Die Wahl in NRW war, wie die meisten Wahlen der letzen Zeit, inhaltlich lau. Aber sie hatte es trotzdem in sich, und das ganz unabhängig von den Spitzenkandidaten. Die spielten eine weitaus geringere Rolle als uns die Presse und die Umfragen jetzt glauben machen wollen. Es geht nämlich bei Wahlen nicht nur um Programme und/oder Personen sondern auch und vor allem um allgemeine Stimmungen. Diese wiederum sind keineswegs nur vom Gefühl sondern auch vom Verstand geprägt. Genauergesagt sind sie ein Quintessenz aus der Unmenge an Information die die Menschen die noch wählen, d.h. die noch an Gesellschaft und Politik Interesse haben, diesbezüglich im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten aufzunehmen und zu verarbeiten bereit und in der Lage sind.
Der Durchschnittswähler ist weder Experte noch Informationsspezialist. Er nimmt das an Daten und Fakten auf, was ihm in der allgemeinen Presse-, Fernseh- und Internetlandschaft geboten wird. Er lernt also weitaus langsamer als die professionellen Gesellschaftsbeobachter. Aber er/sie lernt und sie/er ändert entsprechend auch seine politische Meinung und Einstellung. Grundsätzliche politische Mehrheitsänderungen, sprich ernstzunehmende politische Richtungswechsel, brauchen deswegen entsprechend lange, bis sie gesellschaftlich durchschlagen.
Das heißt: das große politische Pendel schwingt langsam, ja manchmal unmerklich, aber es bewegt sich ständig. Die beiden Grundrichtungen haben sich dabei trotz größerer sachlicher und parteilicher Differenzierung und zunehmender Problemkomplexität nicht geändert: Es geht entweder nach links oder nach rechts. Die letzte Dekade eindeutig nach rechts und das auch unter Rot-Grün. Der Neoliberalismus und die Deregulierung, die zusammen ein durchaus rationale Reaktion auf einen überbordenden Sozial-, Subventions- und Transferstaat waren, haben den letzten großen Pendelschlag angetrieben und mit dem Desaster der Finanzkrise auch sein Ende eingeläutet.
Selbst die CDU rückte in Anbetracht dieser Katastrophe wieder ein Stückchen nach links, bzw. sozialdemokratisierte sie sich. Nun, da auch dem Mensch auf der Straße klar geworden ist, dass trotz der staatlichen Rettung der Banken die dort Verantwortlichen genauso, ja noch schlimmer weitermachen als bisher, erinnert sich, angeführt von Lindner, selbst die FDP an ihre sozialliberale Seite. Es ist nämlich nicht so, dass der interessierte Durchschnittsbürger nicht eingesehen hat, dass die Staatsschulden gesenkt werden müssen. Er sieht nur nicht mehr ein, dass es dabei äußerst ungerecht zugeht.
Dass viele Chefideologen in den Medien diesen Schuss immer noch nicht gehört haben, und die Mehrheit der Ökonomieprofessoren schlicht an ihrer eigenen strukturellen Dummheit scheitern, ändert nichts daran, dass der Durchschnittswähler diesbezüglich seine Meinung in der Zwischenzeit geändert hat und wieder der Parteien eine Chance gibt, die traditionell für eben diese soziale Gerechtigkeit steht. Dass dabei eine Politikerin als Siegerin hervortritt, die das auch persönlich ausstrahlt, ist nur für die verwunderlich, die immer noch und gegen alle Forschungsergebnisse an der Trennung von Gefühl und Verstand festhalten.
Dass heute zur sozialen Gerechtigkeit auch ökologische Nachhaltigkeit gehört, dürfte dagegen Niemanden wundern. Dass dafür mittlerweile auch eine ganz bestimmte Partei steht, die sich die letzten Jahrzehnte einen Stammwähler-Dauerplatz im deutschen Parteienspektrum erarbeitet hat, auch nicht. Dass das rot-grüne Projekt damit vom neoliberalen Macho-Paar Schröder/Fischer auf zwei bodenständige Frauen übergegangen ist, die man mit Sicherheit nach ihrer politischen Karriere nicht als Berater und/oder Günstlinge von Großkonzernen und/oder russischen Kleptokraten wiederfinden wird, halte ich ebenfalls für einen politischen und sozialen Fortschritt.
Der damit eingeläutete Umkehr des großen Pendels ist aber auch der definitive Anfang vom schwarzgelben Ende im Bund. NRW ist nämlich nicht irgendeine Bundesland , sondern spiegelt die widersprüchlichen und zugleich komplexen Gesamtverhältnisse der Republik konzentriert wider. Zwar ist momentan auf nationaler Ebene weder bei den Sozialdemokraten noch bei den Grünen eine Persönlichkeit in Sicht, die dem Traumpaar aus NRW auch nur ansatzweise das Wasser reichen könnte. Dafür werden aber die Entwicklung der kommenden Monate noch deutlicher als bisher machen, dass diese Bunderegierung außer Merkel nichts zu bieten hat.
Es wird sich ebenso zeigen, dass ihre anerkannte Fähigkeit des taktisch klugen und politisch unaufgeregten Durchwurschtelns und Aussitzens schlussendlich nicht ausreicht, um die Schuldenkrise zu meistern. Sparen ist nämlich nicht nur eine Frage von Mehr oder Weniger sondern nach dem Was weniger und Was mehr. Nach dem, wem was nutzt und vor allem wer es bezahlt. Es ist die Stunde der Volks- und nicht der Betriebswirtschaft, der politischen Führung und Planung und nicht des mehrheitsopportunistischen Zickzackkurses.
Das mit dieser NRW-Wahl neu gestartete rot-grüne Projekt hat dabei zwei entscheidende Gegner auf der Strecke gelassen: Eine Linke die meinte, das die schon einmal grandios gescheiterte Planwirtschaft und die dazugehörigen Ideologien die Wähler überzeugen könnten und eine zum Marktfetischismus verkommene liberale Ideologie, die Freiheit mit unbegrenztem Profit verwechselt. Lindner, scheint das begriffen zu haben. Brüderle und Rösler, werden es sehr bald lernen müssen.
Alles das ändert allerdings nichts daran, dass nicht nur NRW sondern auch die Bundesrepublik bis zum Stehkragen verschuldet ist, und das eben nicht nur wegen der Finanzkrise, sondern weil Politik in den letzten Jahrzehnten keinen einzigen ernsthaften Sparversuch gemacht hat. Sie war, egal in welcher Farbe, schon stolz, wenn sie zeitweise die Neuverschuldung verringert hat, was ja nichts anderes bedeutet, dass die Schulden und damit auch die Zinslast weiterhin jedes Jahr größer werden, bzw. geworden sind. Seit der Bankenkrise allerdings war auch dieser Sparfunke endgültig erloschen.
Sparen heißt aber die Schuldensumme und damit die Zinsen systematisch zu senken. Sie sind es ja, die den Schuldner so absolut abhängig von den Gläubigern machen. Wir sind im Moment soweit, dass jede Steigerung des Zinssatzes für viele Kommunen in NRW das sofortige Aus bedeuten könnte. Dabei ist selbst eine kurzfristige Verdreifachung in Anbetracht der äußerst nervösen Finanzmärkte schneller möglich als die meisten denken, und damit könnten ganze Bundesländer vor dem Bankrott stehen.
Spätestens dann gäbe es nur noch ein Lösung: Die Gelddruckmaschinen nicht wie bislang auf halben sondern auf vollen Touren laufen zu lassen. Die Folge: eine Inflationsrate die einem Staatsbankrott in seiner Funktion sehr nahe kommt, und Griechenland wird uns in den kommenden Monaten noch viel drastischer als bisher vor Augen führen, was das politisch, ökonomisch und kulturell für die Menschen bedeutet, die kein Nummernkonto in der Schweiz und keine mächtige Lobby im eigenen Land haben.
Die NRW-Wahl ist auch deswegen so überdeutlich an Rot-Grün gegangen, weil die beiden Spitzenkandidatinnen es sehr gut verstanden haben, dieses bedrohliche Szenario nicht ganz so schlimm erscheinen zu lassen, bzw. es erst gar nicht zum Thema zu machen. Zumindest aber haben sie ihren Wählern das Gefühl vermittelt, dass mit ihnen das Sparen nicht ganz so schlimm werden wird, wie bei CDU und FDP.
Das von Hannelore Kraft so genannte vorsorgende Schuldenmachen, ist aber erst mal auch nichts anderes als eine weitere Erhöhung der Neuverschuldung. Erst ab 2020 soll dann der umgekehrte Weg eingeschlagen werden. Ich halte das für hochriskant, denn der absehbare Ausstieg Griechenlands aus dem Euro wird die Finanzmärkte nicht beruhigen, sondern noch nervöser machen, bedeutete er doch, dass Griechenland seine Schulden nicht zurück zahlen wird. Das wiederum wird für die noch Zahlungsfähigen und –willigen die Zinsen erhöhen, und das genau ist die Achillesferse jeder Schuldenpolitik, die nicht sofort die Zinsmenge zu senken in der Lage ist.
Die Piraten werden von dieser Situation völlig überfordert sein, weil sie schnelles Handeln und damit auch eine klare und gesellschaftlich umfassende politische Strategie erfordert. Sie können froh sein, dass sie erst einmal keine Regierungsverantwortung übernehmen brauchen, und sie wissen das. Ihr Markenzeichen der umfassenden basisdemokratischen Abstimmungen wird sich aber nichtsdestotrotz sehr schnell als demokratische Schimäre herausstellen. Die Krisendynamik kommt nämlich erst in den kommenden Monaten richtig in Fahrt, und dann wollen die Menschen Politiker die nicht nur entscheidungswillig sondern entscheidungsfähig sind.
Arnold, eine interessante Analyse, die mich ich allerdings in ihrer Argumentation nicht überzeugt. Das gilt auch für das Fazit „Das große Pendel schlägt wieder nach links“, wenn das in der parteipolitischen Auswirkung auf SPD und Grüne bezogen sein soll.
Es gibt unbestritten europaweit aufgrund der Wirtschafts-,Finanz-,Eurokrise, der extrem hohen Arbeitslosenzahlen -nicht bei uns- in der Bevölkerung europaweit ein allgemeines Unbehagen gegenüber allem , was irgendwie verantwortlich sein könnte für die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, für eine Bedrohung des Status des sog.bürgerlichen Mittelstandes, für die hohe Arbeitslosigkeit -Frankreich,Griechenland,Spanien- u.ä.mehr.
Dieses allgemeine Unbehagen gegenüber allem, was herkömmlich als rechts gilt, mag sich -sh.Frankreich, sh.Griechenland-auch in Wahlen zu Gunsten aller sog. Linksparteien auswirken.
Ein Unbehagen, wie ich es in Frankreich,Spanien,Griechenland-wahrnehme, gibt es jedoch m.E. bei uns nicht, jedenfalls nicht in vergleichbarem Ausmaß und in entsprechender politischer Relevanz wie in Griechenland, Frankreich.
Ich sehe allerdings nicht, auch bei einem unterstelltem und politisch relevanten Unbehangen in der Bevölkerung, daß die Wähler in NRW die SPD und die Grünen deshalb gewählt haben könnten, weil diese vom Wähler aufgrund ihres Unbehagens „irgendwie“ als linke Garanten für eine sozial gerechtere, sozial sichere Zukunft wahrgenommen worden sind oder als Garanten dafür, daß sich ‚was ändern , dh., daß es wieder „behaglicher“ wird.
Derzeit kann ich zudem -leider- nicht erkennen, daß SPD und Grüne 2013 von einem allgemeinen und möglicherweise wachsendem Unbehagen in der Bevölkerung profitieren werden , also im Bund eine eigene Mehrheit gewinnen könnten.
Dagegen sprechen einige grundsätzliche Fakten, etwa im Vergleich mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation in Frankreich, dagegen steht aber vor allem auch Frau Merkel, nicht primär ihre Partei, die -sh.alle Umfragen-offensichtlich für viele Menschen die Person ist, die in schwierigen, in unruhigenden, in beunruhigenden Zeiten als Garant für Sicherheit, für die Bewahrung der jetzigen Besitzstände, für Arbeitsplätze gilt. und diese Frau Merkel bekommt man als Kanzlerin 2o13 nur, wenn man CDU/CSU wählt.
Gegen eine Rot-Grüne Bundestagsmehrheit 2013 steht zudem die LINKE, die es -Stand heute- auch 2o13 verhindern wird, daß es eine eigenständige SPD/ Grüne Mehrheit, eine Mehrheit links von CDU/CSU/FDP auf Bundesebene geben kann .
(Ich lasse ‚mal die PIRATEN außen vor, da ich sie weder politisch begreifen noch links oder rechts einordnen/zuordnen kann.)
Zudem wäre es ja durchaus im Sinne Deiner Analyse folgerichtig, wenn die LINKE 2013 auf Bundesebene „von dem Ausschlag des Pendels nach links“ profitieren würde -angeführt von Lafontaine?
(Damit wären wir im übrigen wieder bei der Frage, welche Bedeutung Personen bei einer Wahl spielen und bei der NRW-Wahl gespielt haben.
Ich bleibe dabei, daß die Personen an der Spitze der Parteien, ihre Glaubwürdigkeit, das in sie gesetzte Vertrauen, entscheidend für diesen Wahlausgang in NRW waren -sh.vor allem für SPD,CDU,FDP und eben nicht der von Dir festgestellte Ausschlag des Pendels nach links.
Also zusammengefaßt:
Eine interessante Analyse von Dir (ich habe Bedenken bezüglich der Begründung und der Schlußfolgerung).
Eine Analyse, die im übrigen besonders interessant sein müßte für die LINKS-Partei, die sich, falls sie dem Inhalt Deiner Analyse und Deiner Schlußfolgerung zustimmt, mehr denn je fragen muß, warum sie nicht „von dem Ausschlag des Pendels nach links“ profitiert.
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Aber……warten wir ‚mal ab, was 2013 bei den Wahlen passieren wird.
Die Möglichkeit, daß es dann zu einer Bestätigung Deiner Analyse nebst Schlußfolgerung mit einem entsprechenden Wahlergebnis kommt, kann ich nichtg ausschließen, zumal ich hoffe, daß das Mögliche -sh.Deine Analyse- wider meine heutige Annahme doch zur Realität wird, dh., daß es im Ergebnis zu einer Bundesregierung links von CDU/FDP und ohne diese kommt.
Ihre Markenzeichen der umfassenden basisdemokratischen Abstimmungen wird sich aber nichtsdestotrotz sehr schnell als demokratische Schimäre herausstellen. Die Krisendynamik kommt nämlich erst in den kommenden Monaten richtig in Fahrt, und dann wollen die Menschen Politiker die nicht nur entscheidungswillig sondern entscheidungsfähig sind.
Ja, natürlich. Piraten treten aber auch nicht an, weil sie morgen am Tag Herrn Schäuble ersetzen wollen. Das wäre Politik 1.0. In den nächsten 10-15 Jahren werden wir mit Politikern vom Typ Merkel, Schäuble oder Steinbrückmeiergabriel zu leben haben (und dem, was die Elitenselektionsmechanismen der ‚etablierten‘ Parteien sonst so ausspucken werden).
Aber soll es wirklich so weitergehen?
https://www.youtube.com/watch?v=Rc2oZS7r53E
Das kann man doch nicht wirklich wollen.
Labern, Labern, Labern…..
Mit Soz/Grün wird sich nichts ändern. Schon gar nicht wird bei einer Mehrheit im Bund das Pendel nach links ausschlagen. Die Sozen wie die Grünen sind korrupte neoliberale Büttel.
Gewonnen hat übrigens nur eine Partei. Die der Nichtwähler. Satte 40% der Wahlberechtigen gehen nicht mehr zur Urne. Eben weil sie den Politikern nicht mehr glauben, ihre Lügen, ihren Filz, ihren Murks satt haben.
Nein, die Wahl in NRW ist kein Grund die etablierten zu loben. Bei allen Fehlern der Linken. Sie hat wenigstens zu ihren Positionen gestanden. Positionen übrigens, die klammheimlich von den Großen Parteien okkupiert wurden. Das fand übrigens keinen Niederschlag im Artikel.
Soz/Grün ist weder in NRW noch auf Bundesebene ein Fortschritt. Dazu haben dort noch zu viele Knechte der Wirtschaft und des Neoliberalismus das sagen. Eben dies wird sich auch so schenll nicht ändern.
Wenn 41% nicht zur Wahl gehen, so ist das auch eine Aussage und wenn SPD und Grüne nun wieder als Minderheitsregierung im Amt sind, kann man nicht von links schreiben. Denn die Grünen sind schon lange im Kapitalismus angekommen und die SPD badet darin schon genüßlich seit den sechzigerJahren. Die Menschen aber die links wollen, sind zu faul sich dazu zu bekennen und bleiben lieber am Wahlsonntag Sessel sitzen.
Die SPD Willy Brandts gewann 1972 über 41% der Stimmen aller WAHLBERECHTIGTEN. Die rot-grüne Regierung der Hannelore Kraft gewann (beide Parteien zusammen!) bei der NRW-Wahl 2012 rund 30% der Stimmen aller Wahlberechtigten. Das sagt doch wirklich alles über den Niedergang der SPD.
Und wieso sollen SPD und GRÜNE links sein? Wer hat denn Hartz IV eingeführt, zugleich unvorstellbare Steuererleichterungen für die Superreichen durchgeboxt, siehe:
https://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/spd-steuerpolitik-heuchelei-als-prinzip/1496312.html
Also, wenn das „links“ ist….
wenn 41% lieber im Garten beim Bierchen liegen als wählen zu gehen, dann wählen sie egal.
Man muss jetzt nicht anfangen Nichtwähler zu bevormunden. Falls es denen wirklich nicht egal sein sollte, so gibts es genug Möglichkeiten für sie, etwas nach ihrer Meinung nach zu verbessern.
Es ist zudem nicht nur bevormunden, sondern auch ziemlich anmaßend, wenn man meint für diese 41%, die sehr heterogene Gründe haben werden, zu sprechen…
von daher kein Wunder, dass Sozialisten dies trotzdem tun.
Ich sehe wie #1 kein schwingendes Pendel, sondern für es – leider, leider, leider – stark auf die Spitzenkandidaten statt Themen zurück.
Wobei da auch die Medien immer einen größeren Einfluss haben… bspw. FDP. Für jeden Mist, selbst bei Sachen, die sie gut machte, wurde sie in die Pfanne geklopft… Werte sanken und sanken… dann kam Bambi, der Medienstar und die positive Presse überwog wieder…
Wobei die Medien in ihrer Hysterie da vielleicht wirklich nur das Volk abbilden.
Die Vorstellung, wer nicht wähle, dem sei die Politik egal, ist absurd. Ich kenne nicht wenige Nichtwähler, und keinem von denen ist die Politik egal. Sie halten von den herrschenden Parteien nur nichts, deshalb wählen sie nicht.
Ich hatte in meinem Beitrag oben noch etwas vergessen: Die über 41% der Stimmen aller WAHLBERECHTIGTEN holte die SPD 1972 mit Willy Brand bundesweit, in NRW hatte sie deutlich mehr als 50% der Stimmen aller Wahlberechtigten, und zwar Stimmen, die von Herz und Verstand getragen waren. Brandt hatte die Arbeiter wie die Studenten und die Intellektuellen begeistert,
Und heute? Kraft und ihre SPD haben in NRW 23,3% der Stimmen aller Wahlberechtigten geholt, und nicht selten bekamen sie Stimmen, weil man sie für das „kleinste Übel“ hielt.
Politik hat fertig.
Parteien erneuern sich personell nur im geringstmöglichem Maße.
Das ist nicht nur in der Linkspartei so, das ist in allen Parteien so.
Leider hat das zur Folge, dass kaum neue Ideen zum Tragen kommen.
Man richtet sich halt in den Parteistrukturen ein.
Ein neuer Spitzenkandidat allein, reicht aber auch nicht aus, um neue Ideen möglich zu machen.
Die einzige Chance für den Wähler, neue Ideen bzw. Sichtweisen, ins Parlament zu bringen, geht leider nur über die Unterstützung neuer Parteien. Die sind natürlich erst mal chaotisch, können aber, weil sie so oder so nicht direkt in die Regierungsverantwortung kommen, in der Opposition ihre Positionen entwickeln.
Das schafft nicht jede Partei. Diejenigen unter den Wählern, die solche neuen Parteien bewußt wählen, reagieren übrigens sehr sensibel auf Untätigkeit und Unfähigkeit, und lassen die Wahlpartei von gestern, beim nächsten Mal viel schneller fallen als alle Stammwähler. Ich lasse eine Partei, die meine Erwartungen
nicht erfüllt, fallen, wie eine heiße Kartoffel. Dann aber habe ich oft nur die Möglichkeit, in meinem Sinne treditionell zu wählen. Manchmal aber bietet sich eine neue Partei mit guten Aussichten an. Das war diesmal der Fall, und das wird immer häufiger der Fall, weil die Wechselwähler heutzutage wohl zur größten Wählergruppe geworden sind.
Das liegt möglicherweise daran, dass es gar nicht allein darauf ankommt, was die Parteien im Programm stehen haben, sondern wieviel sie davon umsetzen können.
Weil das aber naturgemäß viel weniger ist, als im Programm steht, spielt es auch kaum eine Rolle, ob ich innerhalb eines politischen Blocks, die oder jene Partei wähle.
@ Halil # 3
„Nein, die Wahl in NRW ist kein Grund die etablierten zu loben. Bei allen Fehlern der Linken. Sie hat wenigstens zu ihren Positionen gestanden. Positionen übrigens, die klammheimlich von den Großen Parteien okkupiert wurden. Das fand übrigens keinen Niederschlag im Artikel.“
Es ging mir nicht darum, die etablierten Parteien zu loben. Es ging mir darum eine Bewußtseinsveränderung der Mehrheit zu skizzieren, von der Rot-Grün bei dieser Wahl profitiert hat. Es ist keine Frage, dass z.B. bei der Frage des Mindestlohns sowohl die SPD als auch Teile der CDU dem Druck von Links-Außen gefolgt sind.
Aber die dazugehörige Partei hat es verpasst, sich ihrer ideologischen Altlasten und der SED-Ursprünge zu entledigen. Ihr linken Parolen sind zum großen Teil von Vorgestern und die von ihnen anvisierte Systemalternative des Sozialismus/Kommunismus will Niemand. Nicht mal die, die unter dem Kapitalismus am meisten leiden, glauben, dass es ihnen da besser gehen wird. Im Gegenteil.
@ Crusius # 2
Was ich an den Piraten gut finde: Sie bilden die erste Partei in der deutsche Geschichte die keiner Ideologie folgt bzw. sich einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe oder Schicht zuordnet, d.h. die ihre gesellschaftlichen Problemlösungen nicht nach ideologischen Konzepten ausrichtet. Die offene basisdemokratische Diskussion und der Verzicht auf den Fraktionszwang müssen deswegen auch das Markenzeichen der Piraten sein und bleiben.
Die Handlungsszwänger der Politik bestehen aber trotzdem weiter und die erfordern auch dann Entscheidungen wenn die Zeit nicht für eine Abstimmung unter Einbeziehung aller Betroffenen/Interessierten und aller zugänglichen Informationen reicht. Die Funktion der Piraten könnte in diesem Zusammenhang nicht die der politischen Führung sondern der sachlich fundierten Kritik, der guten Fragen und der Suche nach wirklich innovativen Problemlösungen sein.
@ Chanson # 5+7
Wer nicht wählt, aus welchen Gründen auch immer, hat genau die Parteien verdient, die gerade an der Macht sind. Anders ausgedrückt, diese Gruppe ist für meine Analyse irrelevant.
Die Grünen sind, wie ein Teil der Partei „Die Linke“ de facto Abspaltungen von der SPD. Es ist also nicht verwunderlich dass die SPD heute keine Wahlsiege wie unter Willi Brandt erzielen kann. Aber sie kann mit nur einem Bündnispartner eine starke und stabile Mehrheit jenseits von CDU, FDP und anderen bilden. Genau das hätte Niemand vor diese Wahl für möglich gehalten.
Links als politische Richtung ist immer relativ. Es ging mir um einen Richtungsschwenk im Bewusstsein der Mehrheit der deutschen Wähler, der nach meiner Ansicht mit der letzten NRW-Wahl deutlich geworden ist und der sich bei der kommenden Bundesttagswahl in der Abwahl von Schwarz-Gelb forsetzen wird.
Wie links dann konkret die neue Bundesregierung sein wird, ist schwer vorherzusagen. Aber es wird dann sehr wahrscheinlich unter anderem den flächendeckenden tarifübergeifenden Mindestlohn, eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Kapitaltransfersteuer verbunden mit einer generellen Re-Regulierung des Finanzmarktes geben. Letzteres in Abstimmung mit den Franzosen.
@ Tux # 6
Es gibt immer mediale gesteuerte Erregungs- und Manipulationskurven und natürlich auch die persönliche Wirkung von Kandidaten, häufig sogar in mehr oder weniger abgestimmter Kombination. Trotzdem gibt es immer wieder bedeutende politische Richtungswechsel, weil eine Teil der Bürger eben nicht immer weiter verblödet und Krisen und sonstige Bedrohungen auch die aus der Reserve locken, die normalerweise, wie sie so treffend schreiben, lieber im Garten beim Bierchen liegen bleiben.
Dann schaffen es im Rahmen des großen Aufmersamkeitswettbewerbs sogar eine oder mehreren inhaltlichen Parteiprogrammpunkten in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte, die dann wiederum auch von mehr Menschen als üblich verfolgt werden.
Mit einem Satz, es gibt, trotz der immer größer werdenden Gruppe der Nichtwähler, noch so etwas wie eine kollektive politisches Bewusstsein, ja sogar Menschen, die die Mühen einer neuen Partei waagen. Von den vielen Bürgerinitiativen und NGOs ganz zu schweigen. Diese Menschen bestimmen je auf ihre Art die Politik in diesem Lande, und nicht nur die berufspolitische Kaste. Mindesten einmal im Jahrhundert wurde diese vom sogenannten Volk bislang sogar komplett vom Hof gejagt. In manchen Ländern auch häufiger.
@ Walter Stach # 1
Angela Merkel gehört zu den am meisten überschätzten Persönlichkeiten der deutschen Parteienlandschaft. Diese Überschätzung wird im wesentlichen aus 2 Quellen gespeisst:
Die konservativen Medien schreiben ihr in Ermangelung einer politischen Alternative, egal was sie inhaltlich macht, eine dahinter liegende geradezu legendäre persönliche Führungsfähigkeit zu. Als könnte es die ohne ein inhaltliches Konzept geben.
Der deutsche Kleinbürger jeder politischen Coleur sieht sich in ihr als polititische Leitfigur präzise wiedergespiegelt, hat sie doch, genauso wenig wie er selbst, kaum mehr zu bieten als Bodenständigkeit und unbedingten Überlebenswillen, gepaart mit überzeugungslosem Opportunismus und der Fähigkeit, andere über die Klinge springen zu lassen, anstatt selbst die Verantwortung zu übernehmen.
Noch ist die Finanzkrise, einzig und allein auf Grund einer hahnebüchenden Schuldenpolitik, nur bei den Ärmsten der Ärmsten und/oder in den nahezu bankrotten Kommunen angekommen. Noch wird sie aufgehalten von einer nationalen Export-Konjunktur, die nicht die Lösung sondern ein Teil des europäischen Schuldenproblems ist.
Aber die Uhr tickt, Walter. Und wenn das so klingt, als dass ich mich darüber freue, um recht behalten zu können, dann ist dem nicht so. Im Gegenteil. Ich hoffe vielmehr, dass es eine Regierung geben wird, die hartes Sparen und soziale Gerechtigkeit zu vereinigen in der Lage ist. Die nachhaltiges ökonomisches Wachstum und Bildung auf die Prioritätenliste ganz nach oben setzt, und dafür an anderer Stelle genauso hart den Rotstift anzusetzen in der Lage ist. Auch bei der eigenen Klientel.
-13-Arnold:
Ich hatte in meinem Beitrag die Kanzlerin erwähnt, um zu erläutern,, wie bedeutsam unabhängig von Inhalten und politischen Tendenzen -nach links oder nach rechts- Personen an der Spitze der Parteien sind und deren Wahrnehmung/Wertschätzung durch die Menschen.
Obwohl Frau Merkel mehrfach inhaltliche Positionen aufgegben hat, um danach Gegenteiliges zu propagieren, hat das nichts an ihrer Beliebtheit geändert.
Und ich sehe derzeit leider -noch?-nicht, daß sich das bis zur Bundestagswahl 2013 entscheidend ändern könnte.
Ich teile Deine Meinung zur Überschätzung der Kanzlerin ohne Wenn und Aber.
Nur wird diese unsere Meinung offenkundig von sehr vielen Menschen nicht geteilt -sh.die stabilen Voten für die Kanzlerin bei allen Umfragen über den beliebesten Politiker, über die beliebteste Politikerin-.
Ich stimme Dir zudem zu in Deinen beiden Begründungen für die positive Beurteilung der Kanzlerin in der Bevölkerung zu. Es mag dafür noch andere Gründe geben.Einer ist m.E.der ,daß „meine“ Partei, die SPD, die Kanzlerin auch über die Zeiten der großen Koalition hinaus ehe als politischen Partner behandelt und nicht oder nur sehr selten als politischen Wettbewerber, mit dem man inhaltlich und personell einen offensiven, harten, öffentlichen Konkurrenzkampf auszutragen hat.
Arnold, ich lese so eben bei verschiedenen online-Diensten etwas von einer Umfrage im Auftrage der ZEIT, danach liegt Frau Kraft jetzt in Sachen beliebteste Politikerin/beliebtester Politiker vor Frau Merkel!!!
Gründe dafür?
Eintreten für konkrete sog.linke Ziele in NRW, im Bund, ihrer und meiner SPD?
Oder überdurchschnittlicher Lreistungsnachweis als Regierungschefin in NRW?
Gilt die von von Dir unter 13 angebenen zweite Begründung für die, wie Du zurecht festgestellt hast, Überschätzung von Frau Merkel auch für Frau Kraft?
@ Walter Stach # 14 + 15
Das Merkel so lange ganz oben auf der Beliebtheitsliste steht, obwohl keiner weiß wofür sie steht, und das nun Kraft die Rolle einnimmt, obwohl sie noch gar nicht unter Beweis gestellt hat bzw. beweisen konnte, dass sie das umsetzt wofür sie steht, sagt vor allem das über solche Umfragen: Sie sie sind sehr medienabhängig und sie können sich deswegen sehr schnell ändern.
Kraft ist Bodenständig, aber nicht überzeugungslos opportunistisch. Sie ist das Neuwahlrisiko eingegangen um weiter zu regieren, und das mit einer klaren Koalitionsaussage, also mit einer politischen Festlegung auf ihr bisheriges Programm. Das nennt man landläufig Gradlinigkeit, und das wurde ihr offensichtlich vom Wähler gelohnt.
Arnold -16-, einverstanden:
Hannelore Kraft gilt offensichtlich in der Bevölkerung als gradlinig, glaubwürdig, vertrauenswürdig und unterscheidet sich dadurch in der Wahrnehmung der Menschen -sh.aktuelle Umfrage- wohltuend von Kanzlerin Merkel.
Ich bin gespannt, ob sich aufgrund der Causa Röttgen die Sympathiewerte für Merkel im Vergleich zu Kraft noch weiter verschlechtern werden.
Ich hoffe allerdings sehr, daß Frau Kraft ihre Zusage einhält, dh.eine Kanzlerkandidatur 2o13 ausschließt und in NRW bleibt. Und das hoffe ich nicht nur wegen ihrer Glaubwürdigkeit, die ansonsten ernsthaft gefährdet wäre, sondern auch deshalb, weil ich -noch?-erhebliche Probleme damit habe, mir eine Kanzlerin Kraft vorzustellen.
Oder werde ich wider Erwarten aufgrund weiterer Umfragen mit wachsender Zustimmung für Frau Kraft und folglich einer in der SPD intern stets anwachsenden Sympathiewelle zu Gunsten von Frau Kraft als Sozialdemokrat doch noch genötigt, mich mit einer SPD-Kanzlerkandidatin Hannelore Kraft zu befassen? Möglich ist in der Politik bekanntlich alles!
@ Walter Stach
Ich hoffe auch, dass sie in NRW bleibt. Auch in ihrem eigenen Interesse. Aber dafür wird die SPD Troika im Bund schon sorgen. Diesmal sind die Chancen eines SPD-kandidaten auf die Kanzlerschaft nämlich, seit langem mal wieder, ganz real.
Und Merkels Werte werden weiter sinken, denn sie hat im Fall Röttgen gezeigt, dass ihre Aussagen nicht mal mehr eine Halbwertzeit von 24 Stunden haben um vom Lob ins völlige Gegenteil, d.h. zur Entlassung zu wechseln. Sie hat eindeutig ihren Beliebtheitszenit überschritten.
Die Story, dass das alles mit Seehofer heimlich abgesprochen sei, ist nach meiner Ansicht völlig unglaubwürdig. Vielmehr wollte ihr der Fokus nochmal so Führungsstärke andichten, während sie in Wirklichkeit schlicht hektisch wird und dabei immer deutlicher zeigt, wer sie wirklich ist.
SPD: Hannelore Kraft kann Angela Merkel schlagen…
Hannelore Kraft (Foto: SPD NRW) Vor allem die SPD-Linke bevorzugt offenbar NRW-Wahlgewinnerin Hannelore Kraft als Kanzlerkandidatin. Berlin – Nach dem Wahlerfolg bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen wird der Ruf nach einer Kanzlerkandida…