Ruhrtriennale: Young Fathers lehnen Einladung ab

Young Fathers Foto: Ash link Lizenz: CC BY 3.0

Die britische Band Young Fathers wird trotz Einladung von Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp nicht in Bochum auftreten. Das meldet die Rheinische Post. Carp hatte die Band für das Festival gebucht, dann wegen ihrer Anhängerschaft zur antisemitischen BDS-Kampagne ausgeladen und gestern dann doch wieder eingeladen: Die Intendantin war vor der BDS-Kampagne eingeknickt.

Damit hat sich Carp als rückgratlos und mit der Leitung eines Festivals der Größe der Ruhrtriennale disqualifiziert. Alles rumgeeier war umsonst – Carp hat sich schlicht blamiert. Alleine schon ihre „Erklärungen“ zeugten davon, dass weder sie noch ihre Mitarbeiter sich mit dem Thema BDS auseinandergesetzt haben. Aber Carps Welt, die aus ominösen Narrativen besteht, die alle gleichberechtigt nebeneinander stehen, wird so etwas offenbar für unnötig gehalten.

Nein, BDS hat sich nicht zum Ziel genommen, die israelische Regierung zu kritisieren. Das machen viele Israelis jeden Tag, dafür brauchen sie keine Unterstützung von Roger Waters. Das Ziel der BDS-Kampagne ist die Vernichtung Israels. Das Mittel ist die kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Isolierung, welche die Vernichtung des Staates erleichtern soll. BDS geht es um das Recht auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge. 700.000 Palästinenser flohen bei der Gründung Israel, ungefähr die selbe Zahl von Juden wurde damals aus den arabischen Staaten vertrieben. Heute gibt es 7 Millionen palästinensische  Flüchtlinge, denn der Status ist, weltweit einzigartig, vererbbar.  Sogar  Leser und jede Leserin dieses Textes kann palästinensischer Flüchtling werden – zum Beispiel durch Adoption.

Wer für das Rückkehrrecht aller sieben Millionen angeblichen Flüchtlinge in ein Land mit acht Millionen Einwohnern ist, will es vernichten. Er nennt es nur nicht so, damit es nicht offenkundig ist und Antisemiten in aller Welt das Gefühl haben, auf diesen Weg ihren Judenhass ausleben und dabei auch noch gut fühlen zu können.

Carp und ihr Team haben das nicht verstanden, wollten das nicht verstehen und konnten es vielleicht auch nicht verstehen. Sie und ihr Team sollten schnell den Weg frei machen für eine Ruhrtriennale-Spitze, deren herausragendste Eigenschaft nicht  intellektuelle Schlichtheit ist.

Update:

Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Bernd Petelkau hat sich zu dem Fall geäussert:

„Künstlerische Freiheit darf nicht als Deckmantel für politische Diskriminierung missbraucht werden. Die Band Young Fathers erneut zur Ruhrtriennale einzuladen ist eine fatale Entscheidung und ein problematisches Zeichen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Band von sich aus jetzt nicht zur Ruhrtriennale kommen wird. Wir als CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen stellen uns entschieden gegen jede Form von Diskriminierung. In der vergangenen Woche haben wir einen Antrag zur Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten beschlossen, weil wir Antisemitismus, egal in welcher Form nicht hinnehmen, sondern bekämpfen werden. Deswegen sind wir der Ansicht, dass eine politische Band, die den Boykott Israels fordert auf diesem renommierten Festival in Nordrhein-Westfalen nicht auftreten sollte.“

Offener Brief an Stefanie Carp von: Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein K.d.ö.R., Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.ö.R., Synagogen-Gemeinde Köln K.d.ö.R., Landesverband der Progressiven Jüdischen Gemeinden von NRW e.V.:

Sehr geehrte Frau Carp,
mit großer Verwunderung haben wir Ihre nunmehr dritte Presseinformation zu einem möglichen Auftritt der britischen Band „Young Fathers“ zur Kenntnis genommen. Darin teilen

Sie mit, dass Sie die Musiker nun doch wieder einladen im Programm der Ruhrtriennale aufzutreten.
Diese Entscheidung bedauern wir. Besonders schwerwiegend empfinden wir die Tatsache, dass
Ihre Unentschlossenheit grundlegende Unwissenheit um den Begriff des Antisemitismus und Fakten des Nahostkonflikts offenbart. Sie behaupten von zwei „Kampagnen“ unter Druck gesetzt zu werden. Damit setzen Sie die Meinung der Landesregierung des Landes Nordrhein Westfalen, die sich ganz klar gegen Ihre Entscheidung positioniert hat, und die kritischen Stimmen gegen Ihren Umgang mit der Situation mit der BDS-Kampagne gleich. Sie möchten es sich bequem machen, indem Sie sich die „Haltung“ erlauben wollen, sich von beiden Seiten zu befreien und die Band „Young Fathers“ unabhängig von deren eindeutiger Positionierung zum BDS einladen zu dürfen.

Sie möchten dabei den Versuch unternehmen, die Musik der Band von der Einstellung der Musiker zu trennen. Dies zeugt von einer Naivität, die eines Festivals von der Größe, Popularität und Reichweite der Ruhrtriennale nicht würdig ist. Unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit betrachten Sie den Boykott und aktive Aufrufe des BDS, israelische Künstlerinnen und Künstler weltweit nicht auftreten zu lassen, als „Narrative“ und „Perspektiven“, die gehört werden sollten.

Damit legitimieren Sie nicht nur Antisemitismus, sondern verharmlosen auch noch die Kräfte, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Das ist kein Feuilleton-Thema, bei dem wir unterschiedlicher Meinung sein können. Wäre es Ihnen wirklich um einen Dialog gegangen, hätten Sie sich um Künstler von beiden Seiten bemüht, anstatt sich als Vehikel einer antisemitischen Kampagne ausnutzen zu lassen.

Es ist mehr als erstaunlich, dass Sie als Intendantin der Ruhrtriennale über Ihre künstlerische Tätigkeit hinaus Zeit finden, sich offenbar als Expertin zum Thema Antisemitismus zu betätigen. In Ihrer Pressemitteilung schreiben Sie, dass aus Ihrer „Sicht die Kritik an der derzeitigen Politik […] des Staates Israel nicht automatsch antisemitisch ist“. Die EU hat eine Arbeitsdefinition zum Antisemitismus beschlossen, die Ihnen auf der Suche nach Ihrer „Sicht“ in Zukunft sicherlich weiterhelfen kann. Darin steht u.a. geschrieben, dass „Antisemitismus [sich] gegenüber dem Staat Israel in seinem umfassenden Kontext manifestieren“ kann. Z.B. durch die „Anwendung doppelter Standards, indem an Israel Verhaltensansprüche gestellt werden, die von keiner anderen demokratischen Nation erwartet oder gefordert werden“. Das und zahlreiche weitere Aussagen machen die BDS-Bewegung zu einer antisemitischen Kampagne und jeder, der sich darin engagiert, muss mit Widerworten und Gegenreaktionen rechnen. Antisemitismus ist keine Meinung, kein „Narrativ“ und keine „Perspektive“. Von Ihnen – gerade „als Deutsche“ – hätten wir uns als Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in NRW mehr Sensibilität und Weitsicht in dieser Situation gewünscht. Als Intendantin der Ruhrtriennale ist Ihr Publikum auch die
Bevölkerung des Ruhrgebiets und des Landes Nordrhein-Westfalen.

Das Land mit der größten internationalen Vielfalt und der größten jüdischen Bevölkerung bundesweit.
Ausgrenzung, Antisemitismus und Rassismus haben hier keinen Platz. Wir appellieren an Sie, dies in Zukunft mit entsprechender Rücksicht zu behandeln und Ihre Entscheidung vom
21. Juni 2018 erneut zurückzunehmen.
Wir begrüßen die schnelle und unmissverständliche Positionierung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft gegen jegliche Unterstützung von BDS und gegen Antisemitismus jeder Form.

 

SPD-Landtagsfraktion:

Ruhrtriennale hat Besseres verdient
Angesichts der Entscheidung, die Band Young Fathers wieder bei der Ruhrtriennale einzuladen, erklären Elisabeth Müller-Witt, Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW im Hauptausschuss, und Andreas Bialas, kulturpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion:

Elisabeth Müller-Witt: „Ich bin höchst irritiert von dieser Entscheidung. In der letzten Woche hat der Landtag die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten beschlossen. Mit Erleichterung haben wir dementsprechend die in der letzten Woche erfolgte Absage des Konzerts der Band durch die Intendantin der Ruhrtriennale zur Kenntnis genommen. Nun die Kehrtwende: Auch wenn laut Intendantin Stefanie Carp‚ ‚die Band eingeladen wird und nicht die israelfeindliche BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions)‘, ist es doch ein falsches Signal.“

Andreas Bialas: „Ich bin mir sicher, dass sich Intendantin Stefanie Carp umfassende Gedanken gemacht hat und ihr diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Wir bevorzugen aber dennoch klare Botschaften. Bei einer renommierten Veranstaltungsreihe wie der Ruhrtriennale, die schließlich auch aus öffentlichen Geldern finanziert wird, hätten wir ein anderes Vorgehen begrüßt.“

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Robin Patzwaldt
Editor
6 Jahre zuvor

Hat sich eigentlich schon jemand die Filmrechte an dieser Geschichte gesichert? Frage für einen Freund… 😉

Thorsten Stumm
6 Jahre zuvor

Das kommt dabei raus, wenn linksliberaler Kulturrelativismus auf organisierten Antisemitismus trifft….

Arnold Voss
6 Jahre zuvor

Allein der so angerichtete Schaden für die Ruhrtrienale macht einen Leitungswechsel unabdingbar notwendig.

Thomas Wessel
Thomas Wessel
6 Jahre zuvor

Der Skandal im Skandal: dass sich die Intendantin auf die Freiheit der Kunst berufen hat, um mitzuteilen, dass sie – jetzt mit bestem Wissen – eine BDS-Band „einladen möchte“.

Seitdem sie das erklärt hat, geht es nicht mehr um Ungeschicktheit, seitdem schickt eine Festivalleitung sich an, Antisemitismus als Kunst und Judenhass als Freiheit zu inszenieren. Und umgekehrt: Die Freiheit der Kunst zum „Narrativ“ für Judenhass zu machen.

Man wird die Ruhrtriennale vor ihrer Intendantin schützen müssen.

Robert Niedermeier
6 Jahre zuvor

Wenn ich mit Stefan Laurin einer Meinung bin, dann gefriert die Hölle zu, Der Zeitpunkt ist erreicht.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Jetzt steht Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp wohl ziemlich neben den Schlappen im Rampenlicht. Das wird so in Erinnerung bleiben, man wird auf sie achten, und beim nächsten Fehler ist sie weg.
Vielleicht sogar eher.

discipulussenecae
discipulussenecae
6 Jahre zuvor

#6: Hoffentlich eher …

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