„RWE hat kein Geschäftsmodell mehr“

Kraftwerk Duisburg-Walsum; Foto: Thorsten Bachner via Wikipedia
Kraftwerk Duisburg-Walsum; Foto: Thorsten Bachner via Wikipedia

Immer mehr Städte wollen die Energieversorgung in die eigenen Hände nehmen. Das kann sich lohnen, ist aber nicht ohne Risiken.

1928 war Schluss. Die Stadt Recklinghausen verkaufte ihre „Gas und Elt.-Werke Kommunale Aktiengesellschaft an die Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW). Mitten in der Weltwirtschaftskrise brauchte die Bergbaustadt am Nordrand des Ruhrgebiets dringend Geld. Die VEW gab es der Stadt, die damit keine eigenen Stadtwerke mehr hatte.

Das wird sich ab dem 1. Januar 2014 ändern: Dann nimmt die Netzgesellschaft ihren Betrieb auf, in der die Stadt Recklinghausen über eine Holding mit 50,1 Prozent die Mehrheit besitzt. Das RWE hat mit 49,9 Prozent nur noch eine, wenn auch nicht kleine, Minderheitsbeteiligung.

„Wir werden“, sagt Recklinghausens Erster Beigeordneter und Kämmerer,  Christoph Tesche, zuerst das Netz gemeinsam betreiben. Wir werden über einen Kredit unseren Anteil am Netz kaufen und dies mit den Einnahmen aus dem Netzbetrieb finanzieren“.

Auch im kommenden Jahr, spätestens aber 2015 wollen die neuen Stadtwerke auch damit beginnen, Energie zu vermarkten. Tesche: „Schon heute rufen uns Bürger an und fragen, ob sie schon Recklinghäuser Strom kaufen können.“ In einem weiteren Schritt sollen die Stadtwerke auch Strom erzeugen. Und der, so will es der Rat, soll aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Auch Recklinghausen will seinen Beitrag zur Energiewende leisten und damit, wenn möglich, Geld verdienen. Aber die Stadt will nichts übereilen und denkt langfristig: „Was wir hier jetzt beginnen aufzubauen“, sagt Dezernent Tesche, „ist ein Generationenprojekt. Allen war klar, dass wir mit Stadtwerken nicht unseren Haushalt sanieren können, sondern dass wir in den kommenden Jahrzehnten die langfristige wirtschaftliche Basis der Stadt verbessern.“ In Zukunft sollen die Netze ganz in das Eigentum der Stadt übergehen. Aber bei jedem Schritt will  man sich Zeit lassen, genau prüfen ob und wann er sich lohnt und erst dann entscheiden. „Uns ist bewusst, dass jede wirtschaftliche Betätigung ein Risiko ist, und wir werden alles tun, um das möglichst gering zu  halten.“

Damit das auch gelingt, rät Hermann Rappen, Experte für kommunale Finanzen beim RWI Essen, mit dem spitzen Bleistift zu rechnen: „Städte mit eigenen Stromnetzen haben sicher eine neue Einnahmequelle für sich erschlossen, aber ob sich das lohnt, kommt auf den Einzelfall an.“ Zur Zeit seien Kredite für Städte sehr günstig, sagt Rappen, und die Kosten, ein Netz zu erwerben vergleichsweise günstig. „Aber der gesamte Netzbereich ist stark reguliert, die Einnahmen sind überschaubar.“ Was nicht überschaubar ist, seien die Kosten: „Ein Stromnetz muss ausgebaut und gewartet werden. Es ist nicht umsonst zu betreiben, sondert erfordert Investitionen.“ Sind die hoch, könne das vermeintlich attraktive Geschäft schnell zu finanziellen Problemen führen. Nach der Hamburger Beratungsgesellschaft Putz & Partner, die sich mit der Übernahme von Netzen durch Stadtwerke beschäftig hat, sei das größte Risiko die Energiewende, die zu einem Ausbau der Netze führen würde.

Von Risiken der Energiewende mag beim Bündnis DEW-Kommunal, zu dem sich unter anderem Grüne, DKP und  Linkspartei zusammengeschlossen haben, niemand etwas hören. An den Dortmunder Stadtwerken ist RWE mit 47 Prozent beteiligt. Das Bündnis will, dass RWE aus den Stadtwerken Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW) komplett rausgeworfen wird, wahrscheinlicher ist, dass sich SPD und CDU im Rat darauf einigen, dem Energiekonzern einen Anteil von um die 25 Prozent zu belassen. Für Kurt Brelo vom Wuppertal Institut für das Bündnis Klima, Umwelt und Energie wäre eine  solche Lösung ein Sündenfall. „Nur Stadtwerke in kommunaler Hand bieten die Chance für einen Ausstieg aus der Kohlewirtschaft.“ Der Plan des Bündnisses: Nachdem DEW in öffentliche Hand ist, soll das Unternehmen ausschließlich in erneuerbare Energien investieren. „Die Zeit für einen solchen Schritt ist günstig. Städtische Unternehmen bekommen günstige Kredite und über die Einspeisevergütung sind die Einnahmen gesichert.“ Billiges Geld und Subventionen sind für das Bündnis der Stoff aus dem die Energiewandelträume sind. Aber Brelo sieht die Städte auch als die besseren Unternehmer: „Die Großkonzerne wie RWE oder E.on haben kein Geschäftsmodell mehr.“

Das sieht RWE, durch den energiepolitischen Zickzackkurs zweifelsohne in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, anders: „Trotz des deutlich intensiveren Wettbewerbs auf diesem Feld konnten wir uns in den letzten Jahren mit der Erneuerung der meisten der ausgelaufenen Konzessionsverträge behaupten. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei war, dass wir den Kommunen maßgeschneiderte Lösungen anbieten können.“

Auch außerhalb seines Stammgebietes  habe sich RWE bei Konzessionsausschreibungen für Strom- und Gasnetze durchsetzen können. Dass immer mehr Städte darauf setzen, die Netze zu übernehmen, sieht RWE kritisch: Viele zersplitterte Netze könnten zu höheren Kosten für die  Endverbraucher führen und die Versorgungssicherheit gefährden. Bundeskartellamtschef Andreas Mundt sieht noch ein weiteres Problem – das wirtschaftliche Eigeninteresse der Kommunen. Dem Tagesspiegel sagte Mund zum Thema Rekommunalisierung: „Ich sehe darin keinerlei Vorteile. (…) Wenn die Netze in kommunaler Hand sind, besteht dagegen ein sehr hohes Missbrauchspotential. Wir haben eine Reihe von Verfahren gegen kommunale Netzbetreiber geführt, bei denen Privatunternehmen mehr zahlen mussten als die eigenen Stadtwerke. Die Kommunen tun immer so, als ob ihre Interessen und die der Bürger identisch sind. Aber das stimmt doch oft nicht. Die Kommune hat eigene finanzielle Interessen und der Bürger zahlt.“

Vorsichtig verhielten sich Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck: An dem in den 90er Jahren von den Städten und RWE gemeinsam gegründeten Versorgungsunternehmen Emscher Lippe Energie GmbH (ELE) stockten die Städte ihren Anteil von 21 auf 49,9 Prozent auf. Ein Modell, mit einem geringen Risiko für die drei vergleichsweise finanzschwachen Kommunen, wie Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski sagt: „Die ELE ist jetzt ein Unternehmen, in dem die kommunale Stimme deutlich vernehmbarer geworden ist. Das hat damit zu tun, dass die Kommunen gemeinsam ihre Anteile aufgestockt haben und dadurch einen der beiden Geschäftsführer stellen. Wir haben also einerseits den kommunalen Einfluss vergrößert. Andererseits hat sich die ELE – einem Stadtwerk ähnlich – bei den Menschen vor Ort als der Partner für Strom und Gas etabliert. Hinzu tritt die Wirtschaftlichkeit des gewählten Modells sowie die Tatsache, dass der erforderliche Umstrukturierungsbedarf vergleichsweise gering gewesen ist.“ Andere Modelle seien geprüft und diskutiert worden, am Ende habe man sich für eine Weiterführung der Partnerschaft mit RWE entschieden.

Preiswerte Kredite und das Auslaufen zahlreicher Konzessionsverträge mit den Energieversorgern haben die Begehrlichkeiten der Politik geweckt. Der Wunsch vieler Kommunalpolitiker, auch an dem Großprojekt „Energiewende“ mitzuwirken, tut ein Übriges dazu, ins wirtschaftliche Risiko zu gehen – zumal letztendlich der Steuerzahler für dieses haftet. Das kann, muss  nicht gut gehen. Kaum ein Wirtschaftsbereich war in den vergangenen Jahren solchen Umwälzungen ausgesetzt, wie der Energiesektor. Dass die Führung großer Konzerne wie RWE oder E.on damit oft überfordert waren, lässt nicht erwarten, dass kommunale Manager  mit den Herausforderungen besser klar kommen werden.

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A.S.
A.S.
11 Jahre zuvor

„Die Kommunen tun immer so, als ob ihre Interessen und die der Bürger identisch sind. Aber das stimmt doch oft nicht. Die Kommune hat eigene finanzielle Interessen und der Bürger zahlt.“
Was soll denn „eigene Interessen “ bedeuten ? Bauen die Kommunen die Strassen für sich selbst ? Oder bezahlen die kulturellen Einrichtungen, Sportereignisse, etc. zu ihrem eigenen Vergnügen ? Tut mir leid, aber ich kann in dieser Argumentation nichts als den verzweifelten Versuch erkennen, ein lange Zeit sehr profitables, jetzt wegbrechendes Geschäft zu behalten.
Ist der Strom von RWE denn für den Verbraucher günstiger als der von Stadtwerken ?
Nein. Der Unterschied besteht darin, dass der Gewinn aus dem Geschäft im einen Fall wenigsten teilweise wieder an die Öffentlichkeit zurückfliesst, im anderen Fall nur in die Taschen der Aktionäre. Denn die Stadtwerke sind doch oft (wie hier in Bochum) zusammen mit den Sparkassen ) die einzigen Institutionen, die den völligen Finanzkollaps der Kommunen verhindern.

mintfan
mintfan
11 Jahre zuvor

Die Landesbanken zeigen, wie der Bürger vom Engagement des Staates unter Kontrolle von Politikern, die natürlich nur für den Bürger da sind, profitiert.
Ebenso sind die Geschäftsführer-Posten natürlich sehr wichtig. Das haben viele Umorganisationen in den Ruhrgebietsstädten gezeigt. Der Bürger zahlt, aber der Nutzen ist oft nur für den Versorgten erkennbar.

Will NRW die Welt retten? Wie kann man sich nur so überschätzen.
Die meisten regenerativen Energien sind in NRW und insbesondere in den Großstädten wenig effizient. Gleichzeitig wird in den Boom-Länder immer mehr Kohle verbrannt. In NRW leisten wir uns sogar, ein neues Kraftwerk im Milliardenbereich nicht zu aktivieren. Öko-Großprojekte mag der Bürger auch nicht, wie es die Eifel gezeigt hat. Von Windrädern und Strom profitieren die Produzenten in den geeigneten Ländern (SH und Bayern). NRW zahlt über den Strompreis dafür, dass Öko-Bauern Wind- und Solarstrom ernten und nur noch damit beschäftigt sind, wie sie das Geld ausgeben können.

Soll jetzt jeder sein Blockkraftwerk in der Umgebung haben? Da wird es Wut-Bürger geben.

Hier wird aus meiner Sicht eher eine Machtbasis der Lokalpolitik mit vielen Posten für eine Dauerversorgung gesichert. Der Bürger wird wieder für den angeblichen Öko-Strom zahlen, ohne dass es der Erde hilft.

paule t.
paule t.
11 Jahre zuvor

„Wer ausser den Stadtwerke hätte Peer Steinbrück 25.000 Euro für eine Fußball-Plauderei gezahlt …“

Ohne die Liste der Unternehmen, bei denen Steinbrück gegen Honorar geredet hat, jetzt auf dem Bildschirm zu haben … ich wage ganz vorsichtig die Behauptung, dass es mehrheitlich keine irgendwie staatlichen Unternehmen waren. Womit die Frage beantwortet wäre.
Geldverschwendung ist, entgegen dem liberalen Vorurteil, nämlich nicht nur eine Sache staatlicher Unternehmen. Vielleicht nicht einmal hauptsächlich.

trackback

[…] RWE hat kein Geschäftsmodell mehr (Ruhrbarone) – […]

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
11 Jahre zuvor

Wenn die Kommunen es schaffen ohne Mehrkosten für den Endverbraucher die Netze mit Gewinn zu betreiben (der in den Städte-Holdings dann eh von den Verlusten anderer Gesellschaften verfuttert wird… bzw durch Sponsoring noch die harten Auflagen umgangen werden müssen, sodass man auch freiwillige nicht nur verpflichtende Leistungen erbringen darf) ist es eine Win-Win-Situation

Wenn nicht, dann nicht.
Ist halt mit unternehmerischen Risiko verbunden. Die Attraktivität für klamme Kommunen wird darin liegen, dass es noch die einzige Möglichkeit ist selber den Haushalt zu verbessern (Sparen ist ja schon relativ ausgereizt) bzw freiwillige Leistungen über Sponsoring noch machen zu können

Hans Meier
Hans Meier
11 Jahre zuvor

Abgesehen von der „Klima-Märchen-Politik“, mit der bezweckt wird, erstens Schuldige und zweitens Zahler dingfest zu machen, wird mit dieser Masche eine Vernichtung von wirtschaftlichem Kapital betrieben, das diesmal einem „Klima-Öko-Kult“ zum aktuellen Opfer des typisch deutschen Zeitgeistes fällt.

Aufgrund der zig Milliarden, die in wetterabhängige Stromerzeugungs-Systeme investiert wurden, die niemals ohne Subventionen konkurrenzfähig Strom erzeugen können und gleichzeitig die konventionellen Kraftwerke nicht ersetzen, wenn weder Wind noch Sonne nutzbar sind, ergibt sich eine teure Vervielfältigung eines Erzeugungsequipment für ein zuvor schon erreichtes Ergebnis, nämlich die Stromlieferung für den aktuellen Bedarf.
Soviel wirtschaftlicher Unsinn, wie die Erhöhung, bzw. Vervielfältigung des Aufwandes, um trotzdem „nur ein Ergebnis“ zu erzielen, was natürlich durch Mehraufwand dieses „eine Ergebnis“ dramatisch verteuert, ist ein echter und beschämend dämlicher Schildbürgerstreich.
Es wird politisch betreut und vorsätzlich ein gesamtwirtschaftlicher Verlust von zig Milliarden erzeugt, an dem Öko-Anlagenbetreiber ihre Rendite generieren, solange sie sich die politische Öko-Gesetzgebung dafür erhalten.
Angenommen dieses deutsche Öko-Monopol würde nach EU-Recht durch eine europäische Wettbewerbsfreiheit der Stromerzeuger endlich als mafiöser Verbraucherbetrug erkannt und aufgelöst, wäre das nur wünschenswert, um aus einer peinlich dummen Sackgasse herauszufinden.

Kai B
Kai B
11 Jahre zuvor

@A.S., #1:

Jede Bürokratie – und eine Kommune ist nichts als das – hat Eigeninteressen: zwangsläufiger Ausbau der Mitarbeiterzahl, Ausweitung der eigenen Befugnisse etc. Das alles funktioniert, weil Bürokratien keine Kostenrechnung betreiben und sich nicht – über Marktpreise – mit anderen messen müssen*). Es gibt keinen Zwang, wirtschaftlich zu handeln. Hinzu kommt, dass städtische Betriebe immer ideale Abstellgleise für abgehalfterte Lokalpolitiker waren. Im Netzbetrieb wird es laufen, wie im Wassermarkt: Preise steigen. Hinzu kommt, dass kommunale Betriebe eben NICHT der Aufsicht durch das Kartellamt unterliegen.

*: Spannende Bettlektüre: Ludwig von Mises‘ „Die Bürokratie“.

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