Ruhrgebiet ist keine SPD-Hochburg mehr

Erinnert sich noch jemand daran, dass das Ruhrgebiet einmal eine SPD-Hochburg war? Nicht? Dann fragt mal Euren Opa.

Kam die SPD in irgendeiner Stadt im Ruhrgebiet noch über 40 Prozent? Ich habe keine gefunden. Oberhausen gilt mit 38 Prozent schon als Hochburg. In Bochum kamen die Sozialdemokraten nur noch auf 33 Prozent, in Dortmund sieht es ähnlich aus. Im ganzen Ruhrgebiet waren die Grünen stabil, konnte die Union ihre Rekordergebnisse aus 2004 nicht halten und haben vor allem die FDP und die Linke dazugewonnen. Letztere allerdings blieben deutlich unter den noch vor nicht allzu langer Zeit sehr hohen Erwartungen. Nimmt man das Ergebnis der Linkspartei für NRW haben sie hier im Land noch nicht einmal die 5-Prozent-Hürde genommen. 4,6 Prozent – da dürfte mancher Linksgenosse nervös werden, der sich schon bei den kommenden Landtagswahlen sicher im Parlament sah.

Früher war das mit der SPD einmal anders: Da haben die Sozialdemokraten fast überall immer über 50 Prozent geholt. Bei jeder Wahl und egal wen sie aufstellten. Man kann den Sozialdemokraten nicht vorwerfen, nicht gekämpft zu haben: Sie dominierte mit ihren Plakaten den Wahlkampf und in der Bochumer Fußgängerzone wurden Tag für Tag tapfer Würstchen verlauft. Genutzt hat es nichts.

Was heißt das für die Kommunalwahl am 30. August? Durch die sehr geringe Wahlbeteiligung ist es schwer, klare Aussagen zu treffen aber  eines deutet sich an: Rot-Grüne Bündnisse wird es nur noch in wenigen Städten geben. Ohnehin scheint die Zeit der Zweierbündnisse auch auf kommunaler Ebene vorbei zu sein. SPD und Grüne werden die Linkspartei in Boot holen müssen, es wird große Koalitionen in den Räten geben und in ein paar Städten  vielleicht auch Jamaica. Und es wird in vielen Räten künftig wechselnde Mehrheiten geben. Das ist spannend und hochdemokratisch, aber wer sich Städte wie Marl anschaut, in denen seit Jahren mit wechselnden Mehrheit regiert wird, wird auch feststellen: Bei Ausgaben sind sich alle sehr schnell alle einig – für Einsparungen und Einschnitte gibt es nur selten eine Mehrheit. Für Städte die finanziell am Abgrund stehen und vielleicht sogar schon einen Schritt weiter sind, ist das keine gute Nachricht.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Das Ruhrgebiet hat längst ganz normale Wahlergebnisse – vergleichbar mit denen in anderen Großstädten. Die SPD bleierne Dominanz, die für mich auch immer ein Zeichen eines Modernisierungsdefizits war, verblasst mittlerweile selbst in der Erinnerung.

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Marcus Meier
15 Jahre zuvor

Keine Ideen, keine Konzepte, billigster Populismus, karrierelüsternde Tunichgute, die ihre eigene Klientel sind (sonst will’s ja niemand mehr sein, vielleicht mit Ausnahme der Kohle-Freaks). Die alte Tante SPD schaufelt ihr eigenes Grab, das aber immerhin mit einer gewissen Dynamik.

Dennis
15 Jahre zuvor

Eine Hochburg sollte auch nicht das Ziel sein. Eine gesunde Dominanz im Kontext eines gesunden Wettbewerbs bringt zumindest dem Bürger mehr.

Angelika
Angelika
15 Jahre zuvor

Ich weiß, Paderborn liegt gar nicht im Ruhrpott …

Trotzdem, denn es freut mich so:

CDU -9,5 %

Und im Hochsauerlandkreis:

CDU -9,8 %

Erstaunlich!

Minus!!!!!!!!

Dort!!!!!! Und die sind da doch schwatt vom Scheitel bis zur Sohle! …

Und dagegen in Bochum:

CDU -3,8 %

Da ist der Verlust ja geradezu klein, gegen…(siehe oben).

Mr. Captcha
Mr. Captcha
15 Jahre zuvor

Korrektur: „Würstchen ver_k_auft“

Martin
Martin
15 Jahre zuvor

Der Essener Norden war mal der sicherste SPD-Bundestagswahlkreis der Republik. In meinem damaligen Heimatstadtteil Karnap räumte der spätere OB Peter Reuschenbach über 75% ab. Jetzt sind von 5.800 Wahlberechtigten nur 1.600 hingegangen – „immerhin“ 48% davon wählten immer noch SPD. Die CDU bleibt unter 20 und keiner von den andern ist über 10. Das eigentliche Problem ist, dass vielen Leuten von der SPD einfach jede Hoffnung geraubt wurde und sie auf die Anderen realistischerweise (?) auch keine setzen. Und damit haben wir alle ein veritables Demokratieproblem.
PS: Mein Opa ist schon 1974 gestorben. Er hat aber nach allem was ich weiss, selbst 1972 nicht Reuschenbach, sondern einen Kolpingbruder von der CDU gewählt.

Eastern part
Eastern part
15 Jahre zuvor

na ja – ich weiß ja um Euren selektiven Ruhrgebietsblick.Insofern: allein im Kreis Unna drei: Kamen, Bergkamen und Bönen.

Philipp Engel
Philipp Engel
15 Jahre zuvor

Mein Interview mit Franz Müntefering kann man auf folgende Homepage lesen.

https://www.pflichtlektuere.com/09/06/2009/der-felsbrocken-des-franz-muentefering/

Vielleicht enthält es die Antwort auf die Frage, warum die SPD in einem historischen Tief steckt.

Ausnahmsweise nicht veröffentlicht bei den Ruhrbaronen.

Jürgen Dressler
Jürgen Dressler
15 Jahre zuvor

Die SPD war durch Müntefering und Schröder auf dem richtigen Erneuerungskurs für unsere Republik. Aber es gab zahlreiche handwerkliche Fehler,und es wurde nicht das Ziel dort transparent gemacht, wo es die grössten Wirkungen zeigte.Die von den Änderungen so sehr betroffenen Bürgerinnen und Bürger wurden allein gelassen,weil die SPD die unmittelbare Nähe zur Bürgerschaft im Revier schon lange verloren hat. Sie hat in ihren erfolgreichen Nachkriegsjahren vergessen, das Veränderungen im Revier stetig waren und die räumlich-sozialen Folgen vielschichtiger wurden, als es in das Bild einer gewerkschaftlich getragenen SPD passte und noch heute gilt.
Die Deindustrialisierung des Reviers vollzog sich im Bewußtsein der Partei nicht. Sie hat heute noch für eine zeitgemäße Solidarität nur die rudimentären Reste einer gewerkschaftlichen Bedeutung im Blick. Und nachdem eine politische Randgruppe wie die Linke sich des Häufleins von gewerkschaftlichen Urgesteinen aus existentiellen Gründen erinnerte, einige Genossinnen und Genossen der SPD sich in ihrer überholten Auffassung dort anschlossen, geriet die Partei in eine wendehälsische Politik, die einer Volkspartei unwürdig ist. Hinter jeder Sau, die Schmutzfinken wie Lafontaine u.a. durch den Ort jagten, versuchte die Partei mit zeitgleichem Dementi hinterher zu jagen.
Diese so wichtige und sozialpolitisch notwendige Partei wird nur überleben, wenn sie neuzeitlich ihren Solidaritätsanspruch auf die gesamte Bürgerschaft ausdehnt.
Diese Solidarität fordert ein lokal- und regionalökonomisches Handeln für alle Beschäftigten, vorrangig für alle kleinen und mittelständischen Unternehmen und für eine gleichberechtigte Stellung von Frau und Mann in dieser Ökonomie. Die großen gewerkschaftliche Bereiche der öffentlichen Hand und der Industrie sind in Zeiten von notwendigen und gegebenen Schrumpfungen nicht mehr von staatstragender Bedeutung, gleichwohl ein ernsthafter Teli des Ganzen.
Wer die steuerlich gewaltige Last der zukünftigen Generationen ernst nimmt, muß die Sachgerechtigkeit der öffentlichen Aufgaben im Sinne der Leistungsfähigkeiten zukünftiger Generationen qualitativ und quantitativ überprüfen. Dafür mit den jungen Menschen verantwortliche Lösungen zu suchen muss für die Partei vorrangig gelten.
Wenn die Parteispitze nicht endlich aufhört, ihre Bedeutung durch Hinweise und Vorwürfe auf andere Parteien zu begründen, hat sie den geringer werdenden Kredit in der Gesellschaft auch noch verspielt. Man muss nicht die breite gesellschaftliche Zustimmung für von Guttenberg an seinen Inhalten festmachen. Aber scheinbar fordert das Volk eine konsequente Auffassung mit entsprechender medialer Aufklärung, auch wenn es sich gegen die Interesse richtet.
Liebe Hannelore Kraft, wo bist Du eigentlich in diesen Wochen?

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[…] haben das Vertrauen zurückgewonnen.” Nach der Europawahl 2009 verkündeten die Ruhrbarone auf ihrem Blog das Ende der SPD-Hochburg im Pott. Die Kommunalwahl brachte wieder kleine […]

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