Ruhrbarone zum angekündigten Ende des Musiksenders ‚Viva‘


Es war am gestrigen Dienstag durchgesickert: 25 Jahre nach seiner Gründung wird der Musiksender ‚Viva‘ zum Jahresende 2018 endgültig eingestellt. Das teilte der Träger, das Medienunternehmen Viacom offiziell mit.

Viva war am 1. Dezember 1993 als deutscher Gegenentwurf zum damals überaus erfolgreichen ‚MTV‘ auf Sendung gegangen, erreichte hierzulande rasch bemerkenswerte Beachtung. Zu den jungen und vielfach durch ihre freche Art erfolgreichen Moderatoren gehörten u.a. Heike Makatsch, Stefan Raab, Sarah Kuttner, Oliver Pocher, Charlotte Roche, Matthias Opdenhövel, Janin Reinhardt, Aleksandra Bechtel und Nilz Bokelberg. Viele davon sind auch heute noch in der Branche aktiv, teilweise auch recht erfolgreich.

Auch für uns Autoren der Ruhrbarone geht mit dem Ende von Viva vielfach ein Stück persönliche Jugenderinnerung dahin. Einige von uns haben daher hier und heute einmal kurz notiert, was sie mit dem sterbenden ehemaligen Kult-Sender verbinden:

Michael Kolb: Die Nachricht, dass bei VIVA nun der Letzte das Licht ausmacht, hat bei mir eine Art von Jopi Heesters Effekt ausgelöst… Jahrelang dachte man, der sei schon tot, aber dann lebte der immer noch. Was soll man auch sonst noch über einen Sender sagen, den man seit… seit… na ja, eben seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat? Youtube killed the Video Star? Vielleicht. However, VIVA war ein Medium, das hemmungslos abgekupfert und dabei jungen Talenten die Möglichkeit gegeben hat, sich auszuprobieren, etwas was heute lauter, bunter, intelligenter und kreativer bei Youtube geschieht. VIVA war nett… und ja, nett ist die kleine Schwester von scheiße…

Thorsten Stumm: Als ich gestern meinem 16-jährigen Sohn erzählte VIVA werde eingestellt, schaute ich in ein fragendes Gesicht. „Aha“ war seine Antwort.
Als VIVA auf Sendung ging waren meine Freunde und ich absolut elektrisiert. Klar, wir hatten auch MTV geguckt und uns dank unserer englisch Kenntnisse immer wie eine Art Avantgarde gefühlt, aber VIVA war einfach endlich ein Sender für unser Lebensgefühl. Auch wenn wir die Musikauswahl nicht immer toll fanden.
Wie erklärt man das heute einem Jugendlichen, der Fernsehen nicht mehr schaut, nur Netflix oder Youtube, dass man damals ohne Kabelanschluss praktisch aufgeschmissen war. Wer den nicht hatte für den war Formel Eins die einzige Gelegenheit mal ein Musikvideo zusehen. Einen Kabelanschluss den hatte damals nun wirklich noch nicht jeder. Oder dass es damals keine MP3 Player gab. Keine Smartphones die Tonnen von Musik speichern. Nix, nur VIVA.
Und es lief immer. Bei meinen Freunden lief praktisch auf dem Fernseher nur VIVA. Ob mit oder ohne Ton. Wenn ich morgens vor der Uni noch Zeit hatte, Fernseher an VIVA, nachts aus dem Planet noch nicht müde, VIVA.
Wir Männer waren praktisch alle mehr oder weniger in Heike Makatsch verliebt und fanden Nils Bockelberg eher so naja. Was mir einen schelmischen Moment der Freude bescherte als Bockelberg mit seiner Band bei Bochum Total mit Döner beworfen wurde und von er der Bühne stürmte um sich mit den Zuschauern zu prügeln.
Stefan Raab deutete schon damals an zu welchen Fernsehtitan er sich entwickeln würde und noch heute muss ich im Kopf, wenn ich Franziska van Almsick irgendwo sehe an seine Eingangsfrage bei Vivavision denken:“ Na Franzi, heute schon ins Becken gepinkelt?“
Ohne VIVA und Stefan Raab hätte es einen Gildo Horn beim Grand Prix nie gegeben oder den Song „Berti Vogts“ den er ausgerechnet bei Dieter Thomas Heck einfach nicht zum Playback mitsang.
Jeder der ersten Generation von „Irgendwas mit Medien“ wollte da arbeiten. Hat bei mir nicht geklappt und bei all meinen heutigen Medienfreunden aus Köln auch nicht.
Allerdings macht ich dann meine ersten Schritte doch beim Musikfersehen. Allerdings bei Onxy TV wo wir VIVA für Schlager, Country und Jazzmusik sein wollten. Als Onyx TY dann von VIVA gekauft wurde, war ich doch noch kurze Zeit ein Teil von VIVA. Allerdings ohne meine Helden jemals zu Gesicht zu bekommen.
Mein Sohn findet das heute echt uncool. Ungefähr so wie ich meinen Vater, wenn er seine Elvis-Scheiben auflegte.

Robin Patzwaldt: Ich war nie ein großer Fan von Viva. Ich blieb auch nach dessen Start im Jahre 1993 immer dem Konkurrenzsender MTV treu. Das war wohl schlicht eine Gewohnheitssache, schätze ich. Moderatoren-Legende Ray Cokes und die aus heutiger Sicht ziemlich dümmliche Zeichentrickserie ‚Beavis and Butt-Head‘ waren mir seinerzeit dort ans Herz gewachsen. Hatte ich abends einmal nichts weiter zu tun, konnte man sich einfach bei MTV einschalten und wurde zeitgemäß unterhalten. Später verfolgte ich dann einige Zeit VH-1, die ‚alte Leute‘-Variante eines Musiksenders sozusagen. Viva hingegen ist an mir über all die Jahre weitestgehend vorbeigelaufen. Erst recht in den vergangenen Jahren, wo Musiksender dermaßen antiquiert wirken, jedes Kind bzw. alle Jugendlichen längst ihr eigener Videojockey sind, dank des Internets und seiner unzähligen Möglichkeiten. Wer will sich da noch das Programm vorschreiben lassen? Fast niemand. Erst recht nicht in Sachen Musik. Alles hat eben seine Zeit. Die von Viva ist offenkundig Ende 2018 endgültig offiziell abgelaufen. Selbst wenn ich den Sender nicht vermissen werde, aktuell nicht einmal mehr weiß auf welchem Programmspeicherplatz er bei mir eigentlich liegt, schon ein recht nostalgischer Moment. Selbst für mich.

Sebastian Bartoschek: Alles was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Das gilt auch für VIVA. Denn was meine Generation denkt, wenn sie „VIVA“ hört ist ein Erinnerungsraum, der so fern weg ist, wie er für heute Junge nicht mehr fassbar ist. Es war eine Zäsur im Popkulturellen Deutschland an der Schwelle zum Aufbruch ins Internet. War. Stefan Raab ist in Rente, Musikvideos schaut man YouTube, und die diese Kunstform hat sich eh weiter entwickelt. Ich könnte jetzt viele persönliche Geschichten erzählen, ich knicke sie mir, akzeptiere mein Alter und sage ein peinliches „Tschö mit Ö!“ zu den 90ern – ich habe euch echt gemocht.

Stefan Laurin: Viva gibt es bald nicht mehr? Für alle, die dort noch gearbeitet haben, ist das natürlich schade, aber dass es Viva noch gibt, wusste ich ehrlich gesagt nicht mehr. Musikfernsehen ist aus der Zeit gefallen – seitdem es Youtube und DSL-Leitungen gibt, braucht es eigentlich niemand mehr. Als Viva neu war habe ich darüber gelästert, später lief es oft im Hintergrund als eine Art Pop-Kaminfeuer. Spotify war auch auch noch nicht erfunden. Viele Moderatoren der ersten Stunde mochte ich: Stefan Raab, Aleksandra Bechtel und Heike Makatsch. Alles lange her, verschwommene Erinnerungen aus den nebeligen 90er Jahren. Werde ich Viva vermissen? In der Welt von Prime und Netflix würde ich nicht einmal bemerken, wenn ARD, ZDF oder Pro7 vom Netz gingen.

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