Sag niemals nie

Die NRW-SPD steht wie ein Mann hinter Hannelore Kraft. Die Partei will den Sieg ihrer Hoffnungsträgerin, setzt ganz auf die Frau aus Mülheim, stellt sie in den Vordergrund – und sollte doch langsam anfangen sich auf die Landtagswahl 2015 vorzubereiten. Es könnte die Wahl von Frank Baranowski werden. Ein tiefer Bick in die Glaskugel.

Frank Baranowski

"Die Hanne kann es nicht…" erklärte mir vor ein paar Wochen ein ehemaliger Arbeitskollege von Hannelore Kraft aus ihrer Zeit bei "Unternehmensberatung" Zenit, die wenig mit klassischen Unternehmensberatungen zu tun hat und eher ein Teil des politisch-wirtschaftlichen Komplexes des SPD-Filzes war. In dieser Aussage mochten Neid oder auch Sexismus mitspielen, aber tatsächlich ist die Bilanz von Hannelore Kraft miserabel: Der Sommer ist  für die Landesregierung eigentlich nicht gut gelaufen: PFT, Kibiz und das Theater um das Zentralabitur ließen gleich zwei Minister des Kabinett-Rüttgers schlecht aussehen. Steilvorlagen für die Opposition, die sie nicht zu nutzen wußte: Nach wie vor liegt die SPD auf Landesebene hinter der CDU – ein Zustand der nun schon ins achte Jahr geht und sich nicht nur mit dem Aufkommen der Linken erklären lässt: Selbst wenn man deren Umfragewerte zu denen der SPD addieren würde, was man nicht kann, da die Linke auch von den anderen Parteien Wähler zieht, würde es für die Sozialdemokraten im Augenblick nicht reichen. Krafts Hilflosigkeit in Clement-Fall ist zusätzlicher Beleg dafür, dass sie auch innerhalb der Partei nicht ganz so stark ist, wie sie glauben machen will.

Das Land fühlt sich von Rüttgers gut regiert und scheint nicht zu glauben, dass es unter Kraft besser werden würde. Es gibt keine Wechselstimmung in NRW und dass sie sich bis zur Landtagswahl in NRW noch aufbauen wird, ist unwahrscheinlich. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr wird die SPD Stimmen an die Linken abgeben – und Stimmen von denen verlieren, die keine Kooperationen mit den Jüngern von Lafontaine und Gysi wollen. Von der Kommunalwahl 2009 wird kein Rückenwind für die Landtagswahl 2010 ausgehen. Spätestens dann stellt sich die Frage, wer 2015 gegen Rüttgers antreten soll.

Entwickeln wir doch mal ein Profil für einen idealen SPD-Kandidaten. Er sollte fest in der SPD verankert sein, allerdings nicht so eine peinliche Nummer wie die Genossen aus Bochum-Hamme, die sich nach ihrem Zwergenauftstand gegen Clement im Kleingarten haben filmen lassen. Stallgeruch ja, Mief nein. Er sollte schon einmal Wahlen gewonnen haben. Siegern traut man Siege zu. Er sollte landespolitische Erfahrung haben, nicht wie eine Pizza aussehen und von seinem Auftritt her in allen Landesteilen wählbar sein. Die SPD sucht eine eierlegende Wollmilchsau – und sie hat sie in ihren Reihen. Ihr Name: Frank Baranowski. Der Sozialdemokrat aus Gelsenkirchen wurde schon vor zwei Jahren als SPD-Spitzenlandidat gehandelt. Immerhin schlug er bei der OB-Wahl 2004 Oliver Wittke und eroberte Gelsenkirchen für die SPD zurück. Damals lehnte er ab. Dass es 2010 für die Sozis im Land nicht viel zu gewinnen geben wird, war eigentlich schon 2006 eher wahrscheinlich – zu übel war die Niederlage 2005, als das mit einem schnellen Sozi-Comeback zu rechnen war. Immer wenn es aussichtslos ist, dürfen in der Politik die Frauen ran – das ist auch in NRW nicht anders. Außerdem muß Baranowski Gelsenkirchen verteidigen, um zum Top-Star zu werden: Die Chancen dafür stehen gut. Baranowski hat die Verwaltung der Stadt hinter sich, die unter Wittke noch häufig auf Kosten der Stadt gegen ihren OB arbeitete. Und Baranowski macht einen guten Job: Er hat die Stadt aus den negativen Schlagzeilen geholt, die Arbeitslosigkeit geht überproportional stark zurück und in der Kinder und Jugendarbeit geht Gelsenkirchen mit seinen geringen Mitteln eigene  Wege – von der Betreuung junger Familien bis zum Stadtbüchereigutschein für Schüler. Zudem war Baranowski neun Jahre im Landtag. Mit seinen 46 Jahren kann er auf eine 30jährige Parteimitgliedschaft zurückblicken, ohne zu einem der rotnasigen Clownsgesichter geworden zu sein, die lange für die SPD-Revier standen: Der Mann ist Mountainbiker und Alpencrosser.  

Und er ist dabei, die große Nummer in der Revier-SPD zu werden: Baranowski ist Sprecher der Ruhrgebiets-SPD, die zwar nur ein informeller Club ist – als einzige Partei verfügt die SPD im Ruhrgebiet nicht über eigene Strukturen – aber nun einmal das einzige ist, was die Genossen auf regionaler Ebene haben. Auf Landeseben ist Baranowski seit vergangenem Jahr der Nachfolger von Dortmunds OB Langemeyer an der Spitze der Sozialdeomkratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK). Die SGK taucht zwar in der Öffentlichkeit kaum auf, ist aber eines der mächtigsten SPD-Netzwerke im Land: Hier sitzen die einzigen Genossen, die noch was zu sagen haben.

Auch bei der Auswahl seines engsten Personals hat Baranowski die richtigen Entscheidungen getroffen. Sein persönliche Referent ist Mocki Diller. Der berät die SPD nicht nur bei der Vorbereitung der Kommunalwahl sondern war auch Mitarbeiter von Franz Müntefering und ist aktiver Parteiblogger.

Nach einer zu  erwartenden Niederlage von Kraft 2010 läuft eigentlich alles für 2015 auf Baranowski hinaus – wenn er die Kommunalwahl im kommenden Jahr gewinnt. Ist der Blick in die Glaskugel zu tief? Ich glaube nicht – so viele Hoffnungsträger hat die SPD auch in NRW nicht mehr – und wir würden ihre Namen heute schon kennen.

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David Schraven
Admin
16 Jahre zuvor

Auch ich glaube, dass sich Kraft schwer tun wird.

Sie ist keine Vordenkerin und im Nachdenken hat sie auch Mankos.

Nur ein altes Beispiel aus Ihrer Zeit als Europaministerin bei WC. Sie wollte das Nettofondsmodell. Das bedeutete grob gesagt, dass die EU die europäischen Fördermittel nicht mehr vom Bund einzieht und dann an die Länder weiterreichen sollte. Stattdessen sollte der Bund das Geld direkt den Ländern zur freien Verfügung stellen. Den jeweiligen Verteilungsschlüssel sollten die Länder mit dem Bund ausarbeiten. Klar? Kraft wollte die EU ausschalten.

Kraft vertrat das Modell selbst dann noch, als alle anderen EU-Minister der Länder und die jeweiligen Fachbeamten – auch aus NRW – sich in der Europaministerkonferenz der Länder gegen das Nettofondsmodell ausgesprochen hatten. die Minister und Fachbeamten haben ihre Ablehnung des Modells schriftlich festgehalten. Trotzdem hat Kraft in NRW jedem erzählt, der es nicht hören wollte, dass das Nettofondsmodell kommen wird. Das hatte schon etwas von Nicht-Zuhören-Wollen.

Als ich damals das Papier zum Nettofondsmodell in der Südddeutschen NRW veröffentlicht habe und mit den Worten von Kraft verglich, wollte Kraft die Realitäten nicht wahrhaben.

Stattdessen beschuldigte Sie mich, schlecht zu recherchieren. Und sie suchte in ihren eigene Reihen verzweifelt nach meiner Quelle. Sie verdächtigte die Beamten ihre Karriere ruinieren zu wollen. Sie schrie und keifte. Das haben mir Leute erzählt, die damals angezickt wurden.

Zunächst ist es dumm, nicht das echte Problem anzugehen, sondern in Übersprungshandlungen Leute anzukeifen. Doch richtig dumm ist es, sich nicht vorstellen zu können, wo die echten Informanten sitzen. Und dann blind in die falsche Richtung loszutappsen. Das löste damals richtiges Gelächter aus.

Seither halte ich Kraft nicht für eine besonders clevere Politikerin. Sie ist eine Notlösung. Seien wir mal ehrlich. Und einen richtigen Wahlkampf hat sie auch noch nicht gewonnen. Sie konnte sich in den internen SPD-Intrigen durchsetzen. Das ist alles. Bürger hat sie noch nicht überzeugt.

Da ist Baranowski eine andere Nummer. Er hat Wittke gestürzt. In einer freien und geheimen Wahl. Er kann Menschen für sich gewinnen. Das hat er bewiesen.

Dennis
16 Jahre zuvor

Auch diesen Beitrag kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Baranowski ist aus meiner Sicht deshalb dazu in der Lage Menschen für sich zu gewinnen, weil er Menschen an sich heran lässt, ohne dabei seine Autorität zu verlieren. Er ist wahrhaftig ein Mensch aus der Mitte geblieben, wobei er es nicht nötig hat, dieses politisch zu stilisieren. Einen Postenwechsel in die NRW SPD würde ich ihm sehr gönnen. Auf der anderen Seite wäre das verhängnisvoll für Gelsenkirchen. Baranowski ist der Beste für Gelsenkirchen. Es ist nicht auszudenken was passiert, wenn er geht.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
16 Jahre zuvor

… es lebe der König. Königsmord und Könige ausrufen, ist das die Rolle der Medien? Demokratie hätte ich mir anders vorgestellt.

David Schraven
Admin
16 Jahre zuvor

@ Manfred -Auch ist das Zitat ist falsch. Es heißt: „Der König ist tod – es lebe der König“ Dieser Spruch soll die Unsterblichkeit des Amtes König von der Sterblichkeit des Menschen König beschreiben.

Auf das vorliegende Sujet bezogen, müsste es also heißen: – es lebe der Vorsitzende. Das kann man in dem inneren Zusammenhang auch sagen. Selbst wenn Kraft weg ist und Baranowski kommt. Immer wird es einen Vorsitzenden geben.

Und Verräter waren die (guten) Medien schon immer. Darum geht es ja. Geheimes öffentlich zu machen. Nicht wie in einer Diktatur nur zu verlautbaren.

Martin Körber
Martin Körber
16 Jahre zuvor

Guter Riecher! Offenbar hat Baranowski ein Potenzial, das deutlich über Gelsenkirchen hinaus reicht. Wenn die Berliner Morgenpost ihn prominent zitiert und er für ddp die Kolumne der Woche schreibt, zeigt, wie
gut er verdrahtet ist. Frau Kraft hat so eine Kolumne noch nicht gehabt. Baranowski steht wohl eher für eine erneuerte SPD, er scheint aus der 99er-Niederlage gelernt zu haben. Aber hat dieser Typus eine Mehrheit in der SPD-NRW?

Arnold Voss
16 Jahre zuvor

Gelsenkirchen als politische „Kaderschmiede“ von NRW. Wer hätte das gedacht. Erst Wittke, jetzt Baranowski. Und die Arbeitslosenzahlen sinken parallel auch. Zumindest statistisch. Leute, lasst uns ins Schalkeland ziehen und dort versuchen OB zu werden. Alles weitere findet sich quasi von selbst!

Arnold Voss
16 Jahre zuvor

Scherz bei Seite.Das tröstliche daran ist , dass Ruhr immer wieder (und immer noch) in der Lage ist gute Leute zu „produzieren“. Das weniger tröstliche ist: Sie bleiben auf Dauer nicht im Sprengel. Egal ob Politiker, Künstler oder Fachleute. Sie suchen irgendwann das Weite oder werden woanders hin berufen. O.k., wirklich gute Leute sind überall Mangelware, aber in Ruhr werden sie zur Zeit besonders gebraucht.

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