Ende 2012 führte ich für die Ruhrbarone ein kurzes Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Lars Holtkamp (siehe Link unten) von der FernUni in Hagen.
Dieser prognostizierte in seinen damaligen Ausführungen das rasche Scheitern des damals frisch gestarteten Stärkungspaktes der Rot-Grünen-Landesregierung innerhalb von zwei Jahren. Holtkamp sprach im Dezember 2012 sogar vom drohenden ‚Hochgehen einer Bombe‘.
Nun wird an einigen Stellen im Lande bereits deutlich, die skeptische Einschätzung des Haushaltsexperten scheint tatsächlich nicht so aus der Luft gegriffen gewesen zu sein, wie es sich manche vielleicht gewünscht hätten. Wir haben inzwischen bekanntlich Sommer 2014, also gut 18 Monate später, und bereits einige Städte im Lande kämpfen mit der Umsetzung der strengen Sparvorgaben.
In Datteln, im Kreis Recklinghausen, beispielsweise, kämpfen die Lokalpolitiker aktuell mit den Spar-Auflagen um die vom Lande in Aussicht gestellte finanzielle Hilfe überhaupt bekommen zu können. Und gespart wird dort, wie auch in anderen Städten der Region aktuell gerne gemacht, in erster Linie durch Abgaben- und Gebührenerhöhungen für die Bürger, was zu entsprechenden Unmut bei den Betroffenen führt.
Die Dattelner Ratsmitglieder erhielten vor Wochen ein Schreiben der Bezirksregierung Münster zum Haushaltssanierungsplan 2014. Dieser Brief aus Münster war dem Vernehmen nach nichts anderes als die letzte Warnung der Kommunalaufsicht, dass Datteln auf den ursprünglich angekündigten und zugesagten Sparkurs zurückzukehren hat.
Besonders der erst im Mai vom Rat beschlossene Verzicht auf die Erhebung von Parkgebühren in der Kanalstadt wurde darin moniert. Münster drohte den Dattelnern mit der Streichung der ursprünglich in Aussicht gestellten ‚Konsolidierungspauschale‘ von knapp 4,5 Mio. Euro.
Der neue Dattelner Rat stand somit in dieser Woche vor der Frage zukünftig deutlich mehr zu sparen oder aber entsprechend mehr Geld einzunehmen, um die frisch entstandene Lücke im städtischen Haushalt zu schließen. Und man entschied sich nun für letzteres.
Die örtliche SPD nutzte ihre Ratsmehrheit zum einen dafür, um die geplante Erhöhung der Grundsteuer B auf 825 Punkte auf 2015 vorzuziehen, und nicht erst wie vorgesehen ab 2016 zu erheben. Zum anderen stimmte die SPD zusammen mit der Linken-Fraktion in Datteln für die Einführung der Parkgebühren in Datteln. Schon im Sommer soll in der Innenstadt Parken nicht mehr kostenlos sein, was die ‚Volksseele‘ im Ostvest aktuell besonders ‚zum Kochen‘ bringt.
Ob die frisch gefassten Beschlüsse aber Dauerhaft ausreichen werden um die Neuverschuldung, wie vorgesehen, zu stoppen, das darf wohl schon jetzt getrost bezweifelt werden.
Vieles deutet darauf hin, dass die deutlichen Aussagen von Lars Holtkamp vom Dezember 2012 gegenüber den Ruhrbaronen auch in Datteln bald mehr und deutlicher sichtbar Realität werden könnten, als es uns allen lieb sein kann….
Hier geht es zum Interview aus Dezember 2012:
Hi Robin
Der Bilanz lässt sich noch hinzufügen, dass durch den Stärkungspakt erstmals in NRW Staatskommissare nach 1945 eingesetzt wurden. In Nideggen und Altena wurden dadurch neue Rekordhebesätze eingeführt und die Demokratie ausgeschaltet. Weitere Staatskommissare werden folgen, wenn sich die Landesregierung zu keinem Kurswechsel entscheidet (z. B. wie bei HSK Verlängerung des Konsolidierungszeitraums bis ….). So wurde die kommunale Selbstverwaltung sicher nicht gestärkt.
Das traurige ist, das es Niemanden besonders interessiert, da nur ein paar Tausend Bürger betroffen sind.
Die Haushalte der großen Ruhrstädte sehen doch genauso aus.
Wann wird denn dort vom Land bzw. der Kommunalaufsicht durchgegriffen ?
Warum ist nur der Kreis RE betroffen ?
Wahrscheinlich weil man keine Stadtwerke hat um die Schulden dorthin auszulagern.
Recklinghäuser:
Leider ist die Finanzsituation der Kommunen ruhrgebietsweit (!!) gleichermaßen katastrophal.
Lediglich die Symtome dieser für die Kommunen existenz-bedrohenden Erkrankung äußern sich von Stadt zu Stadt teilweise unterschiedlich, auch deshalb, weil die Mitte und Möglichkeiten, diesen Symptomen zu begegnen in den Städten unterschiedlich sind. Auch die Wahrnehmung der Symtome dieser existenz-bedrohenden Erkankung ist in der Bürgerschaft – der veröffentlichen Meinung- unterschiedlich, was aber substantiell an den selben Ursachen der Erkrankung in den Städten nichts ändert.
Ich habe zur Sache zuletzt hier bei den Ruhrbaronen etwas gesagt als Beitrag zum Gastkommentar von Dirk Schmidt -CDU BO- : “ Bochum: Haushaltssperre……..“ .
Dem kann ich nichts Neues hinzufügen -und das schon seit Jahren-.
@Walter: Wobei mir die ‚Absturzgeschwindigkeit‘ der Ruhrgebietsstädte aktuell schon unterschiedlich schnell zu sein scheint, wie einem ein paar Fahrten quer durch das Revier verdeutlichen…
Man muß nicht wirklich „Haushaltsexperte“, Wissenschaftler oder Finanzfachwirt sein, um zu erkennen, daß der Stärkungspakt „Knopp auf Kante“ gerechnet wurde und aufgrund seiner Berechnungsgrundlagen nicht funktionieren kann.
Wir haben bereits Ende 2012 anlässlich der Haushaltsplanungen der Stadt Herten unsere Kritik angebracht…
https://blog.piratenpartei-nrw.de/herten/2012/12/12/offener-brief-…dr-uli-paetzel/
…und unser Bürgermeister hat im persönlichen Gespräch offen zugegeben, dass zu erwarten ist, dass die Rechnung nicht aufgehen wird…
https://blog.piratenpartei-nrw.de/herten/2013/03/04/nachlese-ein-s…-burgermeister/
…man konnte sich also von vornherein schon denken, daß es nur ein paar Unwägbarkeiten brauchen würde, um das fragile Konstrukt ins Wanken zu bringen – und es war von Anfang an klar, dass besonders die Personalkostenfrage „gefährlich“ werden würde. Schließlich hatte man geradezu lächerliche Tariferhöhungen „eingeplant“.
Der Schuldenschnitt wird kommen. Frage wann und wie.
@Sascha Köhle: Umso erstaunlicher, zumindest auch aus meiner Sicht, warum vor Ort von vielen Lokalpolitikern der Stärkungspakt dann (noch) nicht entschiedener und offen kritisiert wird, wenn doch auch dem interessierten Laien rasch klar wird, dass das so nicht wirklich klappen kann…
Vielleicht könnten ja die Einnahmen aus einem neuen Gewerbegebiet Geld in die Kassen bringen. Ach Quatsch, geht ja nicht. Nur Geld das man von anderen Steuerzahlern schnorrt ist ja gutes Geld. Geld das verdient wird, vor allem in die Industrie, ist ja böse. Im Ernst: Die Lösung heisst Wachstum und dazu gibt es keine Alternative. Wer gegen Wachstum ist, muss sich nun einmal mit der Armut abfinden. Datteln ist eine Stadt die im Industrie kämpft – sie hätte den erfolg verdient.
„Der Schuldenschnitt wird kommen. Frage wann und wie.“
Die Privaten Banken sollen sich schon längst aus der Finanzierung von schwachen Kommunen zurückgezogen haben. Einen Schuldenschnitt würde wohl vor allem die Örtliche Sparkasse und die NRW Bank treffen. Wegen der NRW Bank wird die NRW Landesregierung versuchen jegliche Schuldenschnitte zu verhindern. Wenn Großschuldner der Sparkassen Pleite gehen, dürfte auch die Spk Probleme bekommen. Die anderen Sparkassen werden so in Not gebrachte Spk sicherlich nicht Helfen.
Die Frage ist, wie das alles weiter gehen Soll?? Die Personal- und Sozialkosten werden wohl weiter stärker als die Zunahme der Mittelzuweisungen steigen. Irgendwann dürfte auch das Gebühren Erhöhungspotential erschöpft sein. Das mit den Kassenkrediten und der Verbindlichkeiten Verlagerung auf Zweckbetriebe ist auch endlich.
-7-Stefan Laurin
Ich verstehe ja, daß Du jede Gelegenheit nutzt, immer wieder direkt oder indirekt zwei Industrieprojekte in Datteln anzusprechen -Kohlekraftwerk E.ON-Datteln IV und New-Park. Zwei Projekt, die ich aus unterschiedlichen Gründen bekanntermaßen ablehne.
Dass alle(!!) Kommunen im Revier, gelegentlich auch in einem problematischen Wettbewerb miteinander, sich um den Erhalt von Gewerbe- und Industrieunternehmen und um Neuansiedlungen bemühen, ist eine Selbstverständlichkeit, die -jedenfalls nicht anhand von Fakten- in Frage gestellt werden kann.
Streiten kann man sich, streiten muß man sich darüber, ob die für die Erreichung dieser Ziele den Kommunen gegebenen Mitteln und Möglichkeiten „optimal“ sind und ob die von ihnen dafür eingesetzten Instrumente immer die richtigen sind.
Stefan, nur so nebenbei und „leicht ironisch“:
Während wir im angeblich „industriefeindlichen Waltrop“ seit länger Zeit eine Arbeitslosenquote von 7-8% aufweisen, weist die „industriefreundliche Nachbar- stadt Datteln“ eine Quote von 12-13 % auf!!
Waltrop setzt, aus meiner Sicht ist das realistischer als auf industrielle Großprojekte zu hoffen, weiterhin auf den Erhalt und die Neuansieldung kleinerer und mittlerer Gewerbebetriebe.
Das sollte m.E. in Waltrop -auch mit Blick auf die Gewerbesteuern-weiterhin das kommunalpolitische Ziel bleiben. Über den Grad bisher erzielte Erfolge wird kommunalpolitisch gestritten und folglich auch über die bisher diesbezüglich eingesetzten bzw. zukünftig einzusetzen Mittel und über die hier angewandten Methoden kommunaler Wirtschafsfördung.
Stefan,
nur so viele Gewerbesteuermehreinnahmen können alle Städte im Revier in den nächsten 1o Jahren gar nicht erzielen, selbst wenn sie allesamt über jede realistisch Erwartung hinaus kurz-bzw. mittelfristig gewerbesteuerpflichtige Unternehmen ansiedeln würden, daß das ausreichen könnte, die strukturellen Defizite in ihren Haushalten substantiell -und „nachhaltig“- abzubauen.
Das mit bemühen um Industrie ist gut und schön, wenn man aber die Abgaben erhöhen muss, hilft das wenig. Warum soll die Industrie irgendwo Millionen investieren, wenn später exorbitante Gebührenerhöhungen drohen? Die NRW Landesregierung versucht jetzt wohl die Mittelzuweisung so zu steuern, dass Kommunen mit sehr hohen Sozialkosten und relativ geringe Gewerbesteuereinnahmen mehr bekommen. Man riskiert mehr Dissens von Kommunen die weniger Geld zugewiesen bekommen. Der Kampf ums Geld dürfte härter werden. Das mit der Konsens Gesellschaft wird sich auch immer mehr auflösen.