Ruhrgebiet: Letzte Ausfahrt ‚Expo Real‘?

Gewerbeflächen in Waltrop gammeln vor sich hin. Foto: Robin Patzwaldt
Freie Gewerbeflächen in Waltrop gammeln seit Jahren vor sich hin. Foto: Robin Patzwaldt

Verfolgt man aktuell die Wege vieler Stadtverwaltungen hier in der Region, so scheinen sie derzeit fast alle nach München zu führen, zur Immobilienmesse ‚Expo Real‘.

Die 16. Internationale Fachmesse für Immobilien und Investitionen vom 7.–9. Oktober 2013 scheint für viele Verwaltungen der Ruhrgebietsgemeinden einmal mehr eine Art letzte Hoffnung, die Aussicht auf ein wirtschaftliches ‚Wunder‘ zu sein. Dies ist zumindest der Eindruck, den man rasch gewinnt, wenn man in den letzten Tagen durch die Lokalteile vieler Tageszeitungen hier im Ruhrgebiet geschaut hat. Blickt man mal quer durch das Revier, egal ob Bochum, Dortmund, Essen, kaum eine Stadt deren Namen man nicht auf der Expo Real-Liste findet. Und so verhält es sich eben auch hier bei mir um die Ecke, im Kreis Recklinghausen.

Da verbringen und verbrachten derzeit diverse Delegation z.B. auch aus Waltrop und Datteln viel Zeit in der bayerischen Landeshauptstadt München. Ganz ohne Kosten für die ohnehin äußerst klammen Kommunen zu verursachen dürfte das auch nicht möglich (gewesen) sein.

Und was verbinden die angeschlagenen Revierstädte also dann konkret mit dem Besuch auf der renommierten Fachmesse an der Isar? Ganz klar, die Hoffnung auf die dringend erforderliche wirtschaftliche Belebung und damit auf einen Aufschwung für die gebeutelten Kommunen.

Seitens der Stadt Datteln versuchte man jüngst dort sogar den von der Landesregierung in Düsseldorf ausgebremsten ‚NewPark‘ noch irgendwie zu retten. Das benachbarte Waltrop hingegen sucht aktuell u.a. Investoren für das seit Jahren enttäuschend brach liegende Gewerbegebiet ‚Leveringhäuser Feld‘.

Aber selbst der örtliche Wirtschaftsförderer Burkhard Tiessen aus Waltrop kann in der Expo Real offenbar nur wenig Sinn für sein dringlichstes Projekt erkennen: „Das ‚Leveringhäuser Feld‘ ist nichts für die Expo Real, eher der Bereich im ‚Dicken Dören‘.“ , wird er heute in der ‚Waltroper Zeitung‘ zitiert.

Zwischen der Autobahn 45 und dem nahegelegenen ‚Dortmund-Ems-Kanal‘ ist noch eine weitere ca. 15 Hektar große Fläche, die für eine industrielle Nutzung aufbereitet werden soll. Bei der vorigen Auflage der Messe war man mit der Vermarktung des ‚Leveringhäuser Feldes‘ in München böse gescheitert. Nun soll es aber so einfach mit der nächsten Fläche klappen. Warum es hierfür nun wieder mit Sack und Pack persönlich nach München gehen musste, das leuchtet einem als Beobachter dabei leider nicht wirklich ein.

Konkrete Ergebnisse sind auch bei anderen Delegationen aus der Region allzu häufig Mangelware. So wird auch die Projektleiterin des Dattelner NewParks, Frau  Dr. Petra Bergmann, aktuell in der ‚Dattelner Morgenpost‘ nur mit der Worthülse zitiert: „Wir haben in dieser Phase der Projektentwicklung hier viele wichtige und gute Gespräche geführt, unter anderem mit RWE als Eigentümer der Fläche.“ Auch da fragt man sich postwendend, ob man dazu, so kurz nachdem die Finanzierung des Grundstückskaufs per Landesbürgschaft erst einmal kollabiert ist, unbedingt extra persönlich noch nach München hätte reisen müssen?

Und auch in Waltrop sucht man konkrete Vorteile des jüngsten Messebesuchs als Bürger im Nachgang der noch laufenden Messe bisher wieder weitestgehend vergeblich. Dort heißt es in der entsprechenden Meldung über die konkreten Ergebnisse lapidar: ‚ Kennengelernt habe man dafür jemanden, der Kommunen im Hinblick auf eine Stärkung ihrer Innenstädte berät. Da könne in Waltrop ein erstes Kennenlern-Gespräch auch mit der Kaufmannschaft stattfinden, ist Burkhard Tiessens Eindruck.‘ Also auch nichts für das der städtische Wirtschaftsförderer samt Bürgermeisterin persönlich hätte extra nach München hätte reisen müssen. Das hätte man sicherlich alles auch genauso gut vom heimischen Schreibtisch aus ‚anleiern‘ können.

Immer aber lesen sich die dazugehörigen Artikel in den Lokalteilen der Tageszeitungen vor den Reisen der Verwaltungskräfte noch ähnlich optimistisch: große Hoffnung, gute Perspektiven usw.. Dann am Ende aber regelmäßig ein kräftiges Relativieren und nur wenig Greifbares als Ergebnis.

Und warum sollte dann ausgerechnet beim nächsten Besuch dort plötzlich  alles anders sein?

Natürlich kann es durchaus sinnvoll sein auf diesen Messen Kontakte zu knüpfen, Betriebe für unsere Region zu interessieren, die Städte und die Region dort zu vertreten. Doch eine ‚Wunderwaffe‘ gegen die andauernde Wirtschaftsflaute ist diese Messe offenkundig keinesfalls.

Und diese leicht zu durchschauende Schönfärberei der Stadtverwaltungen, die sollte doch in diesen Tagen eigentlich keinen mehr beeindrucken können, oder?

Und dann kann man sich das Schönreden der Lage und der Perspektiven in diesem Zusammenhang besser auch gleich sparen!

Die Expo Real in München kann die desaströse Wirtschaftslage in weiten Teilen des Reviers eben auch nicht retten. Und dann braucht man auch gar nicht erst so zu tun, und im Vorfeld regelmäßig immer wieder diese völlig unrealistischen Hoffnungen zu wecken versuchen.

Nachfrage und Bedarf an Gewerbeflächen hier in der Region ist halt nur sehr gering. Da helfen auch keine Messen am anderen Ende der Republik mit Wundern weiter. Wem wollen die Lokalpolitiker und Stadtverwaltungen da eigentlich noch etwas vormachen? Vielleicht am Ende sogar nur sich selbst?

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Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

NRW-Wirtschaftsminister Duin hat im Zusammenhang mit der Ablehnung einer von der New-Park-GmbH beantragten Landesbürgschaft bezogen auf das sog.New-Park-Projekt sinngemäßt gesagt: “ Das Projekt lebt in Datteln, in der Region weniger vom Realitätssinn, sondern mehr vom Prinzip Hoffnung.“

Das gilt, Robin, wie Du zurecht feststellst, auch für all diejenigen, die aus Politik und Verwaltung des Ruhrgebietes die Expo-Real besuchen.
Ich bin mir darüberhinaus sicher, daß alle Realisten nicht einmal die Hoffnung haben, in Sachen Neuansiedlung von Gewerbe-,Industrie-Dienstleistungsunternehmen im Ruhrgebiet Konkretes auf der Expo-Real bewirken zu können.

Seit Bestehen der Expo-Real beginnt der Bericht allerr „Abgesandten aus unseren Städten“ mit:
“ Ich habe interessante Gespräche geführt. Ich habe viel versprechende Kontakte hergestellt“.

Aus diesen Gründen habe ich es mir nie gestattet, obwohl ich es hätte tun können, zur Expo-Real zu fahren. Mir war dafür die Zeit zu schade.

Ich habe es allerdings jedem gegönnt -und es z.T.förmlich genehmigt-, ‚mal da hin zu fahren ;sozusagen als Möglichkeit z.B. für einen verdienten Mitarbeiter,’mal
an einer “ der Erweiterung des persönlichen Horizonts“ durchaus dienlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

@Walter: Unsere Einschätzungen decken sich (wieder einmal) weitestgehend. In diesem Fall finde ich das allerdings für mich erschreckend, da meine Ansichten auf die Dinge als ‚Außenstehender‘ gegenüber den Vorgängen in unseren lokalen Verwaltungen von Dir als erfahrenem Lokalpolitiker und Verwaltungsfachmann inzwischen zur allgemein akzeptierten Tatsache und zur Normalität geworden zu sein scheinen. Mich macht so etwas, wenn ich das bemerke, immer noch wütend. Ich wünschte mir, ich hätte da ein Stück mehr von Deiner Gelassenheit…. Dann würde ich mich nicht immer unnütz so sehr aufregen 😉

Dummkopf
Dummkopf
11 Jahre zuvor

Als „Bürger“ einer mittelgroßen Stadt bekomme ich diese Statements auch einmal im Jahr zu lesen. BM, Wirtschaftsförderer und Stadtplaner finden sich dort am vom Kreis organisierten Stand zusammen und pflegen Kontakte, wie sie sagen.

Und jedes Jahr wieder frage ich mich, wem nützt es?

Da mit zunehmender Dienstzeit unseres BM`s meine kritische Distanz zu ihm immer größer wurde (und weiter wächst), sowie gemäß meiner Einschätzung, das an unserem BM neigungsgemäß eigentlich ein großartiger Veranstaltungsmanager
– Schwerpunkt Eröffnung und Betreuung – verloren gegangen ist, habe ich das immer, natürlich völlig unvoreingenommen, als „Party-Reise“ betrachtet.

Richtig ist aber auch, das viele, wenn nicht gar die meisten, die professionel auf Messen unterwegs sind, resp. sein müssen, auf diese gut verzichten könnten. Da reißt sich kaum jemand drum, zumindest nicht auf Inlandmessen wie Hannover oder Cebit.
Und, wenn die Expo der Branchentreff ist, dann gehören die entsprechenden Entscheider auch dorthin.

Eine andere Frage ist die nach einem angemessenen Aufwand, der getrieben wird.

Franz Przechowski
Franz Przechowski
11 Jahre zuvor

Diese Diskussion findet wirklich, so sicher wie Heiligabend, jährlich an dieser Stelle statt. Ich erinnere den anregenden Austausch der Argumente in 2012.
Möchte niemanden mit Wiederholungen langweilen, deshalb mein Statement zur Expo Real 2014 im Vorgriff:

Ja, die WMR hat an der EXPO REAL zu Recht teilgenommen.
Ja, die WMR hat einen konsistenten Markenauftritt und ein für die Zielgruppen relevantes und leicht zu erfassendes Leistungsangebot präsentiert.
Ja, die WMR hat alte Fehler, wie die kommunale Projekte Kleinteiligkeit und die Flut der Angebote dutzender von privatwirtschaftlichen Unterausstellern, im Sinne einer guten Vertriebskommunikation, vermieden.
Ja, die WMR hatte tatsächlich eine erkennbare Kommunikationsstrategie für die Marke „Ruhr“ und das Produktangebot „zentrale Standortvorteile“ präsentiert.

Auch wenn es naiv klingt, aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.

Glückauf

Volker Steude
11 Jahre zuvor

Der Artikel trifft es auf den Punkt. Alle wissen, am Ende kommt bei dem Besuch der Messe aller Wahrscheinlichkeit gar nichts rum. Trotzdem jedes Jahr dasselbe:

Hier mal Bochum 2010: https://www.ruhrnachrichten.de/lokales/bochum/Bochum-punktet-bei-der-Expo-Real;art932,1055320

Der Biomedizinpark, Exzenterhaus und Erdwärme stehen 2010 im Fokus für Bochum bei der Messe. Der Leiter der Wirtschaftsförderung lässt sich ablichten.

Die Lokalpresse berichtet gewohnt euphorisch: „Bochum punktet bei der Expo Real“.

Die Realität: Auf dem Biomedizinpark hat sich auch nach 7 Jahren kein Biomedizinunternehmen angesiedelt. Über 70% der Fläche stehen leer. Im Exzenterhaus stehen 10 von 15 Geschossen leer. Der Eigentümer nutzt selber 3 von den 5 „vermieteten“ Etagen. Auch von nennenswerten „Energieeffizienz-Ansiedlungen“ hat niemand was gehört.

Eigentlich müsste die Lokalpresse auch langsam bemerken, dass sich mit der Messe kein Blumentopf gewinnen lässt. Aber jedes Jahr werden alle Erfahrungen vom letzten Jahr wieder gelöscht und es werden unreflektiert wieder die Jubelmeldungen der städtischen Wirtschaftsförderungen verbreitet. Dieses Jahr sind die Bochumer von Investoren umringt (https://www.ruhrnachrichten.de/lokales/bochum/Opel-Flaechen-gefragt-Bochum-praesentiert-sich-auf-der-Expo-Real-in-Muenchen;art932,2149850).

Hunderte von Städten bieten auf der Messe Gewerbeflächen an, da geht Bochum und die anderen Kommunen total unter. Sich auf eine Messe zu stellen und auf Investoren zu warten reicht schon lange nicht mehr. Aktiv werden ist gefragt, vor Ort, wo potentielle Unternehmen sitzen, müssen diese einzeln angesprochen werden. Doch dafür ist die Wirtschaftsförderung in Bochum gar nicht ausgerichtet (Wirtschaftsförderung hilflos). Seit 2008 soll diese reformiert werden. Doch es tut sich konkret nichts. Was will man da erwarten?

Wer WAZ oder RN liest, muss denken, die Messe ist jedes Jahr aufs Neue ein riesen Erfolg. Keiner der Journalisten hinterfragt das, was den Medien von der Wirtschaftsförderung da als Erfolg verkauft wird. Dass die bei der Messe angebotenen Flächen auch Jahre nach der Messe noch leer stehen, nimmt man einfach nicht zur Kenntnis und will es auch nicht. Diejenigen, die das ewige Schönreden nicht mehr hören können, haben die Zeitungen längst abbestellt.

Walter Stach hat es ja auch nochmal bestätigt, alle Beteiligten, die, die Städte präsentieren, die prominenten Politiker, die hinfahren und die, die darüber berichten, wissen es besser. Aber man will vortäuschen, man tut was und täuscht sich selbst wie die Bürger.

In der Sowjetunion und in China hat man den Kadern bemalte Pappen vorgehalten um eine gute Ernte vorzutäuschen. Die Kader konnten sehen, dass Getreide und Früchte nur aufgemalt waren, aber niemand traute sich der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Die Presse berichtete dann auch linientreu und stolz von den unglaublichen Überproduktionen des erneuten Rekordjahres, während die Bauern auf der Straße in Wahrheit verhungerten. Potemkinsche Dörfer.

Arnold Voss
11 Jahre zuvor

Nicht Potemkin, Volker, sondern POTTemkin. 🙂

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