Ruhrgebiet International

Zeche  Zollveverein
Zeche Zollveverein

Seit gestern findet auf Zollverein in Essen eine internationale Konferenz statt, die einen weltweiten Vergleich von Stadtregionen und deren Zukunftsstrategien mit dem Ruhrgebiet als größtem europäischem Transformationsraum wagt. Von unserem Gastautor Dieter Nellen.

Die wissenschaftlich-planerische Initiative geht vom Fachgebiet Städtebau der TU Dortmund/Fakultät Raumplanung aus – namentlich flankiert von regionalen und internationalen Kooperationspartnern wie der Universität Luxemburg und der ETH Zürich. Die Konferenz wird von einem größeren Kreis von Unterstützern, bestehend aus dem zuständigen Bundesministerium, regionalen Verbänden und der Mercator Stiftung finanziert.

Mit der dreitägigen Veranstaltung „POLYCENTRIC CITY REGIONS IN TRANSFORMATION“ wird ein internationaler Erfahrungsaustausch über Chancen und Potenziale zur Gestaltung des Strukturwandels begonnen. Er soll der Anfang eines globalen Dialoges der nächsten Jahre sein.

Mehr als 250 Teilnehmer aus Deutschland, Europa, den USA, Japan und Australien sind dazu nach Essen gekommen. Weiteres Ziel ist eine durch diesen internationalen Dialog begleitende Strategie des regionalen Strukturwandels in den Bereichen Urbanismus, Planungskulturen, Industriekultur, Ökonomie, produktiver Freiraumentwicklung, Energie und Mobilität. Hierzu liefern zahlreiche Podien Einschätzungen und Vorschläge aus internationaler Perspektive. Für die eingeladenen Studenten ist die Veranstaltung ein Stück Sommercampus auf dem Weltkulturerbe Zollverein.

Den inhaltlichen Leitfaden bestimmen Diagnosen des internationalen Vergleichens und gegenseitigen Lernens. Zudem wurde ein Zukunftspapier unter dem Titel „RUHR INTERNATIONAL“ von den Professoren Christa Reicher (TU Dortmund), Stefan Berger (Ruhr-Universität Bochum) und Claus Leggewie (Kulturwissenschaftliches Institut Essen) vorgestellt. Als Gäste dabei waren Michael von der Mühlen, der Staatssekretär aus dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW und Martin Tönnes, der Bereichsleiter Planung beim Regionalverband Ruhr, der aus Düsseldorf viel Lob für seinen regionalen Ideendiskurs erhielt.

Ruhr gilt inzwischen global als diejenige Industrieregion, die mit stadtübergreifender Kooperation und regionalen Formaten wie der IBA, der Ruhrtriennale, Ruhr 2010 etc. markante Leitprojekte räumlich-kultureller Innovation realisiert hat. Das weiß man in der Welt offenbar mehr zu schätzen als vor Ort.

Auch die laufenden Bewerbungsprojekte, nämlich die um die um die „Grüne Hauptstadt Europas“ oder die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027 sind nach Ansicht der Wissenschaft nicht nur wegen ihres zu erwartenden Imagetransfers zu begrüßen. Die künftigen Formate befördern sowohl einzeln wie als Gesamtstrategie den regionalen Strukturwandel mit dessen mannigfachen Effekten bis weit ins nächste Jahrzehnt.

Regionen mit einer Vielzahl einzelner Städten und Ortschaften sind zudem kein historischer Einzelfall mehr. Im Gefolge zunehmender Urbanisierung wachsen vielmehr Städte im Kontext der sie umgebenden Landschaft immer häufiger zu großen organisierten und gesellschaftlich-politisch verfassten Agglomerationen heran.

Diese Entwicklung multizentrischer Urbanität findet weltweit statt. Das Ruhrgebiet ist damit international nicht mehr nur Sonderfall oder gar Problemzone, sondern kann in der globalen Gemeinschaft vergleichbarer Regionen selbst Impulse für Städtebau und Transformation vermitteln.

Der transnationale Perspektivwechsel – weg von der einzelnen Stadt hin zur Agglomeration – wird sich in den Planungsstrategien der Zukunft weiter verfestigen. In den beiden letzten Jahren wurden erste Projekte angegangen: zur Internationalisierung der Industriekultur (Ruhr-Universität Bochum) und zum globalen Vergleich von Agglomerationen an der TU Dortmund mit dem jetzt sichtbaren Ergebnis dieses großen Kongresses. Das Haus des Ruhrgebiets in Bochum plant eine weitere Veranstaltung für den Herbst.

Die fachlichen Initiativen bedürfen allerdings der zügigen Fortführung durch geeignete Fortsetzungsprojekte. Erste Vorschläge liegen dazu seit gestern vor. Die Professoren Reicher und Berger stellten aber auch weiter fest.

Der ganze Prozess müsse über das Additive einzelner Projekte hinauswachsen. Und die überfällige Internationalisierung dürfe sich nicht auf die Hochschulen beschränken. Sie müsse vielmehr von allen Akteuren und Institutionen zu einer Wertschöpfungskette für die gesamte Region als international wahrgenommene Agglomeration entwickelt werden.

Dazu brauche man mittel- bis langfristig eine feste Adresse, die den Erfahrungsaustausch bündle und den internationalen Dialog effektiv und in institutionalisiertem Rahmen vorantreibe. Ein interdisziplinäres Institut unter dem Titel „TRANSFORMING CITY REGIONS INSTITUTE RUHR“ könne so etwas leisten.

Eine plausible Machbarkeitsstudie, gefördert von der Allianz der bisherigen Partner, wird nun neben weiterführenden Schlüsselprojekten im Sinne der weiteren Internationalisierung angestrebt.

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