Heute fand in Bochum die Auftaktpressekonferenz der Ruhrtriennale statt. Während die Veranstalter von der Ruhrtriennale begeistert sind, haben die Verbände der Jüdischen Gemeinden einen offenen Brief an Stefanie Carp, die Intendantin der Ruhrtriennale geschrieben.
Da saßen sie nun und stellten im Dampfgebläsehaus hinter der Jahrhunderthalle in Bochum das Programm der Eröffnungswoche der Ruhrtriennale vor, die am 9. August beginnt. Der Regisseur Omar Abusaada, Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp, Artiste associé Christoph Marthaler, die Bühnenbildnerin Anna Viebrock und der Dirigent Titus Engel sprachen über das Stück „The Head & The Load“, mit dem die Ruhrtriennale eröffnen wird und natürlich über die Marthaler-Inszenierung von Charlie Ives „Universe, Incomplete“, an dem noch so intensiv geprobt wird, dass Marthaler die Pressekonferenz nach einer guten Viertelstunde verließ.
Auch Schorsch Kamerun, Sänger der einst als Humor-Punker bekannt gewordenen Goldenen Zitronen („Für immer Punk“) gab ein kurzes Stelldichein und plauderte ein wenig über die Dortmunder Nordstadt und seine dort stattfindende Inszenierung „Nordstadt Phantasien/Club Kohleausstieg“.
Die Stimmung auf dem Podium war bis dahin trotz der hohen Temperaturen gut, alle lächelten viel, den Sponsoren wurde ausgiebig gedacht und eine Vertreterin der Bundeskunststiftung erklärte, wie begeistert sie vom diesjährigen Programm sei, das ihr noch begeisterungswürdiger erscheine als die Ruhrtriennale-Programme der Vergangenheit, die sie auch schon, man ahnt es, begeistert hätten.
Die anwesenden Vertreter der Medien waren weniger euphorisch. Keiner mochte dem Wunsch Carps folgen, Fragen zu den Stücken, Regisseuren oder Dirigenten zu stellen. Warum bei dieser Ruhrtriennale die großen Namen fehlten, wollte ein Redakteur der WAZ wissen und die Intendantin verwies auf Titus Engel, der ja bald ein ganz großer werden würde. Was man Herrn Engel natürlich von Herzen wünscht. Die Frage danach, welches Publikum die Ruhrtriennale erreichen wolle, wurde pragmatisch beantwortet: Realistisch sei der Mittelstand, der immer zu Kulturveranstaltungen komme, aber man hoffe mit Schorsch Kamerun auch die Menschen in der Dortmunder Nordstadt zu erreichen.
Aber dies waren Nebenfragen. Die meisten Journalisten wollten etwas zum Thema BDS, Young Fathers und Antisemitismus wissen. Als Reaktion auf die Debatte um diese Themen-Trias war kurzfristig eine Diskussionsveranstaltung am 18. August, dem Tag, an dem eigentlich die Young Fathers auftreten sollten, in das Programm aufgenommen worden.
Dann werden mit Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp Isabel Pfeiffer-Poensgen (Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen), Alain Platel (belgischer Choreograph und Theaterregisseur), Elliott Sharp (Komponist, Multi-Instrumentalist und Performer aus New York) und Michael Vesper (Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Ruhrtriennale) diskutieren. Moderiert wird die Veranstaltung von Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert.
Mit Elliott Sharp wird ein jüdischer Künstler auf dem Podium sitzen, allerdings einer, der die BDS-Kampagne unterstützt. Die meisten Juden und der Bundestag halten sie für antisemitisch, die Vernichtung Israels ist ihr Ziel. Warum es auf dem Podium nicht eine Jüdin oder einen Juden gäbe, der, wie die meisten, BDS gegenüber kritisch eingestellt ist? „Wir wollten“, sagte Carp, „den Kreis auf dem Podium auf Personen beschränken, die eng mit der Ruhrtriennale verbunden sind.“ Alles sei mit Norbert Lammert abgesprochen, andere Zusammensetzungen hätte man durchdacht und verworfen. Weitere Debatten seien sicher nötig, zum Beispiel mit Veranstaltern und Kuratoren.
Nur auf der Ruhrtriennale werden sie nicht stattfinden.
Und das Thema Free Speech? Ging es bei der Debatte, dem Streit um den Auftritt der Band Young Fathers, nicht um Antisemitismus und wie Veranstalter und Künstler mit der immer aggressiver auftretenden BDS-Kampagne umgehen sollten, die Auftritte von Musikern wie den Stranglers, Nick Cave und Radiohead in Israel verhindern will und Veranstaltungen von israelischen Wissenschaftlern an Universitäten stürmt, weil sie nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich gegen jeden Austausch und jede Diskussion kämpft? „Die Debatte fokussiert sich in dem Thema Free Speech“, sagt Carp und zeigt, dass sie nicht verstanden hat, worum es geht, oder, wahrscheinlicher, es nicht verstehen will. Kaum eine Bewegung in den westlichen Staaten kämpft so gegen die freie Rede wie die BDS-Kampagne (BDS steht für Boycott, Divestment and Sanctions). Niemand soll in Israel auftreten, kein jüdischer Israeli im Ausland diskutieren dürfen. Wer für die freie Rede ist, für Free Speech, muss gegen BDS und seine Unterstützer sein, weil sie Debatten und Austausch verhindern. Wer ihnen die Bühne freimacht, macht sie frei für eine antisemitische Zensurbewegung, die, und darin modernen Rechtsradikalen und anderen Schneeflöckchen gleich, beim geringsten Widerstand von Zensur redet. Und so ist es für BDS „Free Speech“, israelischen Juden den Mund zu verbieten und sie von Bühnen und aus Hörsälen zu vertreiben, aber Zensur, wenn man sagt, man möchte solch einer Politik, die sich gegen Freiheit und Debatte richtet, keine Bühne bieten. Diskursverschiebung nennt sich das und Carp macht sie im Sinne von BDS mit. Ein noch größeres Elend ist es allerdings, dass ein Norbert Lammert sich dafür hergibt, eine solche Veranstaltung auch noch zu moderieren. Eine Veranstaltung, auf deren Podium kein jüdischer Künstler sitzt, der für die Mehrheit der Juden und Israelis steht, eine Veranstaltung, welche die Diskursverschiebung des BDS übernimmt und so von dem eigentlichen Thema, Antisemitismus und Hass gegen Israel und Juden, ablenkt ist nichts anderes als ein Forum für den antisemitischen BDS.
Auf die Frage, wann sie ihren Posten als Ruhrtriennale-Intendantin räumt, sagte Carp übrigens gut gelaunt: „„Im Moment bin ich da.“
Die Verbände der jüdischen Gemeinden haben sich indes mit einem offenen Brief an Stefanie Carp gewandt. Sie werfen Carp vor den Termin so gelegt zu haben, das gläubige Juden an der Veranstaltung nicht teilnehmen können:
Mehr zu dem Thema auf den Ruhrbaronen:
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Mehr zu dem Thema in anderen Medien:
JNS: Confronting Germany’s mixed record on tackling BDS
Rheinische Post: Kommunikation mangelhaft
Rheinische Post: Ärger um Ruhrtriennale-Chefin
New Music Express: Young Fathers reinvited to German festival after being dropped for supporting pro-Palestinian group
Rheinische Post: Pop und der Israel-Boykott: Roger Waters frohlockt
The Guardian: Ruhrtriennale festival wrong to expel Young Fathers over support for Palestinian rights
Neue Osnabrücker Zeitung: Punktsieg für Populisten: Skandal um Ruhrtriennale
Rheinische Post: Eingeladen, ausgeladen, eingeladen: Young Fathers kommen trotzdem nicht zur Ruhrtriennale
taz: Peinliches Rumeiern
Jüdische Allgemeine: BDS: »Vehikel einer antisemitischen Kampagne
Zeit: Ruhrtriennale: Der Boykott vom Boykott vom Boykott
Tagesspiegel: Ruhrtriennale lädt Young Fathers trotz Antisemitismus-Vorwürfen wieder ein
Kölner Stadtanzeiger: Ruhrtriennale: Streit wegen Boykottaufruf
Rheinische Post: Ärger um Festival: Ruhrtriennale lädt umstrittene Band Young Fathers aus und wieder ein
Westfälische Rundschau: Kulturministerin rüffelt Ruhrtriennale wegen Young Fathers
Jüdische Allgemeine: Ruhrtriennale: Band nach Antisemitismus-Streit wieder eingeladen
Rheinische Post: Kulturfestival im Ruhrgebiet: Boykott-Aufruf: Künstler sagen der Ruhrtriennale ab
Jüdische Allgemeine: »Ruhrtriennale« : Musiker folgen Brian Enos Boykottaufruf
Rolling Stone: Young Fathers: Israelkritische Band von NRW-Festival ausgeladen
Welt: Antisemitische BDS-Kampagne: Young Fathers von Ruhrtriennale ausgeladen
Neue Osnabrücker Zeitung: Morgenland Festival Osnabrück: Wird die Party zum Politikum
Spex: Wegen BDS-Support: Ruhrtriennale lädt Young Fathers aus – Spex Magazin
Jerusalem Post: Germans Music Festival demands Band Young Fathers Reject BDS
Rheinische Post: Düsseldorf: Ärger um Konzert bei der Ruhrtriennale
Die linke Antisemitin Carp muss nicht zurücktreten – warum auch, sie steht doch, jetzt mit offiziellem Segen, in der Mitte der Gesellschaft.
Dass Lammert sich für sowas hergibt, ist eine Schande. Die anfänglich „scharfe“ Kritik von Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen hat sich in Wohlgefallen aufgelöst.
Herausgekommen ist also nochmal deutlich weniger als zu erwarten war. Das ist eine klare Niederlage für alle, die gehofft haben, dass den Antisemiten von heute Grenzen aufgezeigt werden.
Dass keine relevante Gruppe dagegen hält, ist niederschmetternd. Ich weiß momentan nicht, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
PS: Das Opener-Foto ist immerhin ein Lichtblick.
Ohne Worte! Was für ein mieser judenfeindlicher Spin der Ruhrtriennale
Wenn Lammert präsidieren oder moderieren kann, dann ist ihm wohl alles egal. Da bedingt offenbar Amt- Würdelosigkeit. Das wäscht kein Regen, nicht mal ein Antisemitismusbeauftragter weg. Es ist zum Knochenkotzen.
Warum lädt man, wenn es um die Freiheit der Kunst geht, die israelische Botschaft ein: Wird die Kunst in Israel misshandelt? Tatsächlich hat Carp die Botschaft Israels zur "Diskussion" eingeladen, berichten heute mehrere Zeitungen, und natürlich hat die Botschaft es abgelehnt, mit BDS-Agenten das Existenzrecht Israels zu verhandeln. Deutlich macht dies, dass es bei dieser Diskussion eben nicht, wie Carp jetzt behauptet, um die "Freiheit der Künste" gehe und dass doch jetzt auch mal Künstler sprechen sollen usw., sondern dass BDS von vorn herein eine Bühne geschaffen werden sollte: So hochrangige Gesprächspartner hatte noch kein BDS-Agent jemals. Und staatlich honoriert worden ist auch noch keiner zuvor.
Vielleicht sollten die Verbände der jüdischen Gemeinden auch Herrn Lammert einen offenen Brief schreiben?
"Vielleicht sollten die Verbände der jüdischen Gemeinden auch Herrn Lammert einen offenen Brief schreiben?"
Ja, das sollten sie.
Und wie ich Lammert einschätze, wird er spätestens darum einige bei dieser als gemütliche Runde gedachten Veranstaltung ins Schwitzen bringen.
Sollte nicht besser Herr Lammert ins Schwitzen geraten, ob seiner Moderation einer Veranstaltung von Israelhassern und Antisemiten?
@thomas weigle: Das sehe ich auch so. Lammert tut sich mit der Moderation keinen Gefallen.
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[…] das Podium, erklärte Carp, habe sie Künstler/innen gefragt, die “eng mit der Ruhrtriennale verbunden sind“. Gab es […]
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