Ruhrtriennale: Kunst und Gesellschaft

Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp Foto: Edi Szekely/Ruhrtriennale 2018


Die Intendantin der Ruhrtriennale Stefanie Carp ließ letztes Jahr schon von sich hören. Damals lud sie Künstler ein, die den antisemitischen BDS unterstützten. Was sie nun in einem Interview mit dem WDR äußerte, setzt den Ekel, den sie hofierte, gelassen fort. Im weiteren Verlauf einige Anmerkungen zu den Aussagen, die sie lieber für sich behalten hätte. Das gesamte Interview lässt sich im Netz finden . Von unserem Gastautor Ioannis
 Dimopulos.

Fundament der Problematik, die in der Person Stefanie Carp artikuliert wird, ist eine verkürzte und im postmodernen Diskurs ertränkte These: Es gäbe nicht mehr viele Länder in Europa „die demokratisch zu nennen sind“. In diesem Zusammenhang wird Ungarn aufgeführt, welches nach Carp nur ein Paradigma der Erstarkung faschistisch-antidemokratischer Bestrebungen sei. Dies sei durch Nationalstaatlichkeit per se, die sie als Konstrukt „der weißen Rasse gegenüber Anderen“ bedingt, welche bereits konstitutiv Eigenschaften antiemanzipatorischer Praxis bediene und somit die Grundlagen zu einer Rückkehr in die Barbarei bedeute.

Vor allem ist der Spross, aus dem diese Idee stammt – der postmoderne Diskurs nämlich – eine Perspektive, die ein komplexes Problem auf einen Monismus reduziert und dies Dekonstruktion nennt. Die Auswüchse foucaultschem Denken manifestiert sich in Carps These in Form der Heteronomie des Subjekts im Spätkapitalismus, die jedoch die Verhältnisse falsch – und die Bestrebungen der Emanzipation negativ – deutet. Den Schein und die Symptomatik eines zugrundeliegenden Antagonismus nicht zu verstehen, dafür aber zu potenzieren bis das Symptom zur Totalität wird, ist der Mangel dieser Denkschule, welche dadurch eine Perspektive vitalisieren, die Georg Lukács bereits gegenüber dem Expressionismus monierte.

Die Reduktion von Staatlichkeit als Machtkonstrukt des „weißen Mannes“ verwischt dabei die Erkenntnis, dass der Staat Resultat der Konstitution des Privateigentums und dieses wiederum Resultat der Transformation des Mutterrechts zum Vaterrecht ist.[1] Es lässt jede differenzierte Auseinandersetzung mit den Bedingungen und der Ontologie des Rassismus verschwinden und setzt stattdessen die Abstraktion des „weißen Mannes“ – also der Doppelung der Signifikation von Rasse und Geschlecht.

Die Feindschaft gegenüber dem „Weißen“ und dem „Männlichen“ ist hierbei analog zu den reaktionären Argumentationsmustern der antiimperialistisch-antisemitischen Unterstützer des BDS und sonstiger Larmoyanten zu deuten, die gern und regelmäßig zur Legitimation terroristischer Akte unter anderem seitens der Hamas nutzbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang muss retrospektiv darauf hingewiesen werden, dass die Verteidigung der Einladung der Band „Young Fathers“ letztes Jahr nicht aus einem bürgerlich-liberalen Ideologem heraus passierte, sondern aus der im obskuren gehaltenen Unterstützung des antisemitischen BDS selbst, welche lediglich durch typische Argumente der Leute zu legitimieren versucht wurden, die sich hinter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit demokratischer Rechte bedienen um antiaufklärerische Positionen zu propagieren.

An Lächerlichkeit überbietet sich Carp nur noch dadurch selbst, dass sie „Differenziertheit in der Wahrnehmung“ ihrer Meinung fordert und die Praxis ihrer Kritiker indirekt als „dumm“ tituliert. Da verwundert es nicht, dass die Intendantin sich auch noch dadurch zu retten versucht, dass sie sich als „links“, aber „auf keinen Fall rechts“ bezeichnet. Verwundert ist man nur eben dann, wenn man sich fragt, wieso sie kurz nachdem sie die Bombe platzen lässt, die Notwendigkeit sieht sich gegen den Vorwurf ihrer eigenen Position durch das gefühlte Linkssein wappnen zu müssen.

In die skizzierte Richtung geht auch ihr Kunstbegriff und ihre Meinung zur ästhetischen Praxis. Auf der einen Seite nennt sie Kunst autonom, andererseits ist sie dann doch wieder Mittel des Politischen. Die Schwammigkeit ihres Kunstbegriffs und der Verortung der Kunst innerhalb eines gesellschaftlichen Zusammenhangs spricht hierbei für die doppelte Vereinnahmung der Kunst und die damit einhergehende Inflation des Ästhetischen zugunsten des Nichtspezifischen. Einerseits wird die Kunst als Mittel der Politik vereinnahmt – so finden wir es seit einiger Zeit tagtäglich vor – , andererseits vereinnahmt die Kunst, von der Carp spricht, das Politische und wird lediglich zum Ausdruck eines Verblendungszusammenhangs, wenn sie fordert, dass Kunst die Politik, aber dann nicht in einer „platten Form“ nutzbar machen sollte. Die Reduktion der Kunst auf ihren politischen Gehalt ist notwendigerweise antiemanzipatorisch.

Carp, die leider über die Ruhrtriennale verfügt, naturalisiert durch ihre Stellung eine Idee von Kunst mit, die sich nur in ihrer Verwertbarkeit zeigt. Bezüglich des Verhältnisses von Kunst und Gesellschaft möge sie doch lieber ein wenig Adorno lesen. In den Noten zur Literatur äußert Adorno am Beispiel Becketts die Möglichkeiten der Kunst als Widerstand gegen das Bestehende besonders gut. Denn hierin wird deutlich, dass die Kritik am Bestehenden nicht dadurch, dass man sie ausspricht, sondern allein durch die Form artikuliert werden kann.

„Ratio, vollends instrumentell geworden, bar der Selbstbesinnung und der auf das von ihr Entqualifizierte, muss nach dem Sinn fragen, den sie selber tilgte. In dem Stand aber, der zu dieser Frage nötigt, bleibt keine Antwort als das Nichts, das sie als reine Form bereits ist. Die geschichtliche Unausweichlichkeit dieser Absurdität lässt sie ontologisch erscheinen: das ist der Verblendungszusammenhang der Geschichte selbst. Becketts Drama durschlägt ihn. Der immanente Widerspruch des Absurden, der Unsinn, in dem Vernunft terminiert, öffnet emphatisch die Möglichkeit eines Wahren, das nicht einmal mehr gedacht werden kann. Es untergräbt den absoluten Anspruch dessen, was nun einmal so ist.“[2]

[1] Hierzu: Engels, Friedrich: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, in: Marx-Engels-Werke Band 21.

[2] Adorno, Theodor W.: „Versuch, das Endspiel zu verstehen“, in: Noten zur Literatur, S. 319.

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Nina
Nina
5 Jahre zuvor

Unerträglich dieser Mensch. Wann wird Carp endlich ihrer Funktion enthoben?
Wenn ihr die europäischen Demokratien nicht zusagen, warum probiert sie sich dann nicht außerhalb Europas aus? Bringen wir es doch mal auf den Punkt: Carp profitiert genau wie alle anderen hier (in Deutschland) von den Privilegien, die wir genießen.

Muckelmännchen
Muckelmännchen
5 Jahre zuvor

Zu #1

Soll dass heißen:

Fressen und Klappe halten!?

Dann gilt das doch auch für Sie, oder!? Wieso halten Sie sich dann nicht selber dran?

ke
ke
5 Jahre zuvor

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

ke
ke
5 Jahre zuvor

@1 Nina
Ich gehe davon aus, dass sie insbesondere wg. ihrer Ansichten und ihrer Themen ihre Position erreicht hat. Viele Themen/Aussagen sprechen wohl direkt die Vergabe-Instanzen an.

Gab es bspw. in letzter Zeit mal eine Kunstausstellung oder Aufführungen, die von technikgetriebenen positiven Zukunftsvisionen geprägt waren?

Nina
Nina
5 Jahre zuvor

@2: Männchen
Was das heissen soll? Das soll das heissen:
Unerträglich dieser Mensch. Wann wird Carp endlich ihrer Funktion enthoben?
Wenn ihr die europäischen Demokratien nicht zusagen, warum probiert sie sich dann nicht außerhalb Europas aus? Bringen wir es doch mal auf den Punkt: Carp profitiert genau wie alle anderen hier (in Deutschland) von den Privilegien, die wir genießen.

abraxasrgb
abraxasrgb
5 Jahre zuvor

Quintessentiell ist es doch einfach: Linke haben Dialektik nicht verstanden 😉

Absurder geht es eigentlich nicht, aber die logische Konklusion: "Links" ist keine politische Position, "Links" ist eine – unfreiwillig komische – absurde soziale Performance.

Vielleicht überlebt "Links" ja im Refugium der Kunst.

Peter Mohr
Peter Mohr
5 Jahre zuvor

Danke für diese Realsatire. Ich hoffe, dass wenigstens der Autor seinen Text versteht. MfG ein Freund der klaren und verständlichen Sprache.
@5: Nina
Die Argumentation erinnert mich an die 1970er/1980er: wenn es dir hier nicht passt, dann geh doch nach drüben = frühere DDR

Gerd
Gerd
5 Jahre zuvor

Nationalstaatlichkeit als Konstrukt „der weißen Rasse gegenüber Anderen“

Und wie erklären ich dann nichtweiße Nationalstaaten? Oder erklärt welche Logik auch immer sie abwendet sagen wir mal Chinesen zu Weißen?

Helmut Junge
Helmut Junge
5 Jahre zuvor

, um Linke, die sich heutzutage Gedanken um die Dialektik machen, ist es tatsächlich sehr einsam geworden.
Und sie zu verstehen muß hart geübt werden.

Marius W.
Marius W.
5 Jahre zuvor

Ich denke, dass die Frau Carp ja eher nachplappert was gerade en vogue ist. Sie als links zu sehen würde ich eher verneinen. Dialektik kann man nämlich auch als Linker recht gut verstehen. Diese dämliche Reduktion der postmodernen Denkerschule ist eher als – qua politischer Unfähigkeit – unpolitisch-pseudokritisch zu deuten.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
5 Jahre zuvor

"Die Argumentation erinnert mich an die 1970er/1980er: wenn es dir hier nicht passt, dann geh doch nach drüben = frühere DDR"
Jo vielleicht, mich erinnert es aber, zutreffend erkennend eher an all die Möchtegern-Revolutionäre, die ein Pöstchen mit Versorgungs- und Pensionsanspruch anstrebten. Das ist die laktoseintolerante Linke aus Cappuccino-Kommunisten und Schampus-Sozialisten, die sich in der eigenen, selbstverliebten Beschränktheit suhlt und alles dafür tut, daß die eigenen Privilegien nicht angetastet werden.

genderrevolt
genderrevolt
5 Jahre zuvor

Warum lese ich zu diesem Skandal nichts in anderen Medien? Könnten einige Aktivist*innen nicht einmal offene Briefe an die Landtags- und RVR-Fraktionen schicken?

antiandi
antiandi
5 Jahre zuvor

Vielleicht, weil einfach kein Skandal existiert?

walter-stach
walter-stach
5 Jahre zuvor

-13-
Skandale werden gemacht.
Wie?
Heute primär über die sog. (a) sozialen Netze.
Warum?
Da gilt es, in jedem Einzelfall über die Interessen der Skandal-Macher nachzudenken und wenn "man "meint, diese entdeckt zu haben, dann kann "man" das stillschweigend zur Kenntnis nehmen oder sich mit ihnen -den Skandal-Machern, ihren Interessen/Motiven- auseinandersetzen. Solange Letzteres funktioniert, darf "man" den Skandalmachern zu ihrem Erfolg gratulieren.

Also..
Weiter so oder…..? Das ist jedermann freigestellt.

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