Ruhr2010: Versemmeln wir?

Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt war gut und erfolgreich. Schade nur, dass das nicht nur dort entworfene Bild vom Ruhrgebiet nicht der Wirklichkeit entspricht.

Die zweite Stadt unterhalb von Zechen Zollverein wird wohl nichts. Schade, es war eines der Projekte mit wir den Titel der Kulturhauptstadt gewonnen haben. Heute gleich zwei Meldungen über Ausfälle: Der Neubau der Philharmonie in Bochum wird wohl erst 2011 fertig und auch der spektakuläre Neubau des Landesarchives am Duisburger Innenhafen kommt erst später.

Ob die Loveparade 2010 im Ruhrgebiet stattfinden wird, weiß niemand. Natürlich, für alle Ausfälle und Verspätungen gibt es gute Gründe: Mal fehlt Geld (Zweite Stadt), will man günstiger bauen (Bochum) oder setzt nach der Katastrophe von Köln auf mehr Sicherheit (Duisburg) oder hat – kein ganz so guter Grund – generell die Hose voll (Loveparade).

Aber all diese Entscheidungen mit all ihren guten Gründe fügen sich zu einem Bild zusammen: Wir können es nicht. Wir sind Meister im Präsentieren und versagen bei der Umsetzung. Wir berauschen uns am Anblick von Animationen, Videos und Modellen, aber wenn es darum geht, die Pläne Wirklichkeit werden zu lassen bekommt das Ruhrgebiet es nicht hin. Jeder bastelt alleine an seinen Projekten und bejubelt schon die neue Zusammenarbeit, wenn all die Projekte zusammen in einer Broschüre abgedruckt werde. Sie zusammen umsetzen, gemeinsam zu finanzieren und gemeinsam die Probleme aus dem Weg zu räumen, dafür reicht es nicht.

Ich kann dieses Metropolengerede nicht mehr hören. Wer eine Metropole sein will, soll sich gefälligst wie eine benehmen: Gemeinsame Probleme werden gemeinsam gelöst, internationale Standards werden gehalten, im Idealfall gesetzt. Über Themen wie die Menge und Qualität Konzerte Abseits der nicht-subventionierten Tempel der Hochkultur, über die Zahl der kleinen Galerien, über den Nahverkehr, der so organisiert ist, das man glaubt Sonderschüler seien am Werk (Sorry, Menschen mit Förderbedarf) will ich jetzt hier gar nichts schreiben.  In vielen Bereichen kommen wir noch nicht einmal an normale Großstädte heran.

Das Ruhrgebiet hat es mittlerweile raus sich auf Messen und in Bewerbungsverfahren gut zu präsentieren. Schade, dass das Gezeigte mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Die Chancen die sich in den letzten Jahren aufgetan haben werden vergeben.

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Jens Kobler
15 Jahre zuvor

Uh, die Wirklichkeit!
Dabei ist doch eben der Grundansatz der Herrschaften für 2010: One vision. Ein Leitbild. Ein Entwurf, eine Großinszenierung. Eine ganz große Fata Morgana, die eben nicht (!) der Realität entspricht, sondern potentiellen Investoren und deren Promi-Begleitungen eine für Jet Set Kreise (Chaffeur, Flughäfen, Taxifahrten, Eventhopping) angenehme Vogelperspektive bzw. möglichst megaloman berauschende Ereignisabfolgen liefert.
Und so natürlich auch die Präsentation, mit ein wenig Off-Szene, Kohlenstaub und Subkultur als Authentizitätsnachweis, damit man sich – falls gewünscht – erinnern kann wo man eigentlich ist. Und natürlich vergisst ja niemand, wo man herkommt – erste Regel dieser Art High Society. He’s still Dieter from the block. Zum Beispiel. Im Grunde einer von uns, der sich hochgearbeitet hat und Ecken und Kanten bewahrt. Und Fehler sind dann natürlich erst recht menschlich. Und dann brauchen auch Scheytt, Reiniger und Rüttgers nicht bei der 2010-Präsentation auf der ITB sein – wie ich hörte. Mensch, so sind wir hier halt auch!
Vergessen Sie mal die Realität, Herr Möchtegernjournalist, und werden Sie endlich ordentlicher, Standort orientierter Werbetexter! Dafür hat man doch in Sie investiert! Sie haben noch zu viele Flausen im Kopf! 😉

Mit-Leser
Mit-Leser
15 Jahre zuvor

@Laurin: Sehe ich genauso. Worten müssen Taten folgen – oder sie sollten zumindest Tatsachen entsprechen.

2010 wird aber trotzdem ein gutes Jahr für das Ruhrgebiet. Ist im Prinzip wie beim Fussball: Wenn es ein kleiner Club geschafft hat, sich für die Champions League zu qualifizieren – und jetzt das erste Mal auf der großen Bühne steht. Im hellen Rampenlicht werden die Club-Verantwortlichen und Fans das erste Mal erkennen, woran es wirklich hapert. Die Spieler werden spüren, wo die eigenen Grenzen liegen – und mit wem man sich auf lange Zeit noch nicht messen kann. Denn so etwas muss man tatsächlich spüren – nur im Feuer wird man besser. Intellektuell kann man es erst in der Nachbearbeitung erfassen. Nämlich 2011. In dem Jahr kann das Team Ruhrgebiet beginnen, das Gelernte in die alltägliche Arbeit zu transferieren.

Ich drück dem Team Ruhrgebiet die Daumen, dass es sich in der Vorrunde wenigstens schon einmal Respekt und Anerkennung erspielt. Werde als Spielerbeobachter auf jeden Fall zu Besuch kommen.

Und, wenn es 2011 einen Manager-Posten für das Team Ruhrgebiet zu vergeben gibt, würde ich Herrn Laurin vorschlagen. 🙂

Arnold Voss
15 Jahre zuvor

@ Jens

Die große Inszenierung verhält sich zur Wirklichkeit ungefähr so wie die Finanz- zur Realwirtschaft. Beliebig lange kann sie sich, wie wir gerade sehen, nicht von ihr lösen.

Arnold Voss
15 Jahre zuvor

@ Mitleser

Kritisieren ist (zweifellos sinnvoll aber) nun mal leichter als selber besser machen. Unter den gegebenen politischen und verwaltungsorganistorischen Bedingungen würde ich Stefan deswegen den von ihnen empfohlenen Managerposten nicht empfehlen.

Mit-Leser
Mit-Leser
15 Jahre zuvor

@Voss: Denke, Herr Laurin würde das schon schaffen. Aber wenn ich schon mal dabei bin Posten zu vergeben: Sie sollten Herrn Laurins Chefberater werden. Es sei denn, Sie wollen den Werbetexter machen. Mit dem Claim von eben haben Sie ja bereits bewiesen, dass Sie auch das Zeug dazu haben. Allerdings ist Berater immer besser als Texter: da muss man nicht die ganze Zeit vorm Computer sitzen. 😉

Jens Hapke
15 Jahre zuvor

Ich komme gerade aus Berlin von der ITB zurück und lese nach, was die Ruhrbarone in dieser Woche so geschrieben haben. Sorry, aber jetzt muss ich mal etwas Luft ablassen.
Euer ewiges Genörgel an der Metropole Ruhr, Satellitenfilmen, verpassten Chancen etc. nervt. Auf der ITB hat die Metropole Ruhr (oder meinetwegen auch das Ruhrgebiet) eine Eröffnungsshow hingelegt, von der gestern noch die Rede war. Der Gemeinschaftsstand war durchgehend voll, auf meinem Schreibtisch stapeln sich die Pressespiegel mit bundesweiten Berichten von der ITB, gestern Nachmittag hatten wir noch mal eine PK im ICC Berlin vor mehr als 80 KollegInnen. Wann hat es dass mal für und im Ruhrgebiet gegeben?
Natürlich gibt es auch Rückschläge (Loveparade, schwierige Finanzierung Zweite Stadt), aber ihr verkennt total, was schon alles erreicht wurde. Und leider geht man in der Masse der bunten Regionen und Städte unter, wenn man nicht übertreibt, überzieht und nur die mit Photoshop bearbeitete Schoko-Seite zeigt. So ist nun mal Tourismus-Werbung.
Nichts gegen kritische Distanz von Medien, das gehört zum Geschäft. Aber Ihr guckt nur noch da hin, wo es nicht gut läuft. Das nervt!!!
Jens Hapke, RVR Pressesprecher

Jens Kobler
15 Jahre zuvor

@ Jens Hapke:
Stimmt doch gar nicht, das Exklusiv-Interview zur Show kommt aber leider erst am Wochenende. Weitere Beispiele positiver Berichterstattung: Ruhr.Atolle, Kunst am Bau, die diversen Veranstaltungshinweise,…
Außerdem lobte St. Laurin doch gerade die „Meister des Präsentierens“ im Gegensatz zu den „Umsetzern“. Wobei ja viel heute noch gar nicht umgesetzt sein kann, das wissen auch die Ruhrbarone, diese unverschämten Motivationskünstler aus der Nachbarschaft.
Aber gut dass intern die Stimmung gut ist, wir können einstecken. 🙂

Arnold Voss
15 Jahre zuvor

@Jens Hapke

Der Claqueure und Schönstredner im Ruhrgebiet sind soviele Legionen, dass wir uns, jenseits dessen was Jens Kobler zur Recht geantwortert hat, die Minderheitenrolle der „Nerver“ ohne Probleme anziehen. Und Kritik nervt, wie alle, die „im täglichen Händel mit der Welt liegen“, wissen , sowieso immer.

Noch nerviger allerdings sind die New-York-Metropolen-Vergleich-Nummer von Fritz Pleitgen und die Wahnsinnsprognosen von 7-8 Millionen Besuchern zusätzlich für 2010.

Wer sich selbst und freiwillig solche Maßstäbe setzt, der muss sich nicht wundern, dass er am Ende auch bei denen den Kürzeren zieht, die nichts gegen die notwendigen Werbeübertreibungen haben.

Es gibt Neider und Konkurrenten genug, die nur darauf Warten, sich spätestens 2011 über das Ruhrgebiet lustig zumachen. Denen muss man das abgekartete Spiel nicht auch noch unnötig erleichtern.

Arnold Voss
15 Jahre zuvor

@ Jens Hapke

P.S. Ich kennen kaum eine Großstadt auf der Welt, die sich so schwer mit Selbst- und Fremdkritik tut, wie die RuhrStadt. Während ihre Bewohner nahezu weltbekannt dafür sind, dass sie durchgängig und flächendeckend zu offenem Wort, frechem bis dreckigem Witz und fröhlicher Selbstironie neigen, scheinen diese wunderbaren regionalen Charaktereigenschaften bei den dort Verantwortlichen im Laufe ihrer Karriere systematisch abhanden zu kommen.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
15 Jahre zuvor

Ja, lieber Jens Hapke, da müsst Ihr durch: Metropolwerdung ist kein Plätzchenbacken (oder irgendein Werbedingens), sondern eben eine mitunter schwer nervige Angelegenheit. Kritische Öffentlichkeit gehört dazu; deshalb seien Sie froh, dass es die, zumindest in Ansätzen, schon gibt ? und dass sie nicht, wie so vieles andere, erst erfunden werden muss.

Kaum jemand würde über verschnarchte NY-Vergleiche, die zur Beschwörungsformel geratene ?Metropole Ruhr? und den Unfug mit dem gefaketen Satellitenbild reden, wenn diese Dinge nicht andauernd als zentrale Argumentationsmuster im Werben für das Ruhrgebiet eingesetzt würden. Kein Anlass, keine Kritik ? so einfach ist das.

David Schraven
Admin
15 Jahre zuvor

Hi Jens,

das blöde ist immer, wenn man Jubelberichte liest, ignoriert man die weg. Haften bleiben nur die bösen Zeilen.

Dass es Dich nervt, kann ich verstehen. Würd mich auch nerven, wenn ich Pressesprecher wäre. So ist eben die Rollenverteilung.

Du musst schön malen. Wir müssen versuchen, die Wahrheit hinter dem schön gemalten zu erkennen.

Im Zweifel musst Du den Auftritt der Metropole auf der ITB toll finden.

Wir müssen im Zweifel sagen, was juckt mich der Auftritt des RVR auf der ITB, wenn bei Opel der Schuppen brennt, bei ThyssenKrupp und sonstwo.

Unsere Position ist dabei in der Tourisache eigentlich klar. Korrigiert mich, wenn ich mich irre. Ja, der Tourismus kann im Ruhrgebiet gefördert werden. Ja, damit sind zukunftfähige Jobs zu generieren, Aber nur, wenn man das ernsthaft macht mit allen Städten gemeinsam und nicht so halbherzig wie bislang.

Ansonsten freue ich mich über jeden Erfolg des RVR.

Stefanie Dehler, Pressestelle Ruhr Tourismus

Ich bin gerade in der Bahn auf dem weg zurück von der itb. Heute waren hauptsächlich noch touristiker und Reisejournalisten da. Der stand war auch heute, wie Jens schon von den letzten Tagen berichtet hat, den ganzen Tag voll mit Besuchern, es gibt kaum jemand, der keine heisere stimme hat.
Der Tenor der Gäste war fast immer: zunächst Skepsis, nach dem Besuch aber Begeisterung für den stand, die Planungen und sehr positives image für das Ruhrgebiet! Allein das brauchen wir extrem.
Und wenn es um konkretes und nicht nur repräsentatives gehen soll: es wurden mehrere langfristige Kooperationen mit großen reiseveranstaltern unterzeichnet und auch mit der deutschen zentrale für Tourismus. Sehr Spezifische taten und mehr als Gerede. Dazu wurde durchaus ein gemeinsamer messeauftritt deutlich, weg vom kirchturm denken.
Dazu Hörten wir ständig nur: das war die tollste Eröffnungsfeier seit langem. Man sieht ja nur noch das Ruhrgebiet im fernsehen. Das ist die beste Currywurst meines lebens.

Stefanie Dehler, Pressestelle Ruhr Tourismus

Da hat das Telefon den Kommentar zu früh abgeschickt:
2. Stadt hin oder her, wir sollten jetzt mit der grandiosen itb – stimmung weitermachen und was draus machen. Alle Politischen und touristischen Repräsentanten am stand haben einen Super Job gemacht und für ein tolles Ruhrgebiets-Bild international gesorgt. Also einfach mal mitfreuen, auch stolz sein und mit einem schönen Bierchen drauf anstoßen!

ch_we
15 Jahre zuvor

Richtig lustig ist ja auch, wie die PR-Fraktion den Kritikern hier Recht gibt. Da wird an der konkreten Umsetzung gemäkelt und als Antwort kommt sinngemäß: „In Berlin auf der Messe war die Resonanz auf die Präsentation aber gut.“

Mario Herrmann
Mario Herrmann
15 Jahre zuvor

Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Allein an dieser Devise hat sich Öffentlichkeitsarbeit der Metropole Ruhr zu orientieren. Die Autoren und Leser der Ruhrbarone muss man nicht mehr bekehren, die sind schon überzeugte Ruhries. Und die dürfen sich von Werbebotschaften auch gern gestört fühlen.

Entscheidend ist, dass diese in Bayern, Sachsen-Anhalt oder den Niederlanden positiv aufgenommen werden. Möglicherweise fand auch nicht jeder Schwabe den BaWü-Slogan „Wir können alles außer Hochdeutsch“ witzig. Aber für die Außenwerbung ist der Satz mit Geld nicht zu bezahlen.

Jens
15 Jahre zuvor

@Stefan:
Ich gebe Dir ja in manchen Punkten recht, aber soll man jetzt Werbung für das Ruhrgebiet machen, in dem man sagt, dass der ÖPNV sche… optimierungsfähig ist? Das kann es ja auch nicht sein.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
15 Jahre zuvor

?Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Allein an dieser Devise hat sich Öffentlichkeitsarbeit der Metropole Ruhr zu orientieren.?

Sorry, auf diesem Niveau werden keine Stadtimages produziert, denn es geht ? immer und gleichzeitig ? um Selbst- und Fremdbild einer Stadt: Das Image (?der Wurm?, um im Bild zu bleiben) muss ?Angler? UND ?Fisch? ?schmecken?.

Im Städtetourismus gilt ohnehin: Fische sind nicht blöder als Angler. Meist sogar schlauer.

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