Ruhrparlament: Die ganz große Koalition ist ein Fluch

Verwaltungsgebäude des Regionalverbands Ruhr in Essen Foto: Flux Garden~commonswiki Lizenz: CC BY-SA 2.5


Seit 2014 arbeiten SPD, CDU und Grüne im Ruhrparlament zusammen. Für das Ruhrgebiet ist die Koalition aus vielen Gründen eine Katastrophe.

Im Herbst 2014 entschlossen sich SPD, CDU und Grüne zur Zusammenarbeit im Ruhrparlament. Aufgrund einer abstrusen Regel im Wahlsystem blähte sich das Parlament zur doppelten Größe auf und die eigentlich stabile Mehrheit von SPD und Grünen war dahin – es gab schlicht nicht genug Kandidaten um die Plätze im Riesenparlament zu besetzen. Das war die Stunde der Union, die so einen Teil der Macht abbekam.

Für das Ruhrgebiet hat sich die Koalition nach vier Jahren als katastrophal erwiesen. Wenn sich jetzt der Regionalplan um viele Jahre verzögern wird, werden die meisten Bürger von diesem Plan, der für die Zukunft des Ruhrgebiets wichtig ist, noch nie gehört haben. Vom von Eintracht gelähmten Ruhrparlament, dem es an einer starken Opposition fehlt, ging keine Debatte in die Gesellschaft aus: Wie viele Gewerbeflächen benötigt das Ruhrgebiet? Wo sollen Wohnungen entstehen? Was machen wir mit den alten Industrieflächen? Welchen Platz haben die Landwirtschaft, welchen der Naturschutz?

Es hätte sich gelohnt, über diese Fragen öffentlich zu streiten. Das dies nicht gelang, lag auch daran, dass die drei großen Parteien, die über ein gewisses Mobilisierungspotential verfügen, nicht nur still zusammenarbeiteten, sondern auch die Opposition einbanden. Dieses Parlament der Stille hat dafür gesorgt, dass die Weichenstellungen für die Zukunft des Ruhrgebiets lange Zeit nicht mehr als ein konsensualer Verwaltungsakt waren. Doch die Hoffnung, den Regionalplan einfach so über die Bühne zu bekommen, ist gescheitert. Nun wird die Diskussion losgehen – und die Verabschiedung des Regionalplans verzögern.

War das böse Absicht? Eine Verschwörung? Nein, sicher nicht. Es liegt vor allem an den Politikern, welche die Parteien in das Ruhrparlament entsandten: Die Zeiten, wo dort ein Norbert Lammert debattierte, sind lange vorbei. Alle Parteien haben eher ihre zweite Garde dort hingeschickt. Die versuchen ihre Arbeit ordentlich zu machen, aber einen Drang zu öffentlichen Debatten verspürt dort kaum jemand. Und auch die RVR-Chefin, eine Frau mit dem Namen Karola Geiß-Netthöfel (SPD), agiert eher als biedere oberste Verwaltungsfachangestellte des Ruhrgebiets, denn als leidenschaftliche Verfechterin der Interessen der Region.

Das rächt sich nun und das wird es weiter tun: 2020 wird das Ruhrparlament zum ersten Mal direkt gewählt. Und über 90 Prozent der Menschen im Ruhrgebiet werden, wenn sie den zusätzlichen Wahlzettel sehen, fragen, was sie denn da wählen, was dieses Parlament überhaupt entscheidet und wer dort was will.

Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Jürgen Rüttgers gab dem Regionalverband nach Jahrzehnten das Recht zurück, selbst für die Region zu planen. Die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft setzte die Direktwahl der Ruhrparlamentes durch. Da waren zwei große Erfolge für alle, die in den vergangenen Jahrzehnten für mehr Eigenständigkeit des Ruhrgebiets stritten. Das Ruhrparlament und die Verbandsspitze wussten diese Möglichkeiten nicht zu nutzen. Ihr Konsensbrei und ihr mangelnder Wille zu Debatte haben sich als Fluch für da Ruhrgebiet erwiesen.

Mehr zu dem Thema:

Ruhrgebiet: Regionalplan könnte sich um Jahre verzögern

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ke
ke
6 Jahre zuvor

Hier im Artikel wird ein Kernproblem angesprochen. Fehlende Offenheit.
Wenn ich bspw. an die letzten beiden Artikel hier mit Bezug auf die UN denke, fällt mir auf, dass die Sprache in Beschlüssen/Urteilen einfach nur abschreckt. Es gibt kaum Sätze ohne viele Nebensätze. Oft erstrecken sie sich über mehrere Zeilen. Der Aufwand diese Dokumente dann noch in Fremdsprachen zu lesen erfordert viel Zeit. Ist das gewünscht? Will man Kompetenz durch Verschleierung andeuten, da Menschen mit einem normalen Zeitbudget sich gar nicht mit diesen Themen beschäftigen können?

So erreiche ich keine Menschen und kann auch nicht offen kommunizieren. Offenheit ist aber für eine Demokratie zwingend notwendig. Nur so kann man auch Verschwörungstheorien und Politikverdrossenheit bekämpfen.

Abgesehen von den Artikeln, die hier veröffentlicht werden, habe ich von o.g. Problemen auch noch nichts gehört.
Bei der Entwicklung des Ruhrgebiets -insbesondere in Dortmund- merke ich nur, dass eine Lagerhalle nach der anderen gebaut wird und dass die Strassen wohl auch wg. der zu hohen Belastung beschädigt sind und die Schadstoffgrenzwerte nicht eingehalten werden.

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