In der Jahrhunderthalle will Stephanie Carp heute mit einer Podiumsdiskussion versuchen, irgendwie aus der unsäglichen BDS Nummer bei der diesjährigen Ruhrtrienale herauszukommen. Dazu hat sie sich ein passendes Panel zusammengestellt. Auch vor der Halle wird einiges los sein. Unter dem Motto „Kein Podium für die BDS-Kampagne bei der Ruhrtrienale“ hat die Kölner Aktivistin Malca Goldstein Wolf eine Gegenveranstaltung organisiert. Allerdings hat sich auch Unterstützung für Carp und BDS angekündigt. So wollen z.B das „Internationalistische Bündnis“ und die „Revolutionäre Aktion Bochum“ sich wahlweise mit „Carp solidarisieren“ oder „zionistischen Hetzern den Tag vermiesen“. Mal sehen was der Tag so alles bringt…
13.40 Uhr: Die ersten Demonstranten finden sich im Westpark vor der Jahrhunderthalle ein.
13.50 Uhr: Um mal die aktuellen Verhältnisse zu verdeutlichen… So wie es aussieht, hat das „Internationalistische Bündnis“ ein Tischchen aufgestellt und bemalte Laken aufgehängt, um das Ensemble gruppieren sich locker so um die 10 Leute… Die proisraelische Veranstaltung von Goldstein Wolf hat da schon deutlich mehr Zulauf. Mit deutlich über 100 Teilnehmern ist man schon sehr früh dreistellig.
14.15 Uhr: Es tut sich etwas… Das „Internationalistische Bündnis“, zu dem übrigens, wir wollen es nicht vergessen, auch die PFLP gehört, beginnt mit seiner Veranstaltung. Vor der Halle sieht man sich offensichtlich am falschen Platz, denn die erste Forderung des Redners ist gleich mal, dass man auch an der Podiumsdiskussion teilnehmen wolle. „Wir werden uns nicht von der israelischen Gemeinde provozieren lassen“ womit man, für den Fall der Fälle schon mal einen Schuldigen, für was auch immer, parat hat.
14.22 Uhr Die Muster gleichen sich… Das wird man doch wohl noch… Also… „Man darf nicht sagen, dass Israel ein Apartheidsstaat ist…“ so eine Rednerin des Internationalistischen Bündnisses… Doch, darf man, dafür geht man nicht in den Knast, dafür bekommt man keinen Strafzettel und auch sonst nix. Wenn man es sagt, dann ist man allerdings… tscha…
14.34 Uhr: Zu einer eigenen Veranstaltung hat es bei der Revolutionären Aktion Bochum dann doch nicht gereicht, aber immerhin doch noch zu einem Grußwort, gehalten von Hannah Bruns, die vor wenigen Wochen noch die revolutionären Massen in Bochum Langendreer um sich versammeln wollte, bei den Kollegen der MLPD und des Internationalistischen Bündnisses… Man nehme die Position der Unterdrückten ein… Kriegerische Politik Israels… Palästina wird frei… Palästina wird sozialistisch… (da werden sie sich aber bedanken, die Palästinenser) und… catchprase: Hoch die internationale Solidarität! Jawollja…
14.48 Uhr Das Wetter ist schön, die Stimmung gut unter den rund 250 Teilnehmern von „Kein Podium für die BDS Kampagne bei der Ruhrtrienale. Lauten Beifall gibt es für die Organisatorin Malca Goldstein Wolf.
15.00 Uhr: Was das Internationalistische Bündnis, die MLPD, die Revolutionäre Aktion, K-Sektennamenderwahlbittehiereinfügen unter Debattenkultur und Demokratie verstehen haben einige Teilnehmer der proisraelischen Veranstalung am Rande zu spüren bekommen. Laut mehreren Aussagen sollen die K-Grüppler rund um Hannah Bruns proisraelische Besucher bedroht und bespuckt haben.
15.10 Uhr Israelflaggen am Boden, neben Mülleimern… ein unfassbares Bild. Die Veranstalter der Ruhrtrienale verbieten Israelflaggen in der Halle und rollen damit der antisemitischen BDS-Kampagne förmlich den roten Teppich aus.
15.17 Uhr: Die Diskussion beginnt. Norbert Lammert eröffnet die Veranstalung und begrüßt die Besucher und Teilnehmer.
15.25 Uhr: Man habe sich in intellektuelle Schützengräben eingebunkert, die keine Auseinandersetzungen mehr zulassen würden, so Lammert. Er bedauert diese Situation und stellt aber gleichzeitig launig fest, dass die Ruhrtrienale im Vorfeld noch nie eine so große Aufmerksamkeit hatte Nun denn, wir werden sehen, was die kommenden 90 Minuten Diskussion bringen werden. Auf dem Podium befindet sich übrigens auch Schorsch Kamerun.
15.29 Uhr: Carp besitzt offensichtlich Showtalent, erstmal den Saal zum Lachen bringen…“Bevor ich die Band Young Fathers eingeladen habe, hatte ich das Wort BDS noch nie gehört“, so die Intendantin der Ruhrtrienale. Sie habe sich unter Rechtfertigungsdruck gesehen, als man die Young Fathers und sie als Antisemiten bezeichnet hatte. Woraufhin sie die Band ausgeladen habe. Einen Tag später hätte sie diese Entscheidung für falsch gehalten und revidiert. Carp stellt die Frage nach der legitimen Definition von Antisemitismus. Kann man eine Band, deren Thema der Rassismus sei, antisemitisch nennen, nur weil sie ein Netzwerk unterstütze, welches wiederum die Politik Israels kritisiert? Für Carp ist da die Antwort offensichtlich klar.
15.40 Uhr: Carp sieht sich in erster Linie als Botschafterin von Künstlern und Künstlerinnen, mit denen sie eine breite Multiperspektivität herstellen möchte. Ausschlusskriterien seien für sie lediglich Antisemitismus, Rassismus und Rechtsradikalismus. Wenn es nach ihr geht, dann würden wir gar nicht beurteilen können, wer Recht hätte… und diese Zerrissenheit müssten wir aushalten. Aussagen, für die sie lauten Applaus erhält. Das Existenzrecht Israels stelle sie in keiner Sekunde in Frage.
15.50 Uhr Dann kommt Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kulturministerin NRW, zu Wort. Für sie ist eine Grenze überschritten, wenn zum Boykott von Israel aufgerufen wird. In Deutschland seien uns klare Grenzen gezogen und diese Grenzen müsse man auch erkennen, dies bedeute allerdings nicht, das man die Politik Israels nicht auch kritisieren dürfe. Die Verantwortung Deutschlands Israel gegenüber sei eine andere, als die von anderen Staaten. Kampagnen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, dürfen wir nicht tolerieren, so die Ministerin und weiter „Wir müssen gegen jede Form des Antisemitismus stehen.“ Wenn eine Bewegung wie der BDS keine festen Strukturen habe und es innerhalb des BDS radikale und auch rechtsradikale Ansichten gäbe, dann müsse der BDS sie diese Ansichten auch zurechnen lassen, selbst wenn man sie nicht vertritt. Für die Ministerin ist klar: „Einen BDS light gibt es nicht!“ Für sie gilt: „Kunstfreiheit ja, Ausgrenzung und Boykott nein!“
16.00 Uhr Während Israelfreund von „Jugendwiderständlern“ in einer Bochumer Bäckerei angegriffen werden, redet jetzt Hildegard de Vuyst. Sie sitzt in Vertretung von Alain Platel auf dem Podium. Die Kompanie von de Vuyst steht auf Seiten des BDS. Es wird unruhig im Saal als sie sagt, dass es in Belgien möglich sei, den BDS zu unterstützen. Es sei die gewaltlose Möglichkeit, um Israel unter Druck zu setzen, sich an internationales Recht zu halten. Für sie und ihre Kompanie sei es ein Problem gewesen, als „Stephanie“ den Young Father abgesagt hatte. Der BDS solle sich nicht gegen Menschen richten sondern ein Staat solle unter Druck gesetzt werden.
16.15 Uhr: Für Michael Vesper, dem Vorsitzenden des Vereins der Freunde und Förderer der Ruhrtriennale, muss das Festival die Auseinandersetzung aushalten. Jedoch sei die Freiheit von Kunst unvereinbar mit dem Boykott von Kunst. „Wir wollen nicht von Kampagnen in die Zange genommen werden“, so Vesper. Wenn man die Young Fathers einlade und es komme Kritik, dann müsse man dazu stehen. Oder man lädt sie eben wieder aus, was allerdings nicht gehe, das sei dieses Hin- und Herwanken. Vesper stellt klar, dass, wenn man ein Programm zusammenstelle, dann sollte man sich frühzeitig informieren und nicht nur künstlerisch. Niemand könne alles wissen, aber es gibt einen Stab dessen Job es sei, nicht in Fallen zu treten. Man dürfe dem BDS nicht auf den Leim gehen. Kunst dürfe sich nicht mißbrauchen lassen. Man dürfe sich über Israel und die Siedlungspolitik durchaus aufregen, aber es solle doch auch zum Nachdenken bringen, wenn BDS eben nur zum Boykott eines einzigen Staates aufrufe: Israel! Nicht Iran, nicht China. Vesper stellt die Frage, ob die BDS Kampagne des Dialog suchen würde. Er würde sich einen BDS wünschen, der Brücken baut.
16.20 Uhr:Nach Vesper nun Elliott Sharp, er ist Komponist, Multi-Instrumentalist und Performer aus New York. Er liest seine Rede von einem Mac ab, einem Gerät, das es ohne viele israelische Bauteil gar nicht geben würde… egal. Sharp rede als Mensch und Künstler. „I´m Jewish und stamme von Holfauctaopfern ab.“ Er sehe einen Zusammenhang zwischen Trump und Netanjahu. Zwar sei nicht jede Strategie des BDS perfekt, aber der BDS sei wichtig und habe viele richtige Elemente.
16.25 Uhr Auf Sharp folgt nun Schorsch Kamerun. Ginge es nach ihm, dann sollten wir den „Vorgang Young Fathers“ von der BDS Kampagne trennen. Boykott sei nicht die Sprache der Kunst und der BDS instrumentalisiere Künstler. Hier sei etwas passiert, was ursprünglich nicht das Thema gewesen sei: „Young Fathers sind keine Antisemiten, aber sie sind mit dieser Kampagne unterwegs. Deswegen unterschreibe ich diese Kampagne nicht.“
16.30 Uhr Offenbar ist nun die Diskussion eröffnet, denn Carp antwortet auf Schorsch Kamerun und Michael Vesper. „Darf ich jetzt alle Künstler, die mit dem BDS sympathisieren nicht mehr einladen?“ Würde man nur noch Künstler einladen, die in jeder Weise Konform seien mit jedem gegenwärtigen wording der Bundesrepublik, dann hätten man ja ein sehr eingeschränktes Programm, so jedenfalls sieht es Carp. Sie würde nicht beim BDS unterschreiben, weil sie Deutsche sei, auch wenn man viele Motive der Palästinenser verstehen würde und der BDS die Stimme eine unterdrückten Minderheit sei… Aber es sei ein Unterschied, ob man Belgier sei oder Deutsche…
16.35 Uhr: Diese Frage müsse sie sich schon selber beantworten, meint Schorsch Kamerun. Der BDS habe in seinen Anfangsbuchstaben etwas drin, „Boykottieren“. Das habe man im Gepäck, wenn man unterschrieben hat. Der BDS skandalisiere und das sei seine Methode.
„Erinnert mich hier an frühe grüne Parteitage“, so Michael Vesper. Für Vesper baue Carp eine Chimäre auf, die es nicht geben würde. Es ginge nicht um ein „stromlinienförmiges Programm“, aber man könne nicht ahnungslos in so ein Programm stolpern. Ein Blick ins Internet und Carp hätte gewusst, worum es geht. Hätte Carp die Band aus künstlerischen Gründen eingeladen, dann hätte der Verein (Verein der Freunde und Förderer der Ruhrtriennale) das nicht kritisiert.
16.40 Uhr De Vuyst sieht es anders. „Wollen sie wirklich das Deutschland bei der Beurteilung der istraelischen Verbrechen eine Ausnahme ist?“ fragt sie. BDS folge dem erfolgreichen Beispiel des Boykotts des Apartheidsregimes in Südafrika. Viele würden glauben, die Kunst sei ein Bereich, der weder mit der „schmutzigen Politik“ oder der „schmutzigen Wirtschaft“ zu tun haben sollte. Aber Kultur sei Teil unseres Lebens. Israel habe die Macht der Kultur verstanden und ließe keine starke palästinensische Kultur zu. Man beobachte die Mühen, die Israel sich mit Kultursponsoring geben würde.
16.45 Uhr: Es wird unruhig im Saal. Bevor de Vuyst die Frage von Norbert Lammert, „Warum BDS gegen nur ein Land?“, beantworten kann, gibt es Zwischenrufe. Juden, die den BDS unterstützen, kommen auf die Bühne. „Ihr bringt uns nicht zum Schweigen!“, so Udi Aloni. Er sei isareliescher Jude und stolz. Seine Liebe zu Israel und Palästina sei eins. An die Deutschen gerichtet sagt er: „Sagt uns nicht was ein guter Jude ist! Ich unterstütze den BDS!“. Ein dritter BDS Aktivist betritt die Bühne. Er und seine Freunde seien für den BDS. Sie würden für die Rechte der Palästinenser kämpfen, die kein „From the river to the Sea“ hätten. Und wieder: „Ihr Deutschen sagt mir nicht, was ich zu tun habe.“
Große Unruhe im Saal. Auch und vor allem nachdem Aloni, der wohl ursprünglich nur eine Frage hat stellen wollen, gegen Israel zu hetzen beginnt.
Lammert richtet sich an die BDS Aktivisten: „Sie unterstellen jemand hätte Ihnen gesagt, wie Sie sich zu verhalten haben? Das hat niemand getan!“
Vor der Schlussrunde fragt Norbert Lammert noch einmal Carp direkt: „Was ist falsch gelaufen?“ Für Carp ganz eindeutig, dass sie die Young Fathers ausgeladen hat. Das „Hin- und Her“ sei ein Fehler gewesen.
16.50 Uhr: Schlussrunde in der Turbinenhalle. Lammert stellt die Abschlussfrage: „Vor allem aber wird die Intendantin nach dem vorherigen Streit für die Entpolitisierung des Festivals sorgen?“
Ministerin Pfeiffer-Poensgen möchte allen Akteuren ans Herz legen, sie sollen etwas mit ihren kulturellen Mitteln machen und nicht mit Boykottstrategien.
Schorsch Kamerun bezweifelt, dass sie sich als Künstler auf die eine oder andere Seite Schlagen könnten, Kunst könne so viel mehr.
de Vuyst sieht eine deutsche Ausnahme, das habe mit der Geschichte zu tun und es sei wieder zeit für die Deutschen damit anders umzugehen… (Auch wenn es in den Fingern zuckt, wir lassen das mal unkommentiert… Ohauaha…)
Für Sharp sei es das Wichtigste, wenn man Musik macht, zuzuhören, das sage er auch seinen Studenten. Viele Juden würden sagen: Israel ist einer der größten Gründe für Antisemitismus in der Welt…
Michael Vesper versucht auf die Frage Lammerts einzugehen. Eine Entpolitisierung des Festivals sei gar nicht das Ziel. Es gehe nicht darum ein Programm stromlinienförmig zu machen. Kunst könne Brücken bauen. Es könne eine gemeinsame Kunst von Israelis und Palästinensern geben. Jedoch sei Boykott das falsche Instrument. Als Deutscher müsse man die israelische Politik scharf kritisieren, aber wir Deutschen könnten nicht die Bilder unserer Großeltern vergessen, die Schilder mit „Kauft nicht bei Juden“ in Schaufenstern aufgehängt haben.
Sharp hat immerhin seine Zweifel an Boykottstrategien. Er möchte die Freiheit haben auch Künstler einzuladen, die eine Kampagne unterstützen, die er selber für falsch hält. Wenn dann Israelis nicht kommen würden, dann müsse er das akzeptieren. Er ist sich ganz sicher, dass ein internationales Programm dafür da sei, Konflikte zuzulassen.
Lammert beendet die Veranstaltung mit dem Satz: „Wir sind jetzt am vereinbarten Ende einer Diskussion. Machne fühlen ihre Vorurteile bestätigt, was immer auch diskutiert wurde.“ Aus dem Publikum gibt es keine Fragen, die Veranstaltung ist beendet… Beendet? Nicht ganz…
Thomas Wessel, Pfarrer der Christuskirche in Bochum, leise aus dem Publikum: „Sie haben keinen Begriff was Antisemitismus ist.“
Sehr interessiert. Hatte kein Auto. Sonst wäre ich dort
Wow, die Teilnehmerzahl liegt deutlich über meinen Erwartungen. Viel Erfolg.
Was sagt die Polizei zu Bedrohungen?
Die Polizei meinte es wären ungefähr 30 auf der anti Israel Demo gewesen, die von der Polizei "auf Abstand" gehalten wurde. Leider nicht akustisch. Die hatten die bessere Anlage. Eine BDSlerin hat sich doch durchgemogelt, aber ihr "Danke Frau Doktor Carp" Schild würde schnell mit einer mir unbekannten Flagge verdeckt. Und Wolfgang Wendland war auch da.
Zur Diskussion ga es kein Durchkommen, da bis auf den letzten Platz ausgebucht. Vielleicht besser so. Der geistige Dünnpfiff wäre nur schlecht für meinen Blutdruck.
Und ist mehr passiert, als dass alle das gesagt haben, was sie eh schon mal vertreten haben?
"was auch immer diskutiert wurde" ? Seriously? Warum hat Herr Lammert das bloß gemacht????
Danke für die Zusammenfassung. Erschütternd
[…] Im vergangenen Jahr waren beide Parteien an Demonstrationen gegen Israel (Die Rechte) oder Folgen der Israelsolidarität (MLPD) beteiligt. Die MLPD ist zudem Unterstützerin der antisemitischen BDS-Kampagne. Das am 1. […]