Im Ruhrgebiet gibt es bekanntlich zahlreiche lohnende Ausflugsziele, wie wir in unserer losen Reihe der Ruhrbarone-Ausflugstipps ja schon seit ein paar Jahren immer wieder neu unter Beweis zu stellen versuchen.
Häufig sind das bisher überregional bekannte Orte gewesen, die Besucher aus dem gesamten Ruhrgebiet und darüber hinaus anziehen.
Heute will ich an diese Stelle auch einmal ein weniger bekanntes Ziel vorstellen, das mich persönlich schon seit frühester Jugendzeit begleitet, und welches ich bis in die Gegenwart hinein mehrfach im Jahr gerne Besuche: Die ehemalige Zeche in Waltrop.
In meiner Familie arbeiteten früher über die Jahrzehnte hinweg etliche Familienmitglieder auf der ursprünglich im Jahre 1903 eröffneten Anlage, die 1953 rund 2300 Menschen Arbeit bot.
Im Jahre 1957 erreichte die Zeche laut Wikipedia die höchste Anzahl an Mitarbeitern: 2817. Unter anderem zwei meiner Urgroßväter und einer meiner Onkel waren früher ebenfalls dort beschäftigt.
Am 29. Juni 1979 wurde die Zeche Waltrop mit offiziell noch 1294 Beschäftigten stillgelegt. Ein harter Schlag für meinen Wohnort.
Proteste der verbliebenen Bergleute, die sich damals verzweifelt gegen die Zechenschließung wehrten, blieben im Gedächtnis. Geholfen hat ihnen das am Ende nicht, wie wir längst wissen.
Seither unterlag das Areal im Waltroper Osten einem ständigen Wandel. Ich persönlich erinnere mich noch recht gut an diverse ‚Ferienspaß‘-Veranstaltungen, bei denen ich als Kind in den 1980er-Jahren im dortigen Zechenteich angeln und Flösse bauen konnte. Zusammen mit etlichen anderen Kindern konnte ich am heutigen ‚Lehnemannshof‘, der der Zeche einst als Bauhof diente, Holzbuden bauen und etliche weitere Abenteuer erleben. Das war eine tolle Zeit für uns.
Für die Kinder aus meiner Generation war das Zechengelände nach seiner Stilllegung also sehr rasch in erster Linie mit viel Spaß und Abenteuer verbunden. Sicherlich ist auch das einer der Gründe dafür, dass ich dort noch heute gerne vorbeischaue.
Inzwischen wird ein Teil des Geländes längst als Gewerbegebiet genutzt, wurden die historischen Gebäude größtenteils schön renoviert, so dass ein wenig des historischen Wertes noch immer zu erkennen und sogar zu besichtigen ist.
Auf der alten Halde wurde vor Jahren der sogenannte ‚Spurwerkturm‘ errichtet, von dem aus man einen recht schönen Blick auf die benachbarten Kraftwerke in Lünen und Datteln hat, und der längst nicht so schwer zu erklimmen ist, wie die neulich an dieser Stelle vorgestellte ‚Halde Hoheward‘ im benachbarten Recklinghausen. 😉
Wer einen Spaziergang rund um Waltrops Zechenteich, die historischen Zechengebäude und den Spurwerkturm machen möchte, der kann hier nette zwei Stunden verbringen und einmal wieder etwas in die Bergbaugeschichte des Ruhrgebiets eintauchen.
Als Waltroper mache ich das alle paar Wochen gerne einmal wieder, was nicht nur mit der Tatsache zu tun hat, das die alte Zeche in meiner Familiengeschichte eine gewisse Bedeutung hat.
Wer von euch Spaß an Ruhrgebietsgeschichte und/oder Bergbau hat, wer gerne einmal wieder seinen Blick über das östliche Ruhrgebiet zwischen Dortmund, Datteln und Lünen schweifen lassen möchte, der ist hier richtig aufgehoben.
Aus dem Archiv:
Und wenn man nach dem Spaziergang Hunger hat, kann man schön bei Manufactum in der alten Lohnhalle zu recht moderaten Preisen essen.
Schöner Tipp,
bei Manufactum kann nicht nur in der Lohnhalle gut speisen, sondern auch ungeplante Geldabflüsse im benachbarten Warenhaus in seiner Geldbörse feststellen, wenn man sich beim Wandel durch die dortigen Ausstellungsfläche nicht im Griff hat (gelingt meistens nicht).
😉
Der Besuch bei Brot&Butter im selben Gebäude ist auch immer ein lohnendes Ziel. Mit Voranmeldung kann man auch eine Besichtigung beim Fahrradspezialisten Hase Bike machen, lohnt sich auch.
Die Zeche Neumühl, aus der einer meiner Urgroßväter nicht lebend rauskam, mein Großvater ein Auge verlor, und in deren Kokerei mein Vater seine Lunge vergiftet hat, gibt es nicht mehr. Vielleicht sollte ich mal nach Waltrop, um mir zumindest oberflächig solche Arbeitsplätze anzusehen.
@Helmut:
Ein Bruder meiner Oma ist auch 'unter Tage' umgekommen. Das war aber weit vor meiner Zeit.
@Robert Müser
Klar, da muss man sich schon ein bisschen im Griff haben, aber so alles in allem sind die weniger dekadent wie oft kolportiert, und wenn man durch den Hauptausgang rausgeht und sich schräg links wendet kommt man in die Halle mit den Sonderangeboten, da kriegt man dann Waren aus auslaufenden Serien oder mit leichten Beschädigungen für kleineres Geld, was den Geldabfluss im Portemonnaie etwas minimiert… da habe ich schon des Öfteren mal einen guten Fitsch gemacht.
Und der Tip mit dem Restaurant war absolut ernst gemeint, der Umfang der Speisekarte ist eher übersichtlich, aber die Produkte und die Zubereitung sind wirklich sehr gut.
Man kann ja beides verbinden: Einen Spaziergang und eine kleine Shopping-tour.
Robin hat vollkommen recht: Die schön restaurierten Gebäude und die Gegend drumherum sind tatsächlich sehenswert (wie übrigens viele alte Zechengebäude, man denke nur and die wunderschöne Zeche Zollern in Dortmund – kaum zu glauben, dass ernsthaft geplant war, die abzureißen).
@Helmut Junge #3
Ich kann die klebrige Sentimentalität, mit der oftmals auf die Vergangenheit des Ruhrgebiets geschaut wird, auch nur schwer nachvollziehen. Und wenn ich besonders fruchtig drauf bin, versaue ich schonmal small-talkendeb Sektschlürfern, denen die Klänge von "Glückauf der Steiger kommt" die Tränen in die Augen treiben, ein bisschen die Laune mit Fragen wie: "Sagen sie mal, haben Sie schonmal gehört, was für Geräusche Leute mit Staublunge beim Atmen machen?" oder "Sie wären auch eine gute Bergmannsfrau geworden, das schwarze Kleid steht ihnen so gut!"
(Kommt nicht gut an, sollte man nur machen, wenn man gerade im fortgeschrittenen "LmA-Modus" befindet)
Aber ich bin doch der Meinung, dass die Gebäude erhalten und neu genutzt werden sollten. Und das ist m. E. in Waltrop gut gelungen.
@Susanne: "denen die Klänge von "Glückauf der Steiger kommt" die Tränen in die Augen treiben"
Das ist ein gutes Stichwort. Viele in meiner Verwandtschaft mochten das Lied damals gar nicht, da der 'Steiger' für sie als 'einfacher Bergmann' gar kein so positiv besetzter Begriff war. Vor diesem Hintergrund wundert die Verklärung des Liedes in jüngster Zeit schon. Aber jetzt schweife ich ab. 😉
@Robin, ich habe über meinen Urgroßvater, der 1916 unten geblieben ist, auch nicht nie nachgedacht, weil ich den nicht kannte. Aber meinen Opa hatte ich gern mit seinem einen Auge, und meinen Vater habe ich leiden sehen. Das ist dann nicht so abstrakt. Ich selber sollte und wollte nicht im Pütt arbeiten, und darüber bin ich froh. Zugegebenermaß war ich bisher nie so drauf, wie @Susanne, aber sie verklärt sich nicht den Blick auf die damalige Realität. @Susanne hat als Künstlerin auch einen sensibleren Blick als andere Menschen. Ihre Abneigung gegen das Steigerlied teile ich. Ich glaube nicht, daß es ehrlich die Situation der damaligen Bergleute widerspiegelt. Aber es ist halt lange her. Die Bergleute meiner Kindheitsjahre haben in meinen Erinnerungen hauptsächlich von der späteren Rente gesprochen. Nichts vom Steiger, der kommt. Mein Schwiegervter war Steiger. Auch der hat nur von der Rente gesprochen. Nichts vom Licht in seiner Hand. Niemals, Robin. Das war ein harter Knochenjob.
@Helmut #8
Zwei meiner Onkel haben in den 50er Jahren unter Tage gearbeitet – und zugesehen, dass sie da schnellstmöglich wieder weg kommen. Bei den Nachbarn lebte der Großvater mit im Haus, der sein Leben lang den Job gemacht hat, der hatte Silikose.
Was mich immer so anekelt sind Leute, die vermutlich nie auch nur in der Nähe einer Zeche gewohnt haben, nie jemanden gekannt haben, der dort gearbeitet hat, keine Ahnung haben, wovon sie sprechen und dann sentimental werden und von der "guten alten Zeit" anfangen, die es übrigens nicht nur im Bergbau nie gegeben hat (ich kenne mich ganz gut aus in Geschichte…).
Viele meiner Jugendbekanntschaften haben eine Ausbildung als Schlosser oder Elektriker im Bergbau gemacht, diese Ausbildungsplätze waren sehr begeht, weil man anschließend einen guten Job bekam – und zwar woanders!
Mag sein, dass ich als Künstlerin besonders sensibel bin ? , aber vor allem habe ich ein gutes Gedächtnis.
Das schöne Mittelalter. In einem Museum im Altmühltal waren Skelette ausgestellt, von jungen Menschen, die an Skorbut gestorben waren. Mehrere. Nicht auf hoher See, sondern an Land. Die Unterschicht durfte nicht ans Obst. Die lebten vom 7. bis9. Jahrhundert.
"Die Maloche Untertage"…..
Susanne Scheidle,
ja, nur jemandem, der nicht die geringste Ahnung davon hat, was das Malochen unter Tage z. B. für einen sog. Lehrhauer bedeutete
-mein Vater war jahrzehntelang ein solcher auf der von Robin erwähnten Zeche Waltrop (nebst Silikose-Erkrankung-)
kann auf die Idee kommen, diese Maloche und den Ort, an dem sie zu erbringen war, irgendwie zu verherrlichen oder ihr irgendwie "positives Denkmal" zu setzen.
Mein Vater jedenfalls hat nie das Steigerlied (mit-) gesungen und auf eine solche Singerei stets zynisch/sarkastisch reagiert.
Ich mußte mir u.a. Entsprechende anhören, nachdem "wir Sozis" uns seinerzeit auch hier in Waltrop darüber Gedanken gemacht hatten, z.B. ausgemusterte Kohlewagen von Untertage und die riesigen Seilscheiben aus den Fördertürmen, auf städt. Grünflächen auszustellen.
In einem Gespräch meines Vaters mit einem kath. Geistlichen, das ich als "Jüngling" zufällig mtbekam, und in dem der Geistliche meinem Vater etwas "Theologisches" von der Hölle zu erzählen versuchte, hat mein Vater -wörtlich- erwidert: "Sie müssen mir nichts von der Hölle erzählen. Die habe ich als Hauer Untertage jeden Tag erlebt".
Soweit zur Nostalgie um die Bergmanns-Maloche Untertage hier im Ruhrgebiet.
Im übrigen:
Ich habe als Kommunalpolitiker/als Kommunalbeamter sehr engagiert daran mitarbeiten können, möglichst viel historische Bausubstanz des sog. Übertagebetrieb zu erhalten -Zeche Waltrop , Zeche Ewald in Herten – mit Erfolg, . Zeche Erin in Castrop-Rauxel mit ehe bescheidenem Erfolg- als Monumente der Industriegeschichte, z.T. , wie ich meine, architektonisch "besonders gut gelungene Zeugen ihrer Zeit.
Das gilt u.a. für die Gebäude der ehemaligen Zeche Waltrop, in der jetzt . Manufaktum zu Hause ist, aber auch Biker- Hase.
Ich finde zudem daß , die mittlerweile dazu in der unmittelbaren Nachbarschaft entstandenen Neubauten -Biker Hase, Lebenshilfe e. V. – sehr gut ins historische Bild der "Altanlagen" passen.
PS
1.
Ein Onkel von mir war als "Kassenleiter" seinerzeit verantwortlich für die (Bar-) Lohnzahlungen an die Kumpel in der sog. Lohnhalle, in der sich jetzt das Manufaktum-Restaurant befindet.
2.
Was ich vermisse -in Waltrop und an anderen ehemaligen Zechen- Standorten- ist ein Denkmal, ist zumindest ist eine Schrifttafel zur Erinnerung an die oftmals menschenunwürdigen Ausbeutung der Bergleute, oftmals einhergehend mit Geringschätzung, ja mit Verachtung ihnen und ihren Familien gegenüber durch das sog. alteingessene Bürgertum -auch in Waltrop!
3.
Wenn meine Frau und ich regelmäßig unseren Spaziergang im ehemaligen Zechengelände in Waltrop machen, dann ist das für mich -sh.meine Anmerkung- mehr als nur das Genießen einer schönen Landschaft, mehr als nur Bewunderung für die historischen Gebäude, mehr als nur lobende Anerkennung für die gelungene Integration neuer Gebäudlichkeiten in das historische Ensemble, sondern eben auch stete Erinnerung an all die "Malocher", die den Lebensunterhalt unter menschenunwürdigen Bedingungen Untertage zu erarbeiten hatten, die dabei durchweg an Silikose erkrankten -anerkannte (!) Berufskrankheit- und Erinnerung an diejenigen, die dabei ums Leben kamen.
4-.
Vergessen will ich in diesem Zusammenhang nicht, an Prof. Dr.Karl Ganser zu erinnern -lebt in Bayern- -ua "Chef" de IBA Emscher-Emscher-Park-, ohne dessen Engagement die historischen Gebäude auf der Zeche Waltrop -und anderswo -sh. bes. Zollverein in Essen -seinerzeit allesamt abgerissen worden wären.
Robin,
"schön und lobenswert, daß Du 'mal wieder auf eine Besonderes hier in Waltrop hingewiesen hast, möglicherweise damit Besucher "anlocken kannst" und mich veranlaßt hast, 'mal wieder an die Maloche des des Bergmanns Untertage hier im Ruhrgebiet zu erinnern und an meinen Vater zu denken.
Robin,
da Du ja zudem regelmäßig hier bei den Ruhrbaronen auch über "die Hebewerke in Waltrop" berichtest, dazu eine Anmerkung:
Ich habe vor einigen Jahren 'mal den Versuch gestartet, Politik, Verwaltung, Restaurantbetreiber, den innerstädiischen Handel hier in Waltrop nachdenklich zu stimmen über das Ob/das Wie der Möglichkeit – eine Chance für Waltrop?- die Besucher des Hebewerkes und die Besucher des ehemaligen Zechengeländes, speziell die Kunden von Manufaktum- zu animieren, Beides miteinander zu verbinden und dabei zugleich "die Waltroper – Innenstadt zu besuchen -Besichtigung z.B. von St.Peter, Einkaufen bei…?. Restaurantbesuche…z:B. Stromberg!!
Das war allerdings vergebliche "Liebesmüh" eines Bürgers, der sich seiner Heimatstadt verbunden fühlt -nebst ehemaliger Zeche, nebst Hebewerke, nebst…..-
[…] Die Zeche in Waltrop […]
[…] Waltrop, wie viele Städte in dieser Region schon seit Jahren völlig pleite ist (Stärkungspakt), besteht […]