Stefanie Carp wird Intendantin der Ruhrtriennale bleiben. Auch eine Ablösung nach der ersten Spielzeit im Herbst gilt als unwahrscheinlich – wenn es zu keinen neuen Zwischenfällen kommt.
Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp hat es geschafft: Sie hat eines der größten Kulturfestivals des Ruhrgebiets für die antisemitische BDS-Bewegung geöffnet, einen internationalen Skandal ausgelöst, wurde zum Darling der Israelhasser und behält trotzdem ihren Job. Hört man sich in Düsseldorf um, gibt es dafür eine Vielzahl von Gründen: Vor allem in den Kreisen des Regionalverbandes Ruhr und der Landtagsfraktionen von CDU und SPD war man zwar nicht damit einverstanden, dass Carp der Öffentlichkeit eine Ausladung der BDS-Band Young Fathers vorspielte und die Band dann erneut einlud. Auch Carps Auftritt vor dem Landtag, bei dem sie sich nicht von der BDS-Kampagne, deren Ziel die Isolation und letztendlich die Vernichtung Israels ist, nicht distanzieren wollte, aber die Sorge um die Ruhrtriennale überwog: Die startet am 9. August und ein Rauswurf Carps schien den Verantwortlichen zu riskant. Hinzu kam, hört man aus Kreisen der Landesregierung, dass der Druck fehlte: Nur die FDP forderte Carps Rauswurf, die SPD war dafür, sie erst einmal machen zu lassen. Die CDU empörte sich ein wenig und das wars. Die regional und lokal von den Politikern als wichtig angesehenen Medien WDR und WAZ ignorierten das Thema weitgehend und unterstützten damit Carp. Wer Neue Osnabrücker Zeitung oder die Rheinische Post las, erfuhr mehr über die Geschehnisse um die Ruhrtriennale als die WAZ-Leser. Um Druck zu machen, war dies der Politik im Land und an der Ruhr zu wenig. Dass Zeit, Welt, Spiegel, 3Sat, RTL, Jerusalem Post und viele andere berichteten und zum Teil Carps Rauswurf forderten, reichte ihnen nicht aus. WAZ und WDR sind Medienpartner der Ruhrtriennale – ein Deal, der sich für Stefanie Carp ausgezahlt hat. Nach einem Treffen mit NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen schluderte sie einen Brief an die Mitglieder des Kulturausschusses hin. Das reichte am Ende aus, um ihren Job zu retten.
Dass Carp, wie der WDR schreibt, im Herbst gehen muss, gilt in Düsseldorf als unwahrscheinlich. Wenn sie die erste Spielzeit der Ruhrtriennale ohne Skandale hinbekommt, wird sie wohl bleiben können, erfährt man, wenn man sich ein wenig umhört. Ob ihr das gelingt, bleibt abzuwarten: Ob die arabischen Musiker, die sich hinter den BDS stellten, oder die indische Fake-News-Queen Vandana Shiva, einst Wortführerin auf einem Tribunal gegen Israel – es treten genug Menschen bei der Ruhrtriennale auf, die die Botschaft der vergangenen Wochen verstanden haben werden: Die Ruhrtriennale duldet Antisemitismus und die NRW-Landesregierung und die Fraktionen im Landtag ducken sich zum größten Teil weg. Damit gehen sie ins Risiko: Für alles, was ab jetzt geschieht, tragen sie ebenso die Verantwortung wie Carp. Da nutzt es wenig, wenn viele Politiker, darunter auch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), wohl nicht zur Eröffnung der Show kommen wollen. Sie haben versagt, als es galt zu handeln.
Mehr zu dem Thema auf den Ruhrbaronen:
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Ruhrtriennale: Konzert der Young Fathers findet nicht statt
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Mehr zu dem Thema in anderen Medien:
Rheinische Post: Ärger um Ruhrtriennale-Chefin
New Music Express: Young Fathers reinvited to German festival after being dropped for supporting pro-Palestinian group
Rheinische Post: Pop und der Israel-Boykott: Roger Waters frohlockt
The Guardian: Ruhrtriennale festival wrong to expel Young Fathers over support for Palestinian rights
Neue Osnabrücker Zeitung: Punktsieg für Populisten: Skandal um Ruhrtriennale
Rheinische Post: Eingeladen, ausgeladen, eingeladen: Young Fathers kommen trotzdem nicht zur Ruhrtriennale
taz: Peinliches Rumeiern
Jüdische Allgemeine: BDS: »Vehikel einer antisemitischen Kampagne
Zeit: Ruhrtriennale: Der Boykott vom Boykott vom Boykott
Tagesspiegel: Ruhrtriennale lädt Young Fathers trotz Antisemitismus-Vorwürfen wieder ein
Kölner Stadtanzeiger: Ruhrtriennale: Streit wegen Boykottaufruf
Rheinische Post: Ärger um Festival: Ruhrtriennale lädt umstrittene Band Young Fathers aus und wieder ein
Westfälische Rundschau: Kulturministerin rüffelt Ruhrtriennale wegen Young Fathers
Jüdische Allgemeine: Ruhrtriennale: Band nach Antisemitismus-Streit wieder eingeladen
Rheinische Post: Kulturfestival im Ruhrgebiet: Boykott-Aufruf: Künstler sagen der Ruhrtriennale ab
Jüdische Allgemeine: »Ruhrtriennale« : Musiker folgen Brian Enos Boykottaufruf
Rolling Stone: Young Fathers: Israelkritische Band von NRW-Festival ausgeladen
Welt: Antisemitische BDS-Kampagne: Young Fathers von Ruhrtriennale ausgeladen
Neue Osnabrücker Zeitung: Morgenland Festival Osnabrück: Wird die Party zum Politikum
Spex: Wegen BDS-Support: Ruhrtriennale lädt Young Fathers aus – Spex Magazin
Jerusalem Post: Germans Music Festival demands Band Young Fathers Reject BDS
Rheinische Post: Düsseldorf: Ärger um Konzert bei der Ruhrtriennale
Sollte jemand erwartet haben, dass das anders läuft? Natürlich geht es in dieser Causa nicht um Inhalte – es geht um den schönen Schein, und ob Israel angepatzt wird oder nicht, ist in Deutschland traditionell egal, wenn es keinen Aufruhr verursacht – nur dann kommen ein paar halbgare Distanzierungen.
Demnach ist der Boykott jüdischer israelische Künstler in NRW eingeführt worden.
Juden raus aus der Ruhr-Triennale.
Antiapartheids-Land NRW?
Demokratie und Völker-Verständigung abgeschafft?
Ein treffender Artikel, der mir den Start in den Tag versaut hat.
Ich warte auf die nächsten Wahlen, wenn unsere Politiker dann wieder von ihrem Schwerpunkt Integration, Kampf gegen Diskriminierung von … berichten. Wann handeln diese Persone endlich?
Wir haben in Nrw jeden Tag Veranstaltungen, da wird sich doch wohl jemand finden, der diese Veranstaltung über die Ziellinie bringt.
Was für ein Armutszeugnis.
Zwei Ankündigungen: Im August werde sie, so Carp, eine Veranstaltung mit Norbert Lammert zum Thema machen; die CDU allerdings, so ihr Fraktionsvorsitzender jetzt lt WDR, werde die Ruhrtriennale boykottieren, sprich: sie "nicht besuchen". Und das eben ist, was BDS macht, sobald man die Tür aufmacht: Alle werden hinein gedreht in das Gespinst aus Märchen und Moral.
Und immer tiefer hinein gedreht: "Es wird eine Diskussion unter dem Titel 'Freiheit der Künste / Freedom of Speech' geben, zu der ich Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Seiten einlade", hat Carp jetzt auf nachtkritik.de angekündigt. BDS fällt unter Kunstfreiheit? De facto agiert Carp, vom Land entlohnt, als Kampagenchef des BDS.
#Thomas Wessel: Sie sind der Pfarrer an der Predigtkirche Hans Ehrenbergs? Danke für Ihr Engagement. Danke, dass Sie eine gute evangelische Tradition des Widerstandes gegen Judenhass und Totalitarismus weiterführen.
Von den Kirchenleitungen habe ich immer noch nichts gelesen. Es bleibt wohl wieder die Sache einzelner Christen den Anfängen zu wehren.
@Ines C. #5: Gibt schon was, dies hier vor allem – https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/2017_Antisemitismus_WEB.pdf – "Antisemitismus ist Gotteslästerung". Das ist schon was anderes anderes als, wie Carp es tut, die "Kunstfreiheit" anzurufen. Auch der Umweg über "Israelkritik" fällt der EKD-Erklärung zufolge unter Antisemitismus (kann man zumindest so lesen). Das Problem ist allerdings wie überall: Sobald es konkret wird, werden alle Antisemiten grau.
#Thomas Wessel: Ja über diese klare Position habe ich mich gefreut und in Gemeinde und Öffentlichkeit schon damit gearbeitet. Aber dann beobachtete ich, dass das "auf'm Platz" noch nicht angekommen ist, z.B. Rheinische Kirche Israel-Bashing zum 70jährigen Bestehen und Echo-Gate.
Hannes Leitlein hatte in Christ&Welt die Diskrepanz benannt.
Die Lippische Landeskirche etwa gibt beim "Talk der Religionen" ausgerechnet einem Milli Görus Sprecher eine Bühne – und in ihrer PM dann auch die Deutungshoheit in der Synagoge, statt die jüdische Stimme zu Wort kommen zu lassen. Da wäre ein Wort der NRW-Kirchen gegen die "Kauft nicht bei Juden"-Werbung der Ruhrtriennale ein Hinweis gewesen, wieviel "Antisemitismus ist Gotteslästerung" denn im Alltag wert ist.
In der Kirche kommen Leute genauso wie in der Politik aus den unterschiedlichsten Gründen auf Führungspositionen. Kongruenz zwischen Handeln und Sonntagsreden ist da höchstens ein nachrangiges Kriterium, im Zweifelsfall eher ein Karrierehindernis. Auch viele andere Mechanismen dürften ähnlich sein, ich denke da z. B. an Wegloben auf höhere Posten, wo die Person dann vermeidlich nicht mehr so viel Schaden anrichten kann.
Sich mit Antisemitismus auseinanderzusetzen ist im dt. Protestantismus mehr Pflicht als Überzeugung. Man darf sich da nicht blenden lassen durch Beschwören einer angeblichen jüdisch-christlichen Tradition. Die s. g. bekennende Kirche, die gerne als Ausdruck judentumsfreundlicher Tradition herangezogen wird, sollte man vor allem erst einmal als Bewegung zur Bewahrung kirchlicher Unabhängigkeit deuten, auch wenn der eine oder andere Vertreter aus Überzeugung gegen Antisemitismus engagiert war. Ich kann mich nicht erinnern, jemals von einem Fall gehört zu haben, in dem führende kirchenleitende Personen Juden versteckt haben und/oder zur Flucht verholfen haben.
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[…] ein Aufführung der Ruhrtriennale besuchen. Bereits Anfang Juli hatten die Ruhrbarone darüber berichtet, dass Laschet wahrscheinlich nicht zur Ruhrtriennale kommen wird. Ein bislang einmaliger Vorgang, […]