Bochum hat 2,2 Millionen seiner RWE-Aktien verkauft und dafür 33 Millionen Euro eingenommen. 2008 hatte die CDU beantragt, das Bochum wie Gelsenkirchen oder Düsseldorf seine RWE-Anteile verkaufen solle. Die Union konnte sich damals bei SPD und Grünen nicht durchsetzen. Thomas Eiskirch (SPD), damals Landtagsabgeordneter und heute Oberbürgermeister Bochums, war von der Idee der CDU entsetzt: „Es ist mir völlig unverständlich, wie man so über einen Verkauf von Anteilen von RWE nachdenken kann. Dies zeigt ein völlig falsches Verständnis von nachhaltiger Wirtschafts- und Energiepolitik.“
2008 bekam man für eine RWE-Aktie um die 100 Euro – heute sieht das etwas anders aus, berichtet die WAZ:
„2,2 Millionen des 6,6 Millionen RWE-Aktien umfassenden Pakets wurden gestern an der Frankfurter Wertpapierbörse verkauft. Der Kurs variierte zwischen 15 Euro und 15,65 Euro. Insgesamt wurden mehr als 33 Millionen Euro eingenommen. Abzüglich des Buchwerts pro Aktie (10,11 Euro) und der Provision, die das mit der Transaktion beauftragt Geldinstitut erhält, dürfte der Gewinn der ersten Verkaufstranche bei etwa 11 Millionen Euro liegen.“
Bochum hat also statt 222 nur 33 Millionen eingenommen. Und nur gut 11 Millionen Gewinn erzielt.
Super, diese kommunalen Wirtschaftskapitäne! Genossen und Grüne verpassen mit dem Verkauf der Aktien zunächst die beste Gelegenheit zur Entschuldung der Pleitestädte, dann bejubelt man den Atomausstieg und subventioniert grüne Energie auf "Deibel" komm raus (Die astronomische Zeche bezahlt ja eh der dumme Verbraucher und seine Enkel), damit das Geschäftsmodell der Energieriesen, deren Eigentümer man ja ist, fast wertlos wird. Anschließend nimmt man einen dicken Kredit auf und kauft die STEAG, die ebenso ein wertloses Geschäftsmodell betreibt und stellt plötzlich fest, daß auch diese Kohle in Kraftwerksasche verwandelt wird. Boah ey, sind die schlau….
Glückauf sacht Franz Przechowski
Und die anderen Städte wie Essen und Mülheim halten die Aktien bis zum bitteren Ende – das ist noch schlimmer! Vom Steag-Deal mal zu schweigen…
Wer konnte auch ahnen, dass die RWE so ein Versagerhaufen ist.
War er nicht der ehemalige Zögling von Karl Steinhard (SPD/Vestische Straßenbahn-Herten) und anschließend eng verbunden mit Willi Wessel "Ehrenbürger von Herten" , dann auch Chef der Stadtwerke Bochum. Aufsehen hatte er dann erlangt in seiner Funktion als Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum und er stand im Rahmen der Atrium-Talk Affäre um das Rednerhonorar von 25.000 Euro für die Teilnahme von Peer Steinbrück am Atriumtalk, einer Veranstaltung der Stadtwerke im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit, in der öffentlichen Kritik. In diesem Zusammenhang erklärte er vor dem Rat der Stadt Bochum am 9. November 2012, es habe Versäumnisse von seiner Seite gegeben und entschuldige sich hierfür. Ergo ist das jetzige Ergebnis wohl kein Zufallstreffer
Welche Dividende hat denn die Stadt Bochum seit 2008 auf die gehaltenen Aktien erhalten?
Wenn die Stadt Bochum 2008 die Aktien verkauft hätte, wie hoch wäre der tatsächliche Gewinn für die Stadt abzüglich des Buchwerts und der Provision für Geldinstitute, die den Verkauf abgewickelt hätten, gewesen?
Nur unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte lässt sich einschätzen, ob man 2008 besser hätte verkaufen sollen.
@Jürgen: Dann machen wir die Rechnung noch etwas komplizierter: Die Stadt hätte Schulden abbauen können wie Düsseldorf und damit Zinsen gespart und die finanzielle Eigenständigkeit bewahren können, die sie ja Zeitweilig verloren hatte. Welchen Wert haben Gestaltungsspielräume und Unabhängigkeit?
An der Börse wird leider zum Aussteigen nicht geläutet. RWE-Aktien galten nun mal auch vielerorts als "kommunales Familiensilber", dass keinesfalls veräußert werden soll. Wenn ich das recht erinnere, habe ich auch mal im Gütersloher Kreistag entsprechend abgestimmt, 92 oder 93.
#6 Stefan Laurin
Nicht ausweichen und einen Nebenkriegsschauplatz eröffnen. In dem Ursprungsartikel wird im letzten Satz ausdrücklich auf einen Gewinn von "nur gut 11 Millionen" EUR verweisen. Auch in dem Artikel der WAZ wird darauf nicht eingegangen, sondern letztlich nur ein möglicher Höchstbetrag dem nun sehr klein gerechneten Betrag gegenübergestellt. Korrekt ist das nicht, sondern zielt aus meiner Sicht einzig darauf ab, Stimmung zu machen.
Abgesehen davon, hat Düsseldorf heute wirklich finanziellen Spielraum? Ist die Stadt schuldenfrei: http://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/duesseldorf-kredit-verschuldung-messe100.html?
@Jürgen: Düsseldorf was so lange schuldenfrei bis der neue OB (SPD) beschloss, wieder mehr Schulden zu machen. Den wirtschaftlichen Spielraum nutzte die Stadt übrigens unter anderem dafür Kitaplätze kostenlos anzubieten. Zum Gewinn: Das ist eine Frage der Haushaltsführung: Sie haben eine Besitz in den Büchern – wie die Aktien – mit einem gewissen Wert angegeben. Lange standen da in Bochum Werte für RWE-Aktien, die nicht mehr realistisch waren. Nun werden die Aktien verkauft: Sie verschwinden aus den Büchern, denn sie gehören nicht mehr der Stadt. Die Differenz zwischen diesem Buchwert und den Einnahmen ist der von der WAZ beschrieben Gewinn.
Unter dem Umständen lag die Stadt Bochum völlig richtig. Wer konnte schon 2008 ahnen, dass Frau Merkel im Jahr 2011 die langjährige Energiepolitik der CDU vollkommen über den Haufen werfen wird, nur weil am anderen Ende der Welt die Erde gebet hat?
#9 Stefan Laurin:
Vielen Dank für die rasche weitere Ergänzung. Auf meine ursprüngliche Kritik wird trotzdem nicht eingegangen. Es reicht doch vollkommen aus, die der Berechnung des nun erzielten Gewinns zu Grunde liegenden Zahlen auf das Jahr 2008 zu spiegeln (damaliger Aktienkurs, damaliger Buchwert, angenommene Provision). Das passiert aber nicht. Stattdessen wird auf andere Schauplätze ausgewichen.
Aktien sind Spielgeld!
Niemand weiß, wann der Kurs zum Ein- und Aussteigen richtig ist. Sonst hat man Insider Informationen.
Insgesamt zeigt sich, dass Kämmerer gerne Spielen und Beteiligungen erwerben, tolle Finanzprodukte und Steuersparmodelle erwerben ….
Hier fehlt ein Zurück zum ehrbaren Kaufmann mit defensiver Einstellung.
BTW: Es natürlich absolut unverständlich, wenn man auf der einen Seite Bergbau und Kohleverstromungsbetriebe kauft, sie aber auf der anderen Seite politisch bekämpft.
@9:
Kostenlose Kitaplätze für alle: Klingt gut, wenn ich aber an die Beiträge der Ober-/Mittelklasse denke, ist das doch eher ein Modell, Geld umzuverteilen.
@kE: Kostenlose Kitaplätze machen eine Stadt attraktiv.
Eigentlich ist es doch seltsam, dass sich ein Neoliberaler über Börsengeschäfte beklagt. Wenn, wie @kE richtig bemerkt, es kein Erdbeben fern hinter in Japan gegeben hätte, stünden die Aktien heute sicher besser da, vielleicht sogar besser als 2008 und würden ordentlich Dividende abwerfen. Und wenn Bochum 2008 verkauft hätte, würden wir hier einen Artikel mit der Überschrift "Bochum hat aus Dummheit Millionen verloren" wahrscheinlich auch lesen können. Wer dieses Wirtschaftssystem bejaht, sollte Börsengeschäfte, die aus seiner Sicht in die Hose gegangen sind, nicht beklagen. Verluste gehören nun mal zum Börsenspekulation wie das Amen in die Kirche.
Die Kommunen sind ja auch nicht nur aus schnöder Gewinnsucht bei RWE eingestiegen, sondern v.a. doch wohl aus Mitbestimmungsgründen.
Freibier auch
@thomasweigle: ich bin natürlich der Meinung, das Städte keine Konzerne besitzen müssen – als Gelsenkirchen, Düsseldorf und andere Städte sich von ihren RWE-Beteiligungen trennten, hätte Bochum das auch tun sollen. Stattdessen spielte man auch weiterhin Konzern und kaufte die Steag – das angekündigte nächste Desaster.
@ Stefan Laurin Es lief ja jahrzehntelang bestens mit RWE und die Frage ist, ob nicht bei Dingen der sog. Daseinsfürsorge, also Strom bspw., diese Felder allein Privaten überlassen werden sollen. Ich bin da sehr zwiespältig und weniger neoliberal als Du. Da man weder Kursentwicklungen noch Erdbeben weit weg vorhersehen kann, ist m.E. die damalige Bochumer Entscheidung nachvollziehbar.
@thomasweigle: Sie mag nachvollziehbar sein, aber sie war falsch. Andere waren klüger. Und das dann ab 2010 noch der Steag-Kauf kam, der über Schulden finanziert wurde, lässt sich nicht einmal mit wirtschaftlicher Inkompetenz erklären. Das war einfach nur eine Mischung aus totaler Dummheit und Größenwahn.
Dummheit würde ich nicht sagen. Zocken hat es an sich, dass es ein reines Glücksspiel ist. Wäre es sicher gewesen, dass RWE in den Folgejahren so einbricht, wäre ja auch der damalige Kurs der Aktien dementsprechend niedrig gewesen…
Man fragt sich nur, warum Kämmerer unbedingt mit Aktien spielen wollen…
wenn es um Gewinn geht, ETF-Fonds nehmen… oder halt in die lokale Wirtschaftsförderung investieren, wenn sich daraus etwas entwickelt, hat die Kommune bestimmt eh schon 'nen höheren ROI als bei Aktien…
@ Stefan Laurin "wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär," lautete ein beliebter Spruch in meiner Grundschulzeit. Oder auch.Wer aus dem Rathaus…. Und nochmal: RWE-Aktien waren ursprünglich kein Spielgeld für zockerwillige Kämmerer, sondern galten als Investition in die Energiesicherheit der Kommunen und damit in die Zukunft. Und galten als Tafelsilber, was sie über lange Jahre auch waren. Dass die Verhältnisse heute so sind wie sie sind, ist gewiss nur zum geringsten Teil den Kommunen zuzuschreiben, sondern dies hat viel mit der neoliberalen Entwicklung seit der Wiedervereinigung zu tun. Jetzt also von neoliberalen Seite den öffentlichen Händen die Alleinschuld zuzuschieben, erinnert mich doch sehr an die HALTETDENDIEB-Methode.
@21:
"Dass die Verhältnisse heute so sind wie sie sind, ist gewiss nur zum geringsten Teil den Kommunen zuzuschreiben, sondern dies hat viel mit der neoliberalen Entwicklung seit der Wiedervereinigung zu tun."
Was hat ein Aktienkurs konkret mit der "neoliberalen Entwicklung" … zu tun?
@21 und 22:
Noch 2010 hat Frau Merkel die Laufzeit diverser AKW verlängern lassen. Nur ein Jahr später hat sie zahlreiche AKW abschalten lassen, die schnellstmögliche Stillegung der restlichen verfügt und den Umstieg auf so genannte 'erneuerbarer Energien' beschlossen. Die Kombination hat das Geschäftmodell der herkömmlichen Stromproduzenten zerstört.
Mit Marktwirtschaft hatte ihr Handeln aber absolut nichts zu tun. Das hat sie aus wahltaktischen Gründen(auch Populismus genannt) getan.
# 22 Wie komm ich nur darauf, dass Aktienkurse etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun haben?
Dauerhafte Aktieneinnahmen funktionieren nur über einen langen Atem. Wer nicht die finanziellen Reserven für mittelfristige Schwankungsüberbrückungen (geschaffen) hat, der sollte auf hochriskantes und hoch professionelles Daytraiding umsteigen oder ganz aussteigen.
Die meisten Ruhrkommunen haben die Schwankungsreserven schon lange nicht mehr und setzten stattdessen darauf, dass sie als staatliche Gebietskörperschaft nicht bankrott gehen können. Wer darauf strategisch nicht setzte oder wirtschaftspolitisch nicht setzen wollte, der hat noch rechtzeitig verkauft. Wer das nicht getan hat, sitzt jetzt in der Falle zwischen verlustreichem Verkauf und unaufhaltsam schwindenden Reserven für ein weiteres Abwarten auf eine nicht absehbare Aktienkursumkehr.
Arnold,
so ist es.
Ich war 'mal -indirekt- dafür mitverantwortlich, daß wir in CAS-R -Anfang/Mitte der 199o er Jahre VEW-Aktien und Gelsenwasser-Aktien verkauft haben.
Den damaligen Entscheidungen lagen jedoch keine internen Diskussionen und einschlägige politisch-administrative Abwägungsprozesse über "zukünftige Chancen und Risiken der Stadt Catrop-Rauxel als Akteur auf dem Aktienmarkt " zu grunde, sondern ausschließlich die bittere Einsicht, daß aufgrund der katastrophalen Finanzsituation der Stadt gar keine andere Entscheidung möglich war, was uns im übrigen seinerzeit auch die oberste Aufsichtsbehörde -Innenminister NRW- nachdrücklich klar machte -einschließlich der üblichen innerminsteriellen Androhung : Wenn nicht, dann…-sh. u.a. die Möglichkeit der Bestellung eines sog. Staatskommissars.
Seinerzeit konnte die Stadt Cas-R das Schlimmste verhindern, nämlich einen nicht genehmigungsfähigen Haushalt oder gar die "Bestellung eins sog. Staatskommissars".
Und das gelingt der Stadt Cas-R bis auf den heutigen Tage.
Ein Erfolg? Ja, zumindest ein relativer.
Substantiell hat sich -trotz des damaligen Aktienverkaufes- nichts geändert an der nach wie vor prekären Finanzsituation der Stadt Cas-R, soweit ich das überhaupt heute aus großem Abstand zu beurteilen vermag, .