Nach der kommenden Kommunalwahl wird der Regionalverband Ruhr die Regionalplanung für das Ruhrgebiet zurückerhalten – und damit künftig über sehr viel Geld zu entscheiden haben.
Haus des Ruhrgebiets Foto: RVR
1920 war ein gutes Jahr für das Ruhrgebiet. Der Siedlungsverband Ruhr, der Vorläufer des Kommunalverbandes Ruhrgebiet und des heutigen Regionalverbandes Ruhr, wurde damals gegründet, um endlich für das bis dahin wild vor sich hin wuchernde Ruhrgebiet eine gemeinsame Planung zu organisieren. In den Jahren davor dauerte eine Fahrt von Essen nach Bochum Stunden, weil niemand es für nötig hielt, über die Grenzen der schon damals existierenden Regierungspräsidien hinweg für das Ruhrgebiet als Ganzes zu planen. Auch um den Erhalt der Grünflächen kümmerte sich niemand. Fabriken und Siedlungen entstanden auch Gutdünken und so war es eine der wichtigsten Aufgaben des SVR, für die Menschen im Ruhrgebiet Freiräume zu schaffen.
Das tat der SVR von da an über 40 Jahren so erfolgreich, dass er lange Zeit als weltweites Vorbild für die Planung und Organisation eines großen Ballungsgebietes galt. In den Jahren nach seiner Gründung erarbeitete der Siedlungsverband unter der Führung seines ersten Vorsitzenden Robert Schmidt kommunale Wirtschaftspläne aus, begann mit dem Ausbau des Straßennetzes und machte Vorschläge zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. 1925 begann der Verband schließlich einen Verbandsgrünflächenplan aufzustellen, der 37 Prozent des Verbandsgebietes umfasste. Die dort aufgeführten Flächen waren von nun an geschützt und durften nicht ohne Zustimmung des Verbandes bebaut werden.
Argwöhnisch beobachteten sowohl die Regierungsbezirke, als auch die Provinzen und die Bürgermeister der Verbandsstädte die Aktivitäten des Verbandes. Immer wieder war bereits in den 20er Jahren die Forderung, aus dem Ruhrgebiet eine Stadt zu machen, laut geworden. Vorbild dieser Ideen war Groß-Berlin, das 1920 aus Alt-Berlin und sieben weiteren Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken gebildet und in 20 Bezirke eingeteilt wurde. Doch weder der erste Verbandsdirektor der SVR, Robert Schmidt, noch die preußische Regierung wagten einen solchen Schritt – zu groß war schon damals die Macht der Besitzstandswahrer, zu schwach das Ruhrgebiet, um seine Interessen durchzusetzen.
Seit Mitte der 60er Jahre gewannen allerdings die Kräfte im Land, die den SVR abschaffen wollten. 1975 setzten sie sich im Landtag durch. Dem SVR wurden die Kompetenzen zur Landesplanung entzogen. Dem SVR, der seit Jahrzehnten planerische Kompetenz erworben hatte war damit seiner wichtigsten Kompetenzen beraubt worden.
1979 kam dann das Ende: Der Landtag beschloss die Auflösung des SVR und die Gründung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet. Der war nun, wie es der neue Verbandsdirektor des KVR, Prof. Jürgen Gramke in einem WDR Interview formulierte ein „reinrassiges kommunales Instrument ohne staatliche Aufgaben.“ Was da so positiv von Gramke formuliert wurde, war ein Desaster für das Ruhrgebiet. Die Planung für das größte Ballungsgebiet Deutschlands lag seitdem bei Gremien, die von Politikern dominiert wurden, deren Heimatstädte oft weniger Einwohner hatten als eine große Kneipe im Ruhrgebiet des Nächtens trunkene Besucher.
Das wird sich nach der Kommunalwahl im kommenden Jahr ändern. Die Landesregierung hat dem RVR die Regionalplanung zurückgegeben. Künftig dürfen sich die Regionalparlamente bei den Regierungspräsidien in Arnsberg und Münster um Wege für den lokalen Gülletransport kümmern – aus der Verkehrsplanung einer 5 Millionen Region sind sie raus.
Insgesamt elf Bereiche werden es sein, bei denen in Zukunft kein Weg mehr am RVR vorbei führen wird: Über Städtebau, Wohnungsbau, Schul- und Sportstättenbau, Krankenhausbau, Verkehr, Freizeit- und Erholungswesen, Landschaftspflege, Wasserwirtschaft, Abfallbeseitigung und Altlasten, Kultur und Tourismus wird künftig auch im Ruhrparlament entschieden. Der RVR wird allerdings, eine eindeutige Inkonsequenz der Landesregierung, nicht die Fachplanung erhalten. Die bleibt bei den Regierungspräsidien, was zu Reibungsverlusten führen dürfte –allerdings wird der RVR nach Jahrzehnte der weitgehenden Bedeutungslosigkeit einige Zeit brauchen, um an die Leistungsfähigkeit der 60er Jahren anzuknüpfen. Allzu viel Dynamik strahlt die Behörde mit Sitz im Haus des Ruhrgebiets nun wirklich nicht aus. Eine neue Kultur muss da entstehen, schade, dass im Augenblick mit Heinz-Dieter Klink der schwächste Chef aller Zeiten zu einem Zeitpunkt dort das sagen hat, wo jemand mit Initiative, Ideen und Tatkraft gefragt wäre. Nicht wenige Sozialdemokraten bereuen mittlerweile in Hintergrundgesprächen seine Wahl.
Was der RVR in all diesen Punkten künftig leisten wird ist eine grobe Rahmenplanung, deren Details weiterhin in den Städten ausgearbeitet werden. Der RVR wird dafür sorgen, dass sich der Blick der Planer verändern wird. Es wird ein Blick auf das gesamte Ruhrgebiet sein, der sich in den Regionalpräsidien in den über 30 Jahren, in denen dort für das Ruhrgebiet geplant wurde, nie entwickelt hat.
Beispiel Verkehr: Die Regierungspräsidien stellen einen Gesamtverkehrsplan für ihre Teilräume auf, zu denen bislang immer nur einige Bereiche, aber nie das Ruhrgebiet als Ganzes gehört. Neue Verkehrsprojekte werden danach beurteilt, ob sie innerhalb dieser Teilräume die Verkehrssituation verbessern. Da eine bessere Nahverkehrsanbindung Gladbecks (Regierungspräsidium Münster) an sein natürliches Oberzentrum Essen (Regierungspräsidium Düsseldorf) weder die Verkehrssituation im RP-Münster noch im RP-Düsseldorf verbessert, haben solche Projekte kaum eine Chance. Dass sie die Situation ZWISCHEN Gladbeck und Essen verbessern kann auf diesem Weg noch nicht einmal erkannt werden. Solche Verbindungen sind blinde Flecken aus der Sicht der Regierungspräsidien. Das wird sich künftig ändern, wenn im RVR die Region als Ganzes gesehen und Projekte nach ihrer Bedeutung für das Ruhrgebiet hin beurteilt werden. Dieser neue regionale Blick wird künftig für viele Bereiche gelten. Welche Krankenhäuser werden vorrangig ausgebaut? Wo werden neue Schulen errichtet? Die Grenzen von Städten und Regierungspräsidien spielen dabei künftig eine immer geringere Rolle. Das Ruhregbiet wird zusammen wachsen können. Der RVR wird die Projekte der Städte nach ihrer Bedeutung für die Region ordnen und diese Empfehlung, wie bislang die RPs, an das Land weiter leiten, dass in der Regel diesen Empfehlungen folgen wird. Im Laufe der Jahre wird damit der regionale Blick auch ein ganz normaler Bestandteiler der städtischen Planung werden.
Bleibt zu hoffen, dass der RVR dieser Aufgabe gerecht wird. Über Klink habe ich schon genug geschrieben, aber auch der Planungsdezernent Thomas Rommelspacher (Grüne) könnte ein Problem werden. Er stößt bei den Planern der Städte auf ein Maß an Ablehnung, dass rational kaum noch nachvollziehbar ist. Da herrscht offensichtlich noch ein großer Kommunikationsbedarf – oder aber die lokalen Planer sind einfach nur auf der Suche nach einem Buhmann. Überraschen würde auch das nicht.
Wer mag schon jemanden, der einem die Kompetenzen beschneidet, bzw. beschneiden wird. Insofern ist das Verhalten der kommunalen Planer keineswegs irrational. Rational ist es allerdings auch nicht, denn in ihrer eigenen Stadt gilt jeweils sehr wohl das Prinzip Gesamtstadt vor Stadtteil. Da sind sie es aber selbst, die für den übegeordneten Zusammenhang sorgen, sprich hier haben sie selbst die Rolle inne die sie Rommelspacher auf höherer Ebene partout nicht zugestehen bzw. zutrauen wollen oder können.
Hinzu kommt, dass sich gerade in der Planung eine freiwillige Kooperation „von unten“ entwickelt hat. Leider aber nicht für das gesamte Ruhrgebiet und teilweise sogar konkurrierend bis unabgestimmt, wenn man z.B. die interkommunalen Planung für das Ruhr- und das Emschertal anschaut. Im Emschertal selbst konkurrieren obendrein auf fast gleichem Plangebiet gleich drei Masterpläne miteinander.
Das gesamte Planungssystem Ruhr ist (nicht nur in diesen Bereichen)hochgradig irrational und bedarf dringend der räumlichen und politischen Integration. Diese kann, da es dabei eben nicht immer Win-Win-Situationen zwischen den einzelnen Teilflächen geben kann, natürlich nicht nur von unten geschehen.Die Letztentscheidung in zwischenkommunalen Konfliktfällen kann nur auf der nächste höheren Ebene liegen.Erst recht die Bestimmung der übergeordneten Ziele und Bedarfe.
Ist doch klar, dass das den kommunalen Planungsvertetern nicht immer passen wird. Großer Kommunikationsbedarf ist schon von daher gegeben. Zugleich ist dafür auch großes Kommunikationstalent erforderlich.Da gilt es auf beiden Seiten wohl noch eine Menge zu lernen respektive zu verlernen.