Am 21. August beginnt die Ruhrtriennale. In ihrem zweiten Jahr als Intendantin gibt sich Stefanie Carp als Klassenkämpferin und hadert mit ihrer Rolle als Karl Moik des Bildungsbürgertstadls.
Es ist wieder soweit: Am 21. August beginnt mit der Ruhrtriennale der Musikantenstadl des Bildungsbürgertums. Intendantin Stefanie Carp gibt sich in diesem Jahr zerknirscht, ja klassenkämpferisch und hadert mit ihrer Arbeit als Intendantin, dem Kapitalismus, den sozialen Verhältnissen im Ruhrgebiet, ihrem Publikum und der Struktur der Ruhrtriennale.
Im Interview mit der Rheinischen Post gab Carp Weisheiten aus dem Poesiealbum der Kapitalismuskritik von sich. Die Demokratie, lässt uns die ehemalige Trotzkistin wissen, störe den Kapitalismus: „Man kann leichter Profite machen, wenn man Menschen unterdrückt und kontrolliert, statt ihnen Rechte zu geben. Das wussten schon die Nazis. Ich glaube, wir sind wieder auf einem ähnlichen Weg.“ Wohl um die Kapitalisten zu schwächen, zog Carp dann auch alle Register: Sie gewann die Innogy Stiftung, die Alfred Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, Wilo und das Modehaus Baltz als Sponsoren und schwächte so die Finanzkraft einiger Kapitalisten zumindest ein klein wenig. Linke Sprüche ohne jedes praktische Handeln gehören seit Jahrzehnten zum festen Repertoire von hochsubventionierten Kulturmachern. Das bildungsbürgerliche Publikum schätzt ein gewisses Maß an Radical Chic. Hätte sich die Ruhrtriennale unter der Leitung von Stefanie Carp und den über 13 Millionen Etat, die Land und Regionalverband Ruhr jedes Jahr für das Festival springen lassen, tatsächlich einem anderen Publikum geöffnet, die Begeisterung bei den Stammgästen, die Carp zurecht als „etabliertes Musiktheater-Publikum“ beschreibt, hielte sich wohl in Grenzen. Und bevor auch nur jemand denkt, auf Worte könnten Taten folgen, beruhigt Carp: „Es bräuchte einen viel längerfristigen Prozess, eine radikal andere Programmierung und eine andere Form von Intendanz, die vielleicht gar nicht Intendanz heißt.“
Zurecht wirft sie ein, dass es daran wohlmöglich auch kein politisches Interesse gäbe. Das ist natürlich richtig. Peter Landmann, der erste Geschäftsführer der Ruhrtriennale, erklärte in dem 2003 erschienen Buch „Kultur Kontrovers“, warum das Land das Festival wollte: „Die Landesregierung will Nordrhein-Westfalen durch ein eigenes, unmittelbares Engagement als Kulturland stärker profilieren. Sie hat bewusst dieses neue Projekt nicht in der Landeshauptstadt Düsseldorf oder im Schatten des berühmten Doms am Rhein, sondern im strukturschwachen Industriegebiet an Ruhr und Emscher angesiedelt.“
Die Ruhrtriennale war der Versuch, aus dem Mangel an Ideen zur Nutzung alter Industriegebäude das Beste zu machen: Ein Festival, mit dem sich das Ruhrgebiet und das Land Nordrhein-Westfalen profilieren sollten.
Genau für dieses Ziel, die Standortprofilierung, geben das Land, der Regionalverband Ruhr und die anderen Förderer das Geld der Steuerzahler aus. Die Ruhrtriennale unterscheidet sich damit sicher nicht von anderen Festivals. Es geht nicht in erster Linie um Kunst, es geht schon gar nicht darum, ein etablierter Kunst eher abholdes Publikum anzusprechen, sondern um die Nutzung von Kultur als Imagefaktor. Kaum zu glauben, dass Carp das beim ihrem Antritt als Intendantin nicht klar war, kaum zu glauben, dass sie sich damals auch nur die Bohne dafür interessierte. Die Bespaßung der Bourgeoisie ist nun einmal der Job von Intendanten und auch Carps plötzliches Erschrecken über die soziale Ungleichheit im Ruhrgebiet gehört in die Kategorie der Selbstdarstellung der linken und kritischen Intendantin. In Zürich, einer der früheren Stationen Carps, wird die soziale Kluft kaum geringer gewesen sein. Nur Arme, die gibt es im Ruhrgebiet sicher mehr – auch das ist keine überraschende Erkenntnis.
Ob es ein Zeichen für einen schleppenden Kartenvorverkauf ist, dass die Ruhrtriennale nun allen 15 Prozent Rabatt gewährt, die zwei ihrer Musikproduktionen buchen, werden wir erst wissen, wenn alle Zahlen veröffentlicht sind. Aber Radical Chic alleine scheint nicht besonders gut zu ziehen.
Danke für diesen Beitrag, er bringt es auf den Punkt. Diese altbackenen Sätze gegen den bösen Kapitalismus und Profit sind ein wohlklingender Evergreen und scheinbar wird es immer Menschen wie Carp geben, die Wasser predigen und Champagner süppeln. Ich persönlich bin der Meinung, dass es die höchsten Profite (wenn wir mal leidenschaftslos darüber reden) in freien Gesellschaften gibt, wo jeder selbst entscheidet, was und wieviel er kauft. Wenn man also den Kapitalismus für etwas grundlegend Schlechtes hält, wäre es am besten, ein totalitäres Regime zu errichten. So eine DDR zum Beispiel. Aber komisch, dass die Mehrheit der Ost-Deutschen diesen Mist nicht mehr haben wollte.
Irgendwann wird bestimmt auch Carp ihr bescheidenes Gehalt dankend ablehnen und umverteilen und sich mit etlichen Menschen im Ruhrgebiet solidarisieren-spätestens 2021. 😀
Um Kulturfördermittel abzugreifen, muss der Berwerbungszettel alle Schlagwörter im Vergabe-Bingo enthalten. Nur dann gibt es die tollen Feiern, bei denen sich eine kleine Gruppe selbst auf Kosten der Steuerzahler feiert.
Es bleibt zu hoffen, dass bei den Veranstaltungen in den nächsten Jahren eine größere Themenvielfalt jenseits des Fördermittel-Standard-Themen angeboten wird.
Frau Carpe sollte sich mal an die eigene Nase packen. Das sie keine breiteren Kreise erreicht, ist doch ihre eigene Schuld. Ihren Vorgängern ist das teilweise gut gelungen. In der Spielzeit von Jürgen Flimm beispielsweise war die Ruhrtriennale attraktiv für unterschiedliche Bevölkerungskreise des Reviers. Und auch ihr letzter Vorgänger hatte beispielsweise durch die Inszenierung der Premiere im Brennpunkt Stadtteil Dinslaken-Lohberg mit begleitenden Aktivitäten einen erfolgreichen Versuch unternommen. Intendantin Carpe dagegen ist gefangen in ihrem ideologischen Gedanken-Gestrüpp ohne eine Spur von Selbstkritik.
Wohlfühlklassenkampf derer, die viel haben. Aber Bildung….