Kriminalität, Ekelhäuser, Matratzenlager. Das sind nur ein paar Stichworte, die im Zusammenhang mit den bulgarischen und rumänischen Zuwanderern in Dortmund stehen. Die Vorurteile gegenüber diesen Menschen, die zum Großteil der Volksgruppe der Roma angehören, sind ebenso zahlreich wie die Probleme, die sie bewältigen müssen. Von unserer Gastautorin Ariane Rogge, report.age
Momentan leben offiziell etwa 1.400 Bulgaren und 1.100 Rumänen in Dortmund. Tatsächlich sind es sehr viel mehr, denn die Dunkelziffer ist hoch. Seit 2007 haben bulgarische und rumänische Staatsbürger, laut EU, das Freizügigkeits-Recht. Sie dürfen sich hier aufhalten, es gibt aber Einschränkungen in Bezug auf ihre Arbeitserlaubnis. Bis 2014 dürfen sie in Deutschland ausschließlich selbstständige Arbeiten verrichten oder müssen eine Arbeitsgenehmigung beantragen. Die bleibt ihnen jedoch meist verwehrt, auch Sozialhilfe steht ihnen nicht zu. Kein Wunder, dass sich viele der Menschen in Schwarzarbeit flüchten. Auch der Straßenstrich weitete sich dermaßen aus, dass die Stadt die komplette Schließung als einzige Lösung sah. Frank Merkel, Integrationsagentur der Caritas, und Tülin Kabis-Staubach vom Planerladen bezweifeln, dass dieser Schritt die Prostitution in Dortmund eindämmt. Sie gehen davon aus, dass es nun mehr illegale Wohnungsprostitution gibt.
Kein Wohnraum vorhanden?
Die Probleme der Neuankömmlinge beschränken sich nicht auf die Arbeitssuche. Eine große Schwierigkeit ist, dass sie keine Wohnung finden – trotz vorhandenem Wohnraums. Die 23-jährige Bulgarin Iliyana Georgieva erzählt: „Immer wenn ich sagte, woher ich komme, hat der Vermieter aufgelegt.“ Es wird diskriminiert auf dem Wohnungsmarkt. Das weiß auch Tülin Kabis-Staubach: „Es gibt Vermieter, die sagen: Wir nehmen gerne Menschen mit Migrationshintergrund. Aus der Türkei, aus Russland. Aber bei Rumänen und Bulgaren sagen sie nein.“
Kakerlaken
Zu schockierend sind die Schlagzeilen der Vergangenheit, vor allem die Roma gelten als kriminell. Außerdem kennt man die Geschichten vom Arbeiterstrich und von skrupellosen Mittelsmännern. Und dann sind da noch die komplett verwahrlosten Ekelhäuser. Dort wohnen zahlreiche Menschen, die horrende Mieten von mehreren hundert Euro für eine Matratze bezahlen. Völlig verdreckte Sanitäranlagen und von Kakerlaken übersäte Fußböden sind keine Seltenheit. Klar ist, dass sich eine Vielzahl dieser Häuser bereits in einem schlechten Zustand befand, bevor die Bulgaren und Rumänen nach Dortmund kamen. Dennoch sehen sich die Eigentümer nicht in der Pflicht, auch selbst gegen den Verfall vorzugehen. Sie wälzen die Schuld komplett auf die Mieter ab. Es gibt auch jene Fälle, in denen Menschen überhaupt keine Wohnung finden. Bevor sie auf der Straße oder im Auto leben müssen, versuchen sie bei Bekannten und Verwandten unterzukommen, was wieder zu überfülltem Wohnraum führt.
Salonfähige Vorurteile
„Das große Problem sind die Vorurteile gegenüber den Roma“, sagt Frank Merkel. „Es gibt in Deutschland, aus meiner Sicht, keine andere Gruppe gegenüber der sie so hartnäckig und dabei auch noch salonfähig sind.“ Schade, für diejenigen, die nicht zu den Problemverursachern gehören. „Die meisten dieser Menschen kommen aus enormer Armut hierher, in der Hoffnung auf ein besseres Leben“, so Merkel. „Einmal hier, wird aus ihrer großen Existenznot Profit gemacht.“
Zwielichtige Mittelsmänner
Es ist nicht leicht, hinter die Fassaden zu blicken. Zu viel passiert in diesem Milieu über Mittelsmänner, die einem Arbeit beschaffen oder eine Wohnung. Schriftliche Verträge gibt es keine, alles läuft über mündliche Vereinbarungen. So kann sich niemand wehren, wenn er zu wenig Lohn oder einen weiteren Mitbewohner in die Wohnung gesetzt bekommt. Auch Iliyana Georgieva hat schlechte Erfahrungen gemacht. Ihr vermeintlicher Vermieter erklärte sich bereit, die Stromabschläge über die Mietnebenkosten an den Stromversorger weiterzuleiten. Zwei Jahre lang schien das gut zu gehen. Dann kamen hohe Forderungen der DEW per Post, und schließlich wurde der Strom abgestellt. Der Mann ist inzwischen untergetaucht. Außerdem stellte sich heraus, dass er lediglich der Verwalter des Hauses war. Der wahre Vermieter, der im Sauerland lebt, ist erst jetzt auf die Missstände in seinen Immobilien aufmerksam geworden. Er überlegt, rechtliche Schritte gegen seinen Verwalter einzuleiten.
Wegsehen hilft nicht
Die Probleme sind vielfältig. Der Planerladen wollte mit der Aktion „Blickwechsel“, darauf aufmerksam machen, dass Wegsehen nicht hilft. Dafür wurden im Mai 2011 in der Nordstadt Banner aufgehängt, die die Problematik offen ins Blickfeld der Menschen rücken sollten. Doch die Aktion war nur von kurzer Dauer. Nach einem Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord im September musste der Planerladen die Banner wieder entfernen. Der Planerladen spricht von Zensur. Trotz aller Hindernisse zeigt sich Tülin Kabis-Staubach offensiv: „Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, auch weiterhin für die Schwächsten im Stadtteil und gegen Diskriminierung zu kämpfen.“
Offener Brief
Der Mieterverein Dortmund, der Planerladen und bodo e.V. forderten die Stadt Dortmund Anfang Dezember in einem offenen Brief auf, sich der Wohnungsfrage für Neuzuwanderer aus Bulgarien und Rumänien anzunehmen und insbesondere gegen Wuchermieten und die Eigentümer der sogenannten Problemhäuser vorzugehen. „Der Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, wenn die Betroffenen eigene Wohnungen finden können. Ansonsten laufen sie Gefahr ohne Obdach dazustehen, wenn sie sich gegen Wuchermieten wehren wollen“, so Dr. Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund.
Der Text ist ursprünglich im MieterForum, dem Magazin der Mietervereins Dortmund erschienen.
Das „Problem“ beschränkt sich ja nicht nur auf Dortmund. In Duisburg-Hochfeld gibt es eine ähnliche Lage. Hier scheinen sich in den letzten Jahren viele Roma angesiedelt zu haben, die durch jedes Soziale Netz fallen. Das führt dann eben auch zu Arbeiterstrich und Prostitution. Es scheint aber auch zivilgesellschaftliche Akteure zu geben („Oase“ ist so ein christlicher Stadtteilladen mit Kleiderkammer etc.), die sich wenigstens um die größte Not kümmern. Mittlerweile gibt es ein städtisches Handlungskonzept, das eher auf Hilfe zur Integration als auf Abwehr zu setzt.
Was mich aber echt aufregt, ist der Alltagsrassismus, der einem bei den LeserInnen-Kommentaren auf derwesten.de entgegenschlägt. Als ob „Abschiebung“ irgendein Problem lösen würde. Und selbst wenn, ist es zutiefst unmenschlich!
Interessant, dass es sich hier laut Autorin um „salonfähige Vorurteile“ handeln soll. Das scheint mir der oft gewählte Ansatz, Kritik an der angesprochenen Gruppe der Zuwanderer und der damit einhergehenden Probleme (ohne “ „) bequem mit der Wogegen-auch-immer-Vorurteils-Keule abzuwürgen.
Ich frage mich, ob die Autorin in der Nordstadt wohnt oder nur Betroffenheits-Stippvisiten macht?
Grüße aus Duisburg-Hochfeld,
Falkin
selbst erlebt:
Mein Arbeitskollege kommt aus Rumänien, wir arbeiten zusammen in der IT Sicherheit. Er hat mich gebeten ob ich bei einem interessanten Wohnungsangebot anrufen könnte um schonmal vorab zu klären ob die neuen Vermieter Englisch sprechen. Dabei habe ich dann direkt einen Besichtigungstermin für ihn ausgemacht, lediglich die Kontaktinformationen im Immobilienportal sollte mein Arbeitskollege noch ausfüllen. Nachdem er dieser Bitte nachgekommen war, bekam er eine eMail, in welcher der Vermieter darauf hinwies dass die Wohnung gerade vergeben wurde.
Tags darauf wurde das Angebot für die Wohnung im Immobilienportal aktualisiert. Ich habe darauf angerufen und nach einem Besichtigungstermin gefragt – welchen ich auch direkt vereinbaren konnte. Ich frage mich was da schief läuft… Ist denn niemand mehr in der Lage klar zu denken ohne sich von den Medien ins Hirn ficken zu lassen?
Auch interessant dass viele Vermieter direkt nach einer Aufenthaltsgenehmigung fragen…
Vom Grundton finde ich den Artikel wohltuend sachlich, auch wenn er einige Dinge enthält die so allein nicht stehenbleiben sollten.
Die Einschränkung der Freizügigkeit ist keine Erfindung gegen die Roma. Sämtliche Osteuropäischen Betrittsstaaten haben immer auch dieser Regelung für Deutschland unterlegen. Sie galt für Polen u.a genauso.
Wohnungsprostitution ist nicht illegal. Auch in Dortmund nicht. Es gilt für die verschiedenen Arten der Prostitition ein Sperrbezirk unterschiedlicher Grösse. Rumänische und Bulgarische Huren können völlig legal in Wohnungen der Prostitution nachgehen. Einzig die Sperrbezirke sind zu beachten.
Ein komplettes Prostitutionsverbot für Dortmund wurde von keiner Intitative gegen den Strassenstrich je gefordert. Noch wäre es möglich .
Die Banner des Planerladens haben Proteste der Anwohner hervorgerufen.
Die Texte waren nach Meinung vieler einfach verleumderisch. Da hätte die Befragung von Gegner der Banner sich gelohnt.
Frau Tülin Kabis-Staubach ist im Stadtteil als nicht gerade zimperlich für ihre Wortwahl bekannt. Sie ist gewissermassen ein Antipode von Dr. Hetmeier.
Während Dr. Hetmeier die populistische Welle reitet, erschlägt Frau Tülin Kabis-Staubach jede gegenteilige Meinung sofort mit der Rassismuskeule.
Ich habe beide Damen schon auf Veranstaltungen erlebt und finde beide unerträglich.
Beide vergiften jede moderate Diskussion und machen es für Bewohner die versuchen jenseits von Extremen über die Nordstadt zu reden sehr schwer.
@3
Also wenn ein Vermieter an einen deutschen Staatsbürger vermietet, muss er sich keine Sorgen machen, dass das Mietverhältnis unvermittelt endet, weil er von Amts wegen dass Land verlassen muss. Bei allen anderen anderen potentiellen Mietern kann das Thema Aufenthaltsstatus interessant sein: da kann man Vermietern aber auch ihre Wissenslücken nicht vorwerfen!
Bei ihrem Arbeitskollegen kann man sicherlich von Diskriminierung sprechen, bei vielen anderen wird aber die Vermietung an der Vorlage von Verdienstnachweisen scheitern. Wer ohne legales Einkommen und ohne Sozialleistungen ist, kann nur schwer einen Vermieter von seiner Bonität überzeugen.
Und auch dies Ausführungen über Wohnungsprostitution zu Beginn des Artikels werden nicht unbedingt Vermieter beruhigen.
Was ich nicht verstehe: warum reist man mittellos ins Ausland? Ohne Arbeit. Ohne Wohnung.
Für viele Rumänen und Bulgaren, die in ihrer Heimat geblieben sind, war das offenbar die vernünftigere Entscheidung. Würden dagegen in Deutschland sofort alle Sozialleistungen allen Freizügigen offenstehen, würden die Vernunft diesen Menschen möglicherweise eine andere Entscheidung nahelegen.
Die Sozialbeiträge der ArbeitnehmerInnen können aber nicht den Zweck erfüllen, die Armut ganz Europas hier vor Ort zu bekämpfen – das kann das System nicht verkraften!
Deutschland müsste dafür sorgen, dass Rumänien und Bulgarien sich um ihre Roma kümmern, damit diese endlich Perspektiven im eigenen Land erhalten.
@Jan:
Ich glaube , dass auch ich, wenn es in meiner Heimat keine Perspektive gäbe mittellos irgendwo hin fahren würde, wo ich glaube, dass es da wenigstens ein bißchen besser ist. Egal wohin. Was würden Sie denn tun?
Auf der Rolltreppe in einem Kaufladen eine Roma/Sinti Frau mit Kind. Das Kind hat in der Hand eine noch nicht bezahlte Ware, ein Plüschtier, und spielt damit. Die Frau bemerkt das plüschtier, nimmt es schroff weg und mit einem eleganten Schwung wirft sie es von der Rolltreppe die Galerie runter. Diese Lässigkeit, dieses unangepasstheit hat mich verdammt verblüfft. …
Vergleichen sie eine Roma Familie in der City mit einer Deutschen Familie. Der schwungvolle Gang, das laute aus mehreren Metern Entfernung Miteinandersprechen, die Kleidung, die Gestik,… wunderbar. Und die anderen Familie, steif, still, starr.
Ich hoffe, dass möglichst viele Sinti/Roma nicht ganz durch die Integrationskurse ihre klasse Eigenschaften verlieren. Um stattdessen dieser zu sehr angepassten Gesellschaft etwas mehr Lässigkeit beizubringen.
Ganz ehrlich meine ich das, ich bin auch nicht im sozialen Bereich tätig oder so. Wieso nur sieht man immer zuerst das negative in Anderssein. Zur Erinnerung, wäre die Gesellschaft dieselbige, hätte man die Eigenarten/Kultur der frühen Gastarbeiter konsequent wegintegriert.
Hoffentlich zieht eine Romafamilie in meine Nachbarschaft und bringt hier mal die stramme Ordnung durcheinander.
„Was würden Sie denn tun?“
Ich würde mich zumindest besser auf so eine Auswanderung vorbereiten, zB. die Sprache im Ansatz lernen. Das ist doch nicht zuviel verlangt ?
@7 Stefan
Also ohne Sprachkenntnisse ohne Arbeitserlaubnis ohne Ersparnisse in ein Land überzusiedeln, in dem ich nicht einmal Sozialleistungen empfangen darf – davon würde ich wahrscheinlich absehen!
Das ist waghalsig – da muss man auch keine Gesetze ändern, um ein solch irrationales Verhalten nachträglich zu belohnen oder sogar die waghalsige Entscheidung einiger weniger zu einer vernünftigen Option für viele zu machen.
zur Ergänzung #8
… seinerzeit wurde meine Mutter wegen ihrer Kleidung (Rock über Hose) verlacht und ihre Kochkünste wurden angewidert kommentiert. Eine Aubergine auf dem Markt war ausserirdisch. Wie behandele man denn sowas komisches.
Heute trifft sich eine spießige mittelklasse Deutsche mit Rock über Hose top modisch gekleidet mit ihren Freundinnen beim Italiener, Griechen, Türken, Vietnamesen, Koreaner, usw. und kauft natürlich verschiedenste Gemüse auf dem Wochenmarkt.
Wer weiss, was in den nächsten Jahrzehnten trendy wird. Bestimmt goldene Zähne, blumige Röcke, lockeres auftreten… Da müssen nur mal ein paar Designer ran.
„Wieso nur sieht man immer zuerst das negative im Anderssein?“
Eine gute Frage, finde ich! Ich vermute, blauäugiger Gutmensch der ich bin, einige der Probleme (tatsächliche oder imaginierte) die wir heute unter dem Label „Integrationsdebatte“ diskutieren hätten wir vielleicht gar nicht, wenn man sich die Frage vor 30-40 Jahren mal ernsthaft gestellt hätte.
„Wer weiss, was in den nächsten Jahrzehnten trendy wird. Bestimmt goldene Zähne, blumige Röcke, lockeres auftreten… Da müssen nur mal ein paar Designer ran.“ 😀
Hunderttausende Deutsche sind vor oder wärend des Kieges ausgewandert,in der
Hoffnung auf ein besseres Leben.auf Arbeit und sozialem Aufstieg.Die hatten auch nicht vorher eine Wohnung gemietet oder einen Arbeitsplatz.Die sind Tausende Kilometer von Daheim mit dem Schiff, für ein besseres Leben. Heute kommen Rumänen und Bulgaren zu uns und hoffen auf ein besseres Leben.