RWE-Chef Großmann unter Druck

Der RWE Konzern steckt mitten im Umbruch. Das ist bekannt. Es ist ferner bekannt, dass RWE-Chef Jürgen Großmann den Umbruch mit manchmal brachialen Mitteln vorantreibt. Ich will hier nicht von den persönlichen Krisen schreiben, wenn Leute ihre Position verlieren, wenn zu Hunderten Führungskräfte zurück ins Glied geschickt werden. Wenn aus Leitern Referenten werden. Und Kritiker verschwinden.

Es gibt aber noch anderes, was den Konzern beschäftigt. Im Aufsichtsrat tobt ein Machtkampf um Vorstandschef Großmann selbst. Im Zentrum des Streits steht derzeit eine Effizienzstudie, die im Rahmen der so genannten Corporate-Governance-Richtlinien erstellt worden ist. Unter dem Titel „Board Review“ untersucht der Frankfurter Unternehmensberater Florian Schilling vor allem die Zusammenarbeit des Aufsichtsrates mit dem Vorstand. Und besonders die Kooperation mit Großmann steht im Focus des Interesses.

Die Inhalte des Papiers sind streng geheim. Kopien dürfen nicht weiter gereicht werden, die Blätter sind individualisiert. Der RWE-Konzern hat sogar eine eigene Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet, die versucht zu verhindern, dass die Aussagen der Studie an die Öffentlichkeit gelangen. Ich persönlich wurde bedroht, man werde gegen mich juristisch vorgehen, sollte ich aus der Studie zitieren. Der Grund: Ich hätte nur aufgrund einer Straftat von den Inhalten der Schilling-Untersuchung erfahren können. Und nur aufgrund einer Straftat könne ich die Erkenntnisse weitergeben.

Denn ein Verantwortlicher habe mir Geschäftsgeheimnisse offenbart, heißt es.

Ich frage mich, ob das nicht die zentrale Aufgabe eines Reporters ist, Geheimnisse zu erfahren und weiterzuverbreiten, wenn die Geheimnisse für die Öffentlichkeit relevant sind. Und die Beziehungen des Aufsichtsrates zum Vorstandschef sind wichtig, entscheidend für das Wohl des Konzerns. Von diesem Verhältnis ist das Glück von zehntausenden Arbeitern und Angestellten und ihrer Familien im RWE-Konzern direkt abhängig, von dem Verhältnis ist der Wohlstand von vielleicht hunderttausend Menschen und ihren Familien bei Zulieferern abhängig, und das Verhältnis hat Bedeutung für Millionen Kunden des RWE.

Der Energiekonzern ist kein Privatbesitz – kein Unternehmen eines Menschen. RWE gehört Kommunen, die von den Einnahmen profitieren. RWE gehört Aktionären, die ihr Vermögen angelegt haben. Deswegen sind Angelegenheiten der RWE-Spitze Angelegenheiten der Öffentlichkeit.

Mit anderen Worten, ich finde, die Ergebnisse der Studie gehören in die Öffentlichkeit. Denn es geht um Sprengstoff.

In kundigen Konzernkreisen ist wenig zu erfahren. Es heißt, die Board Review von Berater Schilling solle auf der kommenden Aufsichtsratssitzung, vor der Hauptversammlung am 22. April, diskutiert werden. Die Aussprache sei laut Tagesordnung auf 30 Minuten angesetzt.

Doch es ist fraglich, ob die knappe Zeit reicht, die Defizite im Umgang zwischen Aufsichtsrat und Vorstandschef zu klären. Ich zitiere hier ausdrücklich nicht aus der Studie, denn das wurde mir per einstweiliger Verfügung vom Landgericht Hamburg – dort Richter Buske – auf Antrag des RWE verboten. Ohne dass ich meine Argumente hätte vertragen können. Es wurde allein auf Antrag des RWE ohne Anhörung entschieden.

Wie dem auch sei. Auch ohne dass ich aus der Studie zitiere, kann ich sagen, dass vieles auf ein angeschlagenes Verhältnis des RWE-Aufsichtsrates zum Chef Großmann hindeutet. Denn davon habe mir RWE-Aufsichtsräten berichtet.

In den Gesprächen mit Konzernspitzen wird immer wieder beklagt, dass etliche Aufsichtsräte zwar die unternehmerische Leistung von Großmann (Bild) loben würden, aber seinen persönlichen Umgang missbilligten. So habe es der streitbare Konzernchef zwar geschafft, das starre RWE-Schiff zu bewegen und die notwendigen Strukturveränderungen einzuleiten. Aber gleichzeitig kritisieren Aufsichtsräte im Gespräch, der RWE-Chef treffe immer wieder eigensinnige Entscheidungen und spreche diese nicht genügend mit anderen Verantwortungsträgern ab.

Die Kritik kommt dabei sowohl der Arbeitnehmerbank als auch der Kapitalseite im RWE-Aufsichtsrat. Selbst Großmanns angeblich mangelnde Kritikfähigkeit wird intern angegriffen. Es heißt, der ehemalige Stahlunternehmer aus Georgsmarienhütte müsse erkennen, dass man einen internationalen Konzern nicht patriarchalisch wie ein Familienunternehmen führen könne. Gerade das Drohen mit seinem Rücktritt wird in Spitzengremien des RWE missbilligt. Dies führe nicht zu mehr Vertrauen, sondern eher zu einer Ermüdung. Ein Konzern könne sich nicht erpressen lassen.

Erst vor wenigen Wochen ist Großmann knapp an einem Eklat im Aufsichtsrat vorbeigeschlittert. Wie aus Konzernkreisen zu erfahren war, soll es damals um die Einführung einer neuen Geschäftsordnung gegangen sein. Großmann habe verhindern wollen, dass er seine mittelfristigen Planungen vom obersten Gremium des Konzerns genehmigen lassen muss. Um seine Ansprüche durchzusetzen, habe Großmann mit dem Rücktritt gedroht, schrieb der „Spiegel“. Die Sitzung des Aufsichtsrates sei für Stunden unterbrochen worden, hieß es weiter. Vertreter der Anteilseigner hätten sogar überlegt, einen „kompletten Neuanfang“ bei RWE durchzusetzen. Neben Großmann sollte auch RWE-Aufsichtsratschef Thomas Fischer freigesetzt werden. Allerdings hätten sich die Konzernwächter nicht auf schnelle Nachfolger einigen können. Schließlich wurde Großmann im Amt belassen.

RWE wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern.

Gegen die Maulkorb-Entscheidung des Richter Buske aus Hamburg werden ich wohl vorgehen.

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Jochen Hoff
15 Jahre zuvor

Ich kann nur eines sagen. Wenn ich zufällig in den Besitz der Studie käme wäre sie sofort auf Wikileaks und dann würde ich sie genüßlich zitieren.

Arnold Voss
15 Jahre zuvor

Ich kann auch nur eins sagen: Ich wüsste nicht, wie man einen so politisch verfilzten und pfründemäßig so durchorganisierten Konzern wie RWE sonst umbauen respektive dynamischer machen könnte.

Mao aus Duisburg
Mao aus Duisburg
15 Jahre zuvor

Also, das muss man sich ja mal auf der Zunge zergehen lassen, was das RWE da eigentlich vor hat. Kommt Großmann, der offensichtlich mit dem Rücken zur Wand steht und deshalb zu solch unsouveränen Methoden greift, mit seiner Argumentation durch, dass können die Journalisten künftig einpacken.

Jeder exklusive Scoop über eine geplante Übernahme, die ansonsten von mutigen und kreativen Journalisten herausgefunden wird, ist demnach ein GEschäftsgeheimnis — und eine Berichterstattung gehört verboten.

Entscheidungen von Managern wie im Fall des Babcock-Konkurses – die Medien hätten zu schweigen, weil es ein Geschäftsgeheimnis wäre.

Jeder Konzernumbau wie etwa bei ThyssenKrupp (und die genauen desaströsen Hintergründe) — Berichterstattung verboten.

Vermutlich ist sogar die Veröffentlichung des Kantinenplans ein Geschäftsgeheimnis. Prost Mahlzeit, Herr Großmann. Das Vorgehen zeigt, welch‘ geistiges Kind Sie sind.

Alle Journalisten-Kollegen sollten sich diesen Fall vornehmen und breit streuen, denn wenn nicht und der veritabel erfolglos RWE-Chef mit seiner Argumentation durchkommt, dann ist das das Ende des investigativen Journalismus‘.

el-flojo
15 Jahre zuvor

Viel Glück und Erfolg.
Ein Kollege hat auch schon sehr interessante Erfahrungen mit Herrn Buske gemacht…

Martin Murphy
Martin Murphy
15 Jahre zuvor

Die Studie muss wohl sehr ungünstig für Großmann ausgefallen sein, wenn er auf diese Art eine Veröffentlichung verhindern will. Statt Geld für Gerichte zu verschwenden, sollte sich Großmann lieber mit seinem Demokratieverständnis beschäftigten. Ohne funktionierende Medien klappt ein demokratisches Miteinander nicht.

Thomas
Thomas
15 Jahre zuvor

ja was ist denn nun an Ihrem Artikel der Neuigkeitswert? Sie schreiben ja lediglich, was der Spiegel vor Tagen schon berichtet hat.

David Schraven
15 Jahre zuvor

@ Thomas.

Das neue ist die Einordnung der Spiegel Anekdote in einen tiefen Zusammenhang, der aus einem Konflikt zwischen Großmann und Aufsichtsratschef Fischer, sowie der Gruppenbildung im Aufsichtsrat herrührt. Es geht nicht um eine momentane Verstimmung, sondern um echte, tiefgreifende, menschliche Zerwürfnisse, die vor allem die Entwicklung des RWE behindern und damit zu einem echten Problem werden.

Rolf Schälike
15 Jahre zuvor

An diesem Freitag bei Buske. Az. 324 O 214/09: Die einstweilige Verfügung vom 09.04.09 wird aufgehoben Die zu Grunde liegenden Anträge werden zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Voller Sieg für David Schraven DIE WELT / WELT ua..

Wer war alles noch verklagt?

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[…] Macht weiter so und lasst euch nicht unterkriegen. Schon gar nicht von Buske! […]

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