Ruhrgebiet: PR, triste Wirklichkeit und Panikmache

In den vergangenen Tage erlebte das Ruhrgebiet einen Boom – als Projektionsfläche.

5000 Menschen kamen am Dienstag zur Konferenz „Der Phoenix fliegt“ nach Bottrop. Eingeladen vom Initiativkreis Ruhr, dem Zusammenschluss der großen Unternehmen der Region, wurde der Aufbruch des Reviers in ein  Zeitalter neuer wirtschaftlicher Stärek beschworen und die Fortschritte gelobt, die das Ruhrgebiet angeblich gemacht hat. PR – mehr nicht. Nur einen Tag später war von Aufbruch nicht mehr viel zu spüren. Der Paritätische Wohlfahrtsverband stellte da seinen neuen Armutsbericht vor und sein Chef Schneider warnte vor sozialen Unruhen im ärmer werdenden Revier.

Wenn das Ruhrgebiet zu nichts mehr taugt, als Projektionsfläche scheint es noch immer beliebt zu sein. Weder stehen wir hier von Aufständen wie in London noch ist etwas von Aufschwung zu spüren. Der Alltag im Ruhrgebiet ist grau und erbärmlich, nicht spektakulär und für diese Wirklichkeit scheint sich kaum jemand zu interessieren.

Die Fakten liegen auf dem Tisch, das Ruhrgebiet verliert Einwohner, gut qualifizierte Arbeitnehmer verlassen die Region. Es gibt Probleme im Bildungsbereich, es fehlen Jobs, die Städte sind pleite, aber ihre Politiker vernarrt in teure Prestigeprojekte.  Die vielbeschworene Kooperation der Kommunen im Revier findet im Alltag auf einem nahezu lächerlichen Niveau statt, Fortschritte sind kaum zu erkennen. Ulrich Horns Bild trifft: Das Ruhrgebiet fliegt nicht, es humpelt auf der Stelle. Und es wird natürlich keine Aufstände geben, wie sie Schneider vorhersagt. Es ist eben nicht der von ihm beschworene „Kessel“. Die Perspektivlosigkeit hat im Ruhrgebiet Tradition, sie ist Alltag, niemand regt sich mehr darüber auf. Normalzustand. Banal.

Während also die einen das Ruhrgebiet nutzen um sich selbst mal wieder kräftig auf die Schultern zu klopfen, taugt es den anderen als Kulisse für Horroszenarien. Deutlicher kann man sein Desinteresse an der Region nicht zeigen.

Dabei ist ziemlich klar was das Ruhrgebiet braucht: Mehr Investitionen in Bildung und weniger in teure „Leuchttürme“, eine bessere Verkehrsinfrastruktur, weniger Geld für Luftschlossbauer wie ECCE, dafür mehr Freiräume für Menschen, die etwas ausprobieren wollen, mehr unternehmerischen Mut, eine Gründerkultur, weniger Subventionen für Unfug, eine deutlich engere Zusammenarbeit der Städte, die auch noch Kosten einsparen könnte und weniger Eitelkeit bei den OBs, die ohnehin kaum mehr als Armenhausverwalter sind, auch wenn sie zum Teil vor Kraft nicht laufen können. Vor allem muss das Jammern aufhören. Das Ruhrgebiet braucht ein neues Selbstbewusstsein  und das wird es nicht aus  einer Vergangenheit herleiten können – es wird es sich erarbeiten, verdienen müssen. Das alles hat viel mit den Mühen der Ebene zu tun, ist nicht spektakulär und nur langfristig erfolgreich. Und deshalb wird es auch nicht geschehen. Die Schönredner und die Apokalyptiker, die das Ruhrgebiet nur als Projektionsfläche benötigen, werden auch weiterhin den Ton bestimmen.

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Freidenker
Freidenker
13 Jahre zuvor

Ich sehe das ähnlich! Im Ruhrgebiet wird durch Politik mehr verhindert als gefördert. U.a. Sozialverbände langweilen regelmäßig mit steigender Armut in Deutschland (!), gleichzeitig werden Steuergelder (und zusätzlich aus dem nichts geschaffendes Geld) vom Staat verschwendet und für allerlei Wohlfahrt und Ideologieprojekte ausgegeben – davon reichlich auch für diesen CO2-Reduktions-Unsinn („Blauer Himmel, grüne Stadt“, mit Innovation hat das wenig zu tun). Der wissenschaftliche Zusammenhang von anthropogenem CO2 und Verlauf des Klimas spielt dabei längst keine Rolle mehr. Don’t confuse me with facts, my mind is made up. Es stört nur die ideologischen Interessen unserer politischen Eliten.

Etwas positives kann dem Ganzen jedoch abgewinnen. Die Zeiten, in denen der Staat sich um derartige Angelegenheiten kümmert, können so schlecht nicht sein!

Gerd Herholz
13 Jahre zuvor

… und so viele Banker, Politiker, Medienleute, Konzernchefs und ein Weih- und Militärbischof da beim „Ruhr-Davos“. Schade, dass das keine neuer George Grosz gemalt hat comment image)

trackback

[…] Ruhrgebiet: PR, triste Wirklichkeit und Panikmache (Ruhrbarone) – […]

Walter Stach
Walter Stach
13 Jahre zuvor

Ja,Gerd Herholz, ich habe, wenn ich an die „Ruhr“- Versammlung denke,nach Deiner Bemerkung ein ganz bestimmtes Bild von Georg Grosz im Kopf; Mächtige,für die Andere nicht existiere, es sei denn als „gewinn-,geld-,macht-bringende, machtsichernde“ Arbeiter/Konsumenten.Mit Solchen ist „ist kein Staat zu machen“, sprich keine Zukunft für die Menschen des Ruhrgebietes.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Stefan, @Walter Stach, @Gerd:
es kommt wohl auf den Blickwinkel an. Was für den einen ein Alptraum, kann dann für den anderen zur Komödie werden. Aber normal wird es selbst dadurch auf keinen Fall.
George Grosz hätte vielleicht ein paar deutlich, als solche erkennbare Deppen in das Bild einfügen sollen. Aber zu seiner Zeit gab es auf dieser angesprochenen Ebene wohl noch nicht so viele. Schönredner gab es zwar, aber wie soll man die malen?
Deppen und Schönredner (wie halte ich die nur auseinander ?)vermehren sich nämlich in unserer Zeit beschleunigt und protegieren oft noch größere Deppen und Schönredner als sie selbst. So nimmt das nie ein Ende.
Daran kann man sie erkennnen.
Die wollen aber immer nur seriös wirken, sind aber eigentlich meist nur seriell.

walter stach
walter stach
13 Jahre zuvor

Stefan,Helmut Junge,Gerd Herholz: Es scheint, daß wir uns einig sind, wenn es darum geht zu bewerten, was die „Großkopferten“ für die Menschen im Ruhrgebiet, für die Zukunft des Reviers (nicht-)bewirken wollen, (nicht-)bewirken können. Sind es tatsächlich Mächtige,Wichtige oder gilt „mehr Schein als Sein“ oder sind es im weitesten Sinne Deppen und Schönredner? Es kann ja sein, daß alle diese Charateristika „irgendwie“ zutreffen, auf jeden Einzelnen oder mit Blick auf die Gesamtheit der Akteure.Müßig, darüber weiter zu diskutieren,denn die Akteure selbst halten sich und ihre „Mit-„streiter für mächtig und wichtig, sie werden so von der „veröffentlichten Meinung“ -mehrheitlich- wahrgenommen und alles das kann nicht folgenlos bleiben;mit einiger Wahrscheinlichkeit aus unserer Sicht jedoch nicht mit positiven Folgen für das Ruhrgebiet.

walter stach
walter stach
13 Jahre zuvor

Stefan,Gerd Herholz,Helmut Junge: Trafen sich Mächtiger,Wichtige oder war da ehe Schein als Sein eixtenz oder versammelten sich gar Deppen und Schönredner? Es spricht alles dafür, daß die Versammelten sich selbst für sehr wichtig und mächtig hielten – und halten-,in ihrer Wirklichkeit selbstverständlich ihr Sein ihr Schein übertraf -und übertrifft- sowie Klugheit und Intelligienz Form und Inhalt ihrer Reden bestimmten -und bestimmen-.Und wenn die öffentliche Meinung -mehrheitlich wohl auch die mediale-die Akteure in dieser ihrer Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung bestärkt, was bleibt uns dann zu tun? Messen wir sie an ihren Taten! Bisher ließ sich jedenfall auf alle Akteure und auf ihr Arbeitsfeld Ruhrgebiet bezogen regelmäßig nur „viel heiße Luft messen“. Ich sehe weder „Phönix fliegen“, noch „Phönix in den Abgrund stürzen“; begleitet von Aufständen!!. Wieweit ist -auf der anderen Seite derselben Medaille – Herr Schneider entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen im Revier , besonders von den Menschen aus sozialschwachen und bildungsfernen Schichten,“seinen“ Aufständischen!

Katharina
Katharina
13 Jahre zuvor

Kulturloge-Ruhr

Eine Idee , kein Leuchtturmprojekt.

Eine Reportage darüber gab es im WDR 5
https://www.wdr5.de/sendungen/westblick/s/d/22.12.2011-17.05

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