…] Politiker: „Rolle rückwärts“ von Susanne Günther, ruhrbarone am 20. Juli […]

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Heute entscheidet der Europäische Gerichtshof darüber, ob die mit CRISPR/Cas veränderten Pflanzen unter das Gentechnikgesetz fallen.
Falls doch bleibt die Frage, ob solche Pflanzenprodukte aus den USA in die EU eingeführt werden dürfen. Das würde nämlich gut zur EU passen, daß solche Produkte hier nicht hergestellt werden dürfen, aber importieren ginge.

thomas weigle
thomas weigle
6 Jahre zuvor

Wenn ich das recht verstanden habe, geht es ja nicht nur um die Einführung einer neuen Gentechnikmethode, sondern auch darum,die gentechnische Herkunft dieser Produkte nicht offenlegen zu müssen. Ich persönlich habe keine wirklich begründete Meinung zur Gentechnik. Ich frage mich allerdings, wieso die Befürworter/Nutzer dieser Technik oftmals die Aufklärung über die gentechnische Herkunft ihrer Produkte scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Eine mehr als dubiose Handlungsweise, die ja auf anderen Gebieten der Lebensmittelherstellung oftmals gang und gäbe ist, wenn es um die Deklarierung problematischer Zusatz- oder ganz allgemein der Inhaltsstoffe geht.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Es sind noch keine 2 Monate her, daß wir uns über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes unterhalten haben. Ich hatte in Kommentar 5 gefragt, ob amerikanische Genprodukte eingeführt, aber die Forschung an solchen Produkten in der EU verboten sein können.
Ja, das kann, wie wir sehen.
Die Verträge für den Import müssen schon damals beschlossen worden sein.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-handelsstreit/amerika-ist-jetzt-europas-groesster-sojalieferant-15797377.html

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