Ruhrkonferenz: Das Zeitfenster für eine Modernisierung des Ruhrgebiets hat sich längst geschlossen


Hat sie schon begonnen oder startet sie erst noch? Wie das mit der Ruhrkonferenz sein wird, ist niemandem so richtig klar:  Den Startschuss für das im Koalitionsvertrag von FDP und CDU festgeschriebenen Vorhaben hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet längst gegeben. Wie die Ruhrkonferenz genau aussehen und was sie bringen soll, ist allerdings noch immer unklar. Und es ist auch ziemlich egal.

Niemand glaubt daran, dass von einer Ruhrkonferenz irgendwelche Impulse für die Region ausgehen. Man könnte sie auch sein lassen, aber einen Koalitionsvertrag arbeitet man nun einmal ab, damit man den Wählern später sagen kann: Versprochen und nicht gebrochen.

Das Zeitfenster, in dem im Ruhrgebiet Veränderungen möglich waren, hat sich längst geschlossen: Bei der letzten, großen „Ruhrkonferenz“ 1988 war das Interesse am Ruhrgebiet in Deutschland noch wesentlich größer: Der Mythos des Reviers, es habe mit seiner Leistungskraft den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes nach dem Krieg erst ermöglicht, war wesentlich präsenter. Und es war damals, zwei Jahre vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, auch die größte Krisenregion. Längst sind weite Teile der ehemaligen Ostzone Krisenregion – nur das dort die Erfolge der Milliardenzuschüsse sichtbarer sind als im Ruhrgebiet.

Auch das Erpressungspotential der Region hat nachgelassen, es war ohnenhin mehr Mythos als Wirklichkeit. 1966 sagte der spätere Kanzlerkandidat der CDU, Rainer Barzel: „Wenn es an der Ruhr brennt, hat der Rhein nicht genügend Wasser, das Feuer zu löschen.“ Mit hunderttausenden Bergleuten und Stahlarbeitern wollte sich keine Landes- oder Bundesregierung anlegen. Wenn heute die Ruhr brennen würde, die Hitze reichte kaum aus, ein Würstchen zu grillen.

Dazu kommt der Ermüdung: Wer kann denn das Gejammer, das seit über 50 Jahren aus dem Ruhrgebiet kommt, noch ertragen? Milliarde für Milliarde floss in das Revier. Zwar konnte mit dem Geld der vollkommene Absturz verhindert werden, aber das Ruhrgebiet ist nie wieder auf die Beine gekommen. Es ist ein wenig so wie der Sohn, der noch mit  40 keinen Job hat und mit der Dose Bier auf der Couch im Wohnzimmer der Eltern sitzt und den ganzen Tag RTLII schaut. Klar, er ist kein schlechter Kerl und tut niemandem etwas böses, aber alle wissen, dass dieser Versager in seinem Leben nie mehr etwas hinbekommen wird.

Das seit Jahrzehnten beklagte Kirchturmdenken der Städte, das noch jeden Entwicklung verhindert hat, wird es auch in Jahrzehnten weiter geben. Es gibt in dieser Frage nicht den geringsten Anlass zum Optimismus. Über die Strukturen zu reden, die das Ruhrgebiet lähmen, will niemand. Beispiel Nahverkehr: Mehr als ein Dutzend Nahverkehrsunternehmen sichern Jobs von Parteifreunden in Vorständen und Verwaltungen. Ein leistungsstarkes und preiswertes Nahverkehrssystem wurde nie aufgebaut. Und so könnte man weitermachen: Der Politik geht es nicht um Entwicklung, sondern um Pöstchensicherung. Und wenn man mal aus der Lethargie aufwacht, dann entweder um Geld anderer zu schnorren oder es für idiotische Projekte wie den Kauf der Steag zu verschwenden, der den Städten teuer zu stehen kommt.

Auch die Begeisterung für das Ruhrgebiet, die es kurzzeitig um die Jahrhundertwende gab, ist längst verflogen. Niemand griff sie für Veränderungen auf. Es gibt auch keine Institution, die das tun könnte und es gibt niemanden, der für die Region spricht. Ideen- und gesichtslos ist das Ruhrgebiet, seine Politiker nicht einmal Mittelklasse.

Das Ruhrgebiet hatte alle Möglichkeiten und Chancen, es hat  sie nicht genutzt, sondern die vergangenen Jahrzehnte lieber mit der Dose Bier in Hand auf der Couch gesessen. Und sich gefreut, als RTL II seinen Sendebetrieb aufnahm.

 

 

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Aquii
6 Jahre zuvor

Wie wahr, wie wahr, aber wer will Fortschrittlichkeit erwarten, wenn die politischen Strukturen so verkrustet sind, dass es noch nicht einmal für den Weiterbau eine Straßenbahnlinie von Essen nach Oberhausen reicht?

Franz Przechowski
Franz Przechowski
6 Jahre zuvor

Der Autor beschreibt nicht nur seine, sondern auch meine subjektive Wahrnehmung präzise. Hoffnung, Zuversicht und Kampfbereitschaft sind erlahmt wie ein zu häufig strapaziertes Gummiband. Den unfähigen Bengel auf der Couch, mein Vater hätte ihn „Lauschepper“ gerufen, werden wir nicht mehr los.

Nina
Nina
6 Jahre zuvor

Das ist eine traurige Geschichte.
Kann man denn gar nichts tun?

Wolfgang Wendland
6 Jahre zuvor

1988 hat der Starlightexpess aufgemacht – immerhin etwas.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

@Nina, nein, kann man nicht. Außer ein Testament zu schreiben, bleibt kaum noch Zeit. Wenn überhaupt.
Städtepartnerschaften wachsen weiter. Das sind beliebte Ausflugsziele für Räte und Verwaltungen.
Moderne Mutterklötzchen gewissermaßen. Obwohl der Vergleich sicher hinkt, weil Mutterklötzlich geduldet waren und der Besuch von Partnerstädten als Pflicht betrachtet wird.

Laubeiter
Laubeiter
6 Jahre zuvor

Für mich sind die Grenzen des Ruhrgebiets fliessend und das Ruhrgebiet kein Monolith, dessen Temperatur und Wohlbefinden sich an einer Stelle für alle bestimmen lassen. Bochum gehts nicht schlecht mit seinen Hochschulen, Essen nicht mit seinen Konzernzentralen, Dortmund nicht mit seinem Bundesligaklub und Businesspark der Uni. Andere Städte nördlich von Bochum, Essen und Dortmund sind seit langer Zeit wenig erfolgreich. Was ist mit dem Süden, gehören Wuppertal, Velbert, Hagen noch zum Ruhrgebiet? Ich finde, dass nicht nur die Ruhrstädte sich egoistisch verhalten, sondern auch die anderen in NRW. Was wäre denn, wenn das Ruhrgebiet ein Regierungspräsidium würde, mit den Regierungspräsidien Münster, Arnsberg, Düsseldorf? Würden die freiwillig ihre Macht abgeben und sich mit den Paar Einwohnern zufrieden geben, die im Umkreis Münster, Arnsberg, Düsseldorf ihnen belassen würden? Wie schwierig Gebietsreform ist, merkt man im Bundesland Mecklenburg, das nur ein Zehntel der Einwohner von NRW hat.

Norbert Schnitzler
6 Jahre zuvor

Hat denn das Kulturhauptstadtjahr etwas genutzt? Hier wird es gar nicht erwähnt. Sollte es so unwichtig gewesen sein, dann bin ich damit versöhnt, dass Leeuwarden und nicht Maastricht/Aachen/Hasselt (meine Region) dieses Jahr dran ist.

Bebbi
Bebbi
6 Jahre zuvor

@8: Doch: Wir haben uns eine Überdosis Vergangeheitsfolklore und Metropolengerede gegeben und wissen nun, dass beides mit der Gegenwart nix zu tun hat.

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