Am 17. Dezember 1989 strahlte der Sender Fox die erste Folge der „Simpsons“ aus. Die Serie, die noch immer in jedem Jahr mit einer neuen Staffel fortgesetzt wird, wird heute somit 30 Jahre alt. Die gelbe Familie hat auch das Leben vieler unserer Autoren geprägt. Wir waren heute in der Redaktion einmal kurz auf Stimmenfang:
Mario Thurnes: Die Simpsons liefen im deutschen Fernsehen zuerst auf Premiere: Verschlüsseltes Bild, aber sauber übertragener Ton. Damit waren sie immer noch besser als alles, was der deutsche Unterhaltungssektor zu bieten hatte. Der bestand aus Biederem wie den Wiecherts – „Du, Schnuppe…“ Oder gewollt intellektuellem Kabarett, in dem subventionierte Komiker „Helmut Kohl…“ in den Saal raunten und sich darauf verlassen konnten, dass das Publikum selbstgefällig genug war, schon darüber zu lachen.
Wortwitz auf höchstem Niveau hingegen boten die Simpsons. Schon in der ersten Folge, die auf Premiere lief: „Marges Liebhaber“. Lisa erklärt, sie sei auf Stufe drei, Panik und Bart noch auf Stufe eins, Leugnen. Als Bart später nervös wird ob der Ehekrise seiner Eltern, antwortet Lisa lakonisch: „Willkommen in Stufe drei.“
Die Simpsons griffen Sujets auf, an die sich in Deutschland nur Autorenfilmer getraut hätten: der albanische Spion im Schüleraustauschprogramm, der unfähige Mitarbeiter, der zum Sicherheitsinspektor des Atomkraftwerks befördert wird oder die Freimaurer-Loge, in der die heimliche Macht organisiert wird.
In der Blütezeit – zwischen der vierten und elften Staffel – schuf die Serie Klassiker, die in ihrer Komplexität und ihrer trotzdem rasanten Erzählweise unübertroffen sind: „Die Reise nach Knoxville“, „Die Geschichte des Zitronenbaums“ oder die Akte-X-Parodie. Die Parodien waren besser als das Original: etwa „Wer erschoss Mr. Burns?“. Im Übrigen. Es macht voll Sinn, dass Maggie abgedrückt hat.
In Sachen Wortwitz haben die Simpsons Marksteine gesetzt. Etwa Monty Burns, der meint: „Oskar Schindler und ich waren zwei Erbsen in der gleichen Schote. Beide Geschäftsleute, wir haben beide Geschäfte mit den Nazis gemacht – nur dass meine Granaten funktioniert haben.“ Oder auch Burns: „Die Natur hat uns den Krieg erklärt. Und jetzt da sie verliert, zieht sie sich zurück.“ Schön auch Abe Simpson: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein deutsches Flugzeug abschießen würde. Vor zwei Wochen habe ich mir das Gegenteil bewiesen.“
Apropos. Als ich die Simpsons zum ersten Mal gesehen – beziehungsweise gehört – habe, war ich 16 Jahre alt. Ich habe mich anfangs mit Bart identifiziert, später mit Homer. Und ich fürchte den Tag, an dem ich mich zum ersten Mal in Abe wiedererkenne.
Aber die Wiedererkennung war immer ein wichtiges Merkmal der Simpsons. Sie haben in ihrer goldenen Zeit gesellschaftliche Codes geschaffen, denen man im Alltag immer wieder begegnet ist. Ich kann heute noch keinen Kunstfilm sehen, ohne an Barneys Alkoholiker in Schwarzweiß denken zu müssen. Eine Schande, dass sie zu der Sketchshow verkommen sind, die sie heute darstellen.
Robert Herr: Die Simpsons sind so alt wie ich und haben mich dementsprechend mein gesamtes Leben begleitet. Nach der Schule waren die Simpsons am frühen Abend Pflichtprogramm. Immer wieder haben die Simpsons in ihrer Gesellschaftsbetrachtung mit ätzendem Spott den Finger in die Wunde gelegt oder haben erstaunlich hellsichtige Prognosen getroffen, die als Parodie gedacht waren und später Wirklichkeit wurden. Auch wenn die Serie mittlerweile seit ewigen Zeiten totgesagt wird, ist sie noch immer da – und hoffentlich wird das auch noch eine ganze Weile so bleiben.
John Smith: Ich bin so ziemlich genau so alt wie die Simpsons und dementsprechend auch von der Serie geprägt. Während meiner Jugend habe ich so ziemlich jede Folge gesehen und die schrullige gelbe Familie als bissige und oft treffende Satire geliebt. In meinen Augen hat die Serie viel von ihrer Schlagfertigkeit verloren und ist zu einer weiteren Sitcom geworden.
Der endgültige Niedergang war für mich die Crossover Folge mit Family Guy, die eine wirklich gute Family Guy, aber eine schlechte Simpsons Folge war. Die Simpsons mussten sich dabei an eine Serie anbiedern, die jahrelang als Abklatsch und Kopie galt. Dies markierte für mich den Punkt in dem Family Guy und South Park in meinen Augen die besseren Serien geworden sind.
Die Folgen die ich seitdem gesehen habe, fand ich irgendwie uninspiriert und auch relativ witzlos. Natürlich ist es schwer ein so hohes Niveau, wie es die Simpsons erstaunlich lange halten konnten über drei Jahrzehnte aufrecht zu erhalten. Aber wie bei so vielen Lieben, bleibt einem manchmal nichts Anderes übrig, als wehmütig einzusehen, dass man sich wohl auseinandergelebt hat.
Robin Patzwaldt: Auch für mich (Jahrgang 1971) gehören die Simpsons zu den herausragenden TV-Serien meines bisherigen Lebens. Als die ersten Folgen hierzulande liefen, war ich gerade mit der Schule fertig. Das war eine prägende Zeit. In den Handlungen der ersten Folgen konnte ich vieles wiedererkennen, das ich direkt in mein Leben und meine Familie übertragen konnte. Das ging anderen in meinem Freundeskreis auch so. Kein Wunder also, dass die Serie so schnell zum Kult wurde. In den vergangenen Jahren habe ich den Draht zur Serie etwas verloren. Viele aktuelle Folgen habe ich gar nicht mehr gesehen, während die ersten Staffeln bei mir früher in Dauerrotation auf dem DVD-Player liefen. Wenn die ganz große Zeit der Simpsons auch vorbei scheint, möchte ich den Machern dennoch herzlich zum 30. Geburtstag ihrer Schöpfung gratulieren und mich für die vielen schönen Stunden vor dem Bildschirm bedanken!