Nein, leicht machte es Mamela Nyamza bei der Europapremiere ihrer Performance „Black Privilege“ am 22.8. im Rahmen der Ruhrtriennale auf PACT Zollverein dem Publikum nicht. Dabei lässt das Setting zunächst anderes erwarten. Ein schwarzweißkariertes Viereck als Spielfläche, eingehegt von Messingpollern und rotem Seil, die Tribünen wie in einer Arena darum herum. Dann schiebt ein Mann in aufwendiger afrikanischer Tracht ein hohes, bronzefarbenes Podest mit Treppe auf Rollen herein. Ist er ein Priester, ein Richter, ein Stammesoberhaupt? Wir können seine Tracht nicht lesen. Oben auf dem Podest sitzt Nyamza selbst, den ganzen Körper ebenfalls bronzefarben geschminkt, nur bekleidet mit etwas metallenem Körperschmuck an den Fesseln, den Armen und um die Hüften. Wie eine Königin oder Göttin schaut sie auf das Publikum herab, nickt leicht, während sie in äußerster Langsamkeit einmal um das Karree herumgefahren wird. Ein Gruß? Ein Ausdruck huldvollen Wohlgefallens? Ein Begutachten?
Dann setzt ein House-Beat ein. Geht es nach dieser stillen Exposition nun richtig los? Zum pumpenden Beat gesellen sich afrikanische Vocals, dann bricht die Musik ab. Es wird die einzige Musik der knapp einstündigen Performance bleiben. Und sie ist Zeichen für das kulturelle Spannungsverhältnis, in dem sich Nyamza bewegt. House als eine von Schwarzen in Amerika entwickelte Musik, die Tribalistisches von Ferne zitiert, vielleicht auch als Klischee benutzt und ungewollt dem Exotismus preisgibt.
Dann lässt der vermeintliche Zeremonienmeister das Publikum kurz aufstehen als Geste der Huldigung, um im Anschluss die Plattform, auf der Nyamza steht, in Vibration zu versetzen. Es ist ein Gerät, das man aus Fitnessstudios kennt. Wir sehen Nyamzas Rücken und wie die Vibration ihren Po wackeln lässt. Assoziationen an afrikanischen Tanz und Twerking. Doch dann ändert Nyamza ihre Position, kniet, hockt, legt sich auf die Vibrationsplatte. Mal klimpert dabei ihr Körperschmuck rhythmisch, mal einfach nur nervös. Die Vibration verformt ihren Körper, bekommt etwas destruktives, quälendes. Fast scheint die Vibrationsplatte zum Folterinstrument zu werden.
Im letzten Teil der Performance steigt Nyamza vom Podest herunter, nachdem sie sich von ihren Armreifen befreit hat, einer nach dem anderen, und kriecht zu den sinnlosen Ansagen eines Navigationsgerätes nur von ihren Schultern bewegt um die Spielfläche herum. Die Körperschminke hinterlässt eine schmutzige Spur. Dann lässt der Zeremonienmeister das Publikum ein zweites Mal aufstehen. Dieses Mal ist es aber ausdrücklich nicht Huldigung, denn er fordert schlicht zum Verlassen des Saals auf. Applaus wird sofort unterbunden.
„Black Privilege“ setzt seine wenigen Zeichen enorm genau und ist dabei gleichzeitig eine einzige Verweigerung. Was auch immer das Publikum von Nyamza erwartet, sie wird es nicht liefern, auch wenn sie die Hoffnung darauf schürt. Kein entfesselter afrikanischer Tanz, eine exotische Musik, keine Erzählung „von fremden Ländern und Menschen“, wie es bei Robert Schumann heißt, keine große Show. Stattdessen erzählt sie davon, wie hohl das alles ist, wie schnell aus der Größe und Erhebung das Vergessen werden kann. Es ist eine Geschichte, die aus der Erfahrung kommt, dass schwarze Frauen in Südafrika eine wichtige Rolle im Unabhängigkeitskampf spielten, aber längst vergessen sind. Dass der Kampf um Freiheit und Gleichheit und Menschenrechte nie gewonnen ist, wenn er nicht andauert.
Termine und Tickets: Ruhrtriennale
Hach…
"Was soll das?" Warum geht man da hin? Gibt es Zuschauer jenseits der Presse?
Ich hatte neben diesem Artikel noch einen anderen über die Aufführung gelesen und den Eindruck gewonnen, dass jeder Autor irgendwas in eine eher minimalistische Aufführung hineininterpretiert. Das ganze natürlich vor der Geschichte Südafrikas.
Gut, ich habe die Aufführung nicht gesehen, aber beide Berichte lassen mich fragen, warum wir hier solche Aufführungen finanzieren.
Um der Unterhaltung willen. Ich verstehe Fußball viel weniger, da kann ich trotz Fakten nix interpretieren. Sushi und Theater, Brot und Spiele, irgendwas muss man halt konsumieren, um gesellig zu sein.