Ruhrbarone-Autoren zur Ankündigung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer

CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: CDU / Laurence Chaperon)

Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (kurz ‚AKK‘) verzichtet auf eine Kandidatur als Kanzlerkandidatin und will auch den Parteivorsitz bald abgeben. Entsprechende Meldungen und Berichte vom Morgen sorgten im weiteren Tagesverlauf für die alles bestimmenden politischen Schlagzeilen am heutigen Montag. 

Logisch, dass auch innerhalb der Ruhrbarone-Redaktion darüber gesprochen und diskutiert wurde. Hier sind einige Reaktionen unserer Autoren auf die jüngsten Entwicklungen:

Peter Hesse: Die Taschenspielertricks der FDP in Thüringen bringen eine ganze Republik ins Wanken – so erscheint der Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer wie ein weiterer umkippender Stein einer Kette, deren Schutt und Asche-Ausmaß noch kein Ende gefunden hat.

Was ist nur los in Deutschland? Den Parteien der politischen Mitte ist die Fantasie abhanden gekommen. Ihr Handeln erschöpft sich im Zuteilen von Ressourcen und einer eher bemühten Reformrhetorik. Dabei bräuchte unser Land dringend verheißungsvolle Ideen, damit der Laden läuft.

Alles funktioniert bei uns wie die ewige Baustelle vom BER Flughafen: die inneren Grabenkämpfe sind meist wichtiger als das, was am Ende rauskommt – so zieht sich alles wie in Superzeitlupe in die Länge. Dabei sind mutige und progressive Ideen gerade in turbulenten Zeiten nötiger, als das Verharren in der täglichen bürokratischen Sisyphos-Arbeit.

Es scheint zurzeit so, als bekäme die bleierne Zeit der späten 1970er Jahre ein unerfreuliches Comeback – nur mit anderen Mitteln. Globalisierung und Digitalisierung drücken überall auf der Welt mit einem unglaublichen Tempo auf das Gaspedal. Nur in Deutschland verwaltet man vergreist im ZDF-Style ››Das Erbe der Guldenburgs‹‹. Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Technisierung werden zahlreiche Berufsfelder und zig klassische Industriejobs von Thyssen bis Mercedes komplett verschwinden – und Menschen damit ihre Arbeit verlieren. Auch hierauf muss die CDU als Regierungspartei stabile Antworten finden, sich mit den Schrägfürsten und Platzhirschen aus China, Russland und der USA arrangieren, sowie an der Seite von Frankreich eine Europäische Gemeinschaft vorwärts treiben, die von allen Seiten die Brocken vor die Füße geworfen bekommt.

Und eine klare Position gegen die AfD muss die Partei von Armin Laschet und Ruprecht Polenz auch noch finden. Das sind viele, schwere Aufgaben – die CDU ist nicht zu beneiden.

Sebastian Bartoschek: Annegret Kramp-Karrenbauer geht also. Eigentlich wäre mir das egal. Aber im Moment ist es das nicht. Es sind derzeit stürmische Zeiten. Und das Gefühl, dass in Thüringen etwas passiert ist, das die bundesrepublikanischen Gepflogenheiten umwälzt, sitzt bei mir immer tiefer.

Ich kann nicht anders, als AKKs Rückzug vor diesem Hintergrund zu deuten. Ich bin kein Freund der CDU, und auch keiner des Systems Merkel. Aber ich beginne mich zu fragen, wie stabil das alles hier ist, wenn derzeit so viel inas Wanken gerät.

Impulse hat AKK keine gesetzt, zumindest nicht in meiner Wirklichkeit. Sie war in meiner Wahrnehmung ein von Angela Merkel gut positionierter Spielstein, und fällt jetzt als Dominostein. Ich habe Sorge, was in der Folge noch fällt, und hoffe, dass ich einfach zu schwarz, zu hysterisch, zu emotionalisiert sehe, und in zwei Wochen niemand mehr darüber spricht – so wie über den Sturm Sabine.

Roland W. Waniek: Annegret Kramp-Karrenbauer war die falsche Person auf dem falschen Posten. Sie ist nicht Apriori eine schlechte Politikerin. Als saarländische Ministerpräsidentin hat sie eine ordentliche Leistung abgegeben. Nur ihr Aufstieg von der Landesliga an die Spitze der Bundesliga war ein Fehler. Sie wurde in eine Sphäre hochkatapultiert, in die sie schlicht nicht hineingehört.

Thüringen ist nur der Auslöser ihres Rückzugs, nicht der eigentliche Grund. AKK wäre auch ohne Kemmerich & Co. gescheitert. Der Zeitpunkt überrascht eher als die Tatsache an sich. Der CDU-Bundesvorsitz mit dem Ausblick auf die Kanzlerschaft erfordert persönliche und politische Eigenschaften, über die AKK einfach nicht verfügt.

Wahrscheinlich fehlen ihr am meisten das Gefühl für die „Physik der Macht“. Und ebenso auch ein „Draht“, ein unsichtbarer Link zum Wählervolk und zur Medienöffentlichkeit, wie Adenauer, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder und Merkel ihn hatten. Heutzutage ist dieser Link im Zeichen der Sozialen Medien noch viel schwieriger aufzubauen und zu erhalten.

Die Liste der gescheiterten Aspiranten auf das höchste politische Amt ist lang. Bislang hat sich eher die SPD damit hervorgetan, Kandidaten ins Rennen zu schicken, bei denen es von Anfang an allen klar war – außer den Kandidaten selbst –, dass sie es nicht wirklich können. Nun war mal die CDU dran, das aber mit Ansage. Daher war AKKs Aufstieg mehr als ein Fehler, er war eine politische Dummheit, die der CDU schadet.

Wer immer auch nun AKK nachfolgt, wird darauf bestehen müssen, dass CDU-Bundesvorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören. Er wird sich nicht auf den turnusmäßigen Bundestagswahltermin im Herbst 2021 einlassen können. Das Risiko, bis dahin von eigenen Partei-„Freunden“ und in den Medien aufgerieben zu werden, ist zu groß – auch das hat AKKs Arrangement mit Merkel deutlich gezeigt. Neuwahlen noch in diesem Jahr hängen in der Luft. Das kleine Thüringen wird damit große Geschichte geschrieben haben.

Robert Friedrich von Cube: Frau AKK war sicherlich von Anfang an eine Fehlbesetzung. Aber dass sie gerade jetzt geht, ist erschreckend. Vor allem, wenn man die Begründung liest, die da lautet, es gebe „ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken“. Wie bitte? Was ist daran ungeklärt? Ich dachte, die CDU arbeitet keinesfalls und niemals-nicht mit der AfD zusammen? Ich dachte, was in Thüringen passiert ist, war ein Versehen, weil man doch von der AfD überlistet wurde. Ich dachte, Frau Kramp-Karrenbauer hat hier ausnahmsweise mal Initiative und Rückgrat gezeigt, weil sie so konsequent und rasch Stellung bezogen hat, gegen den Tabu-Bruch in Thüringen.

Ich wollte eigentlich gerade einen Text schreiben, in dem ich beruhigt erklären wollte, wieso diese Ministerpräsidenten-Wahl kein „Dammbruch“ war. Wo ich schildern wollte, dass doch offensichtlich die breite Mehrheit aller Führungspersonen dieses Ereignis alles andere als „normal“ findet und dass diese starke Reaktion dafür spricht, dass da kein Damm gebrochen ist, sondern bloß Wartungsarbeiten vorgenommen worden. Ich wollte schreiben, dass die AfD mit ihrem offensichtlichen Täuschungsmaneuver bewiesen hat, dass es sich um keine Zusammenarbeit handelt, sondern lediglich um ein Foul. Das alles wollte ich schreiben und hoffen, weil doch sogar die schwache Frau K.-K. in der Lage schien, diesem Treiben Einhalt zu gebieten und es gesellschaftlicher Konsens zu sein schien, DASS DAS VERHÄLTNIS ZUR AFD GEKLÄRT IST!

Wenn man in der CDU nun genau darüber zu Fall gebracht wird, dann bröckelt der Damm ganz offensichtlich stärker als gedacht. Mir ist egal, wer die CDU führt, ich wähle die sowieso nicht. Aber mit ist nicht egal, ob die CDU ihren rechten Rand dicht hält.

Robin Patzwaldt: Mich haben die heutigen Ankündigungen nicht überrascht. Ganz im Gegenteil! AKK war von Anfang an ungeeignet für diese Ambitionen. Zu blass, zu bieder, zu führungsschwach.

Ich habe hier im Blog schon vor Monaten geschrieben, dass ich Merz für die bessere Wahl im Sinne der der Union halte. Daran hat sich nichts geändert. Die Entwicklungen der vergangenen Monate haben mich darin nur bestärkt.

Der nächste Kanzler dieses Landes wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Merz heißen. Und das nicht etwa, weil er so unglaublich toll und sympathisch ist, sondern schlicht, weil er inzwischen als einzig denkbarer Kandidat überhaupt noch das Format besitzt und auch die notwendige Parteigröße zur Verfügung hat um eine zukünftige Koalition anzuführen.

Ohne Zweifel ein Armutszeugnis für diese Republik, aber für mich auch kein Grund mir jetzt dramatisch mehr Sorgen um dieses Land zu machen als noch vor ein paar Monaten. Es läuft schon seit einger Zeit viel zu viel schief in unserer Gesellschaft. Und die Entwicklung der politischen Führung bildet da eben auch keine Ausnahme, wie die vergangenen Tage gezeigt haben.

Stefan Laurin: Der Rücktritt von Annegret Kamp-Karrenbauer ist ein weiterer Beleg für die Erosion des traditionellen Parteiengefüges. CDU, SPD und FDP, die Parteien, welche die alte Bundesrepublik prägten, befinden sich im freien Fall.

AfD und Grüne sind die Profiteure dieser Entwicklung, die zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft führen wird. Höckes destruktive Politik in Thüringen entfaltet ihre volle Wirkung.

 

 

 

 

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Arnold Voss
Arnold Voss
4 Jahre zuvor

Es gibt in diesem Land einen gewaltigen Erneuerungsstau auf fast allen Gebieten. Er ist das Vermächtnis einer Kanzlerin, die Stabilität mit Aussitzen und strategielose Kurswechsel mit Innovationen verwechselt hat. Deren Fans immer noch nicht begreifen wollen, dass die Erosion des traditionellen Parteiengfüges ein Folge dieser ihrer Politik ist. Eine Politik in die sich auch die SPD hat systematisch von ihr einbinden lassen. Eine Politik die vom Wähler jetzt abgestraft wird, weil sich die dahinter stehende sogenannten politische Mitte als hohle Nuss herausgestellt hat.

AKK hat einfach nur gemerkt, dass sie das, was jetzt kommt, nicht mehr Aufhalten kann, weil die Machtwörter ihrer Ziehmutter in ihrer Partei nichts mehr gelten. Weil deren Ära zu ende geht, und das mit Ach und Krach. Selbst der führungsstärker Friedrich Merz wird sich daran demnächst die Zähne ausbeißen. Ja selbst die immer noch ungebrochenen Merkel Schönschreiber und "Ruhige Hand" Propheten werden sehr bald merken, dass ihre viel gelobte Unaufgeregtheit nichts anderes war, als die Feigheit vor und die Unfähigkeite zu grundlegend durchdachten Reformen. Sprich nichts anderes als die selbst gewählt faule Ruhe vor einem vermeidbaren Sturm.

Helmut Junge
Helmut Junge
4 Jahre zuvor

Ja Arnold, das Land steckt in "einem gewaltigen Erneuerungsstau auf fast allen Gebieten", fast wie in Hypnose.
Merkel kann sich nicht lösen von der Macht und will vielleicht weitermachen und hat die AKK ausgebotet. Öfter schon, aber diesmal offensichtlich. Die AKK saß zwischen zwei Stühlen. Merkel UND deren Gegnern. Was kann sie da schon richtig machen?

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

AKK hat offensichtlich erst jetzt auf die harte Schiene gemerkt, dass sie in Berlin und aus Berlin heraus nix, garnix, nada innerhalb der CDU zu melden hat, wenn Merkelkaiserin selbst auf einer weit-weg-innenpolitik-eigentlich-tabu-Auslandsreise nur kurz das Sprachwerkzeug aktiviert und damit die Machtwörter über den Draht und die "Nur noch inner Mitte"-Vollhonks in ihrer Partei durcheinander purzeln lässt. Da kann Vorsitzende/r sein, wer will, der Job ist für andere völlig sinnlos, solange Merkel politisch existiert. Ergo ist der Rückzug nur logisch und konsequent, aber AKK hat viel zu lange damit gewartet.

PS, Robin: Ein F. Merz wird genau das gleiche Schicksal unter Merkel erleiden, sollte er jetzt Vorsitzender werden. Ich halte ihn (bislang) nicht für so dumm, diesen Fehler zu begehen.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
4 Jahre zuvor

Ich bezweifle das die CDU sich noch mal erholen wird, dafür dauert die Hängepartie schon viel zu lang. die fehlenden Reformen allerdings sind nicht allen Merkles Versäumnis, da hat Gerhard Schröder schon auf das falsche Pferd gesetzt. praktisch sämtliche Baustellender Republik betreffen die Bereiche, die Schröder damals grundlegend verändert hat, mit dem Erfolg, das sie heute noch maroder sind als zu seiner Zeit.
So langsam schlägt der kumulierte massive Schaden seit der Blockadepolitik gegen Helmut Kohl, die schon damals im Kern nur eine erfolgreiche Reformverweigerung war voll durch.
Seitdem ist die deutsche Politik auf einem Feld nach dem Anderen is die Drittklassigkeit abgerutscht.
Das sit nicht allein ein Phänomen der Bundespolitik, jeder der sein Umfeld betrachtet und älter als 50 ist merkt doch deutlich in wie vielen Bereichen heute Fehl- oder Minderleistungen die in den 70zigern noch unvorstellbar waren zum Normalfall geworden sind.

Ruhr Reisen
Ruhr Reisen
4 Jahre zuvor

Politiker/innen, die wie Dominosteine fallen…es bleibt spannend, wer als Nächstes kippt. Bundespolitisch halte ich das u.a. für eine Geschlechterfrage, in der die Abgehängten von Merkel triumphierend ihre Chance mit Schadenfreude wittern. Ein schmutziges Spiel der gekränkten, männlichen Eitelkeiten, in dem die Stunde der Machtübernahme günstig ist.
Das ist bedauerlich – hier müssen Frauen offensichtlich noch viel (von ihnen?) lernen. Vor Allem, braucht es mehr von ihnen in diesen Ämtern. Aber wer will das schon, in Zeiten wie diesen?
Um Inhalte geht es ja längst nicht mehr. Insofern macht es gerade Angst, was da passiert. Egal wer da folgt: Politiker wie Merz oder Spahn nehmen sich selbst zu wichtig, als dass sie fähig wären, sich um ein ganzes Volk zu kümmern, außer um ihre Wasserträger.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

Nach ihrem deutlichen Einsatz für die Linkspartei befürchte ich eine Fortsetzung von Merkel an der Spitze einer dunkelrot-grünen Koalition.

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