Sahra Wagenknecht rief und die deutsche Friedensbewegung kam. Da sie sich bei mir um die Ecke versammelte, ging ich hin und schaute mir die Friedensfreunde einmal von nahem an. Von unserem Gastautor Michael Miersch.
Ralf Stegner (SPD) hat Mut. Angesichts Hunderter wütender Israelhasser vor der Bühne den Massenmord vom 7. Oktober zu erwähnen, das bringt nicht jeder. Es brachte ihm einen Sturm aus Buh-Rufen und Pfiffen ein. Ebenso wie seine Bemerkung, es sei gerechtfertigt, der Ukraine bei ihrer Verteidigung zu helfen. Peter Gauweiler (CSU) war da schon geschmeidiger und vermied es nach seinem „Grüß Gott“ die Versammelten zu provozieren. Die originellste Rede hielt Gesine Lötzsch (Die Linke). Sie schlug die Brücke zum Klima, indem sie voller Empörung darauf hinwies, dass ein Leopard-Panzer noch mehr Sprit verbraucht als ein SUV.
Interessanter aber als die Rednerinnen und Redner waren die Demonstranten, die sich am Großen Stern im Regen versammelte. In meinem Alter kann man sich noch gut an die westdeutsche Friedensbewegung der 1980er-Jahre erinnern. Daher war ich neugierig, wer sich heute in den Reisebus setzt, um in Berlin für Frieden zu demonstrieren. Eines fällt sofort auf: Die neue Friedensbewegung ist keine Jugendbewegung. Menschen unter 30 waren in der Minderzahl. Dafür gab es viele Teilnehmer im Rentenalter, die vermutlich in den 1980er-Jahren schon dabei waren. Auch die Redner knüpften gern nostalgisch an die alten Zeiten an. Dass nach dem Mauerfall das erfolgreiche Wirken der Stasi in der damaligen Friedensbewegung herauskam, scheint niemanden mehr zu interessieren. Verglichen mit damals sind die Teilnehmer nicht nur älter. Es sind auch weniger. Die Polizei sprach von einer „unteren fünfstelligen Teilnehmerzahl“, die Veranstalter von 40.000. Nicht viel für eine bundesweite Mobilisierung.
Wer lief da alles mit? „Die Zeit“ schreibt: „Viele Demonstranten schwenkten Fahnen mit der Friedenstaube.“ Der RBB berichtet: „Die Teilnehmer warben für Diplomatie statt Waffen, sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten.“ Ich sah etwas anderes. Es dominierten rot-schwarz-weiß-grüne Palästina-Flaggen, sowie Transparente und Fahnen der DKP und anderer kommunistischer Sekten. Der Zug (einer von Dreien), der aus der Altonaer Straße anmarschierte, wirkte, nach den gerufenen Parolen zu urteilen, eher wie eine der in Berlin wöchentlich stattfindenden Anti-Israel-Demonstrationen. Es ging um „Genozid in Gaza“, „Kindermörder Israel“ und „Krieg und Völkermord“, der von der Nato unterstützt würde. Wer den Einpeitscherinnen auf den Pritschenwagen zuhörte, lernte, dass die ukrainische Armee die Waffen im Dienste des Friedens niederlegen soll, Hamas und Hisbollah jedoch besser nicht.
Neben den Bekenntnissen zum Kampf der Palästinenser und kommunistischer Folklore mit viel rotem Stoff, gab’s jede Menge individueller Winkelemente: Russlandflaggen, Deutschlandflaggen, Libanonflaggen und natürlich Friedenstauben auf Blau und die Pace-Banner aus den Golfkriegszeiten. Anscheinend hatten sich auch ein paar AfD-Friedensfreunde unter die Menge gemischt. So interpretiere ich jedenfalls das Schild „Frieden ohne Brandmauern!“.
Neben Klassikern wie „Ami go home!“ waren auch Parolen zu sehen, die noch deutlicher machten, um was es bei dieser Friedenskundgebung im Grunde ging: um die Deutschen, und das, was Amerika Deutschland angetan hat – und antun wird. Hauptthema war für Redner und Demonstranten die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Ein großes Transparent verkündete: „Stalingrad – diesmal ohne uns!“, ein anderes „Keine Taurus auf Stalingrad!“. Noch deutlichere Parallelen zog ein Foto-Stellwand mit Bildern von im Zweiten Weltkrieg zerstörten deutschen Städten. Dazu die Sätze „Wiederholung ist die Mutter des Lernens!“ und „Es ist wieder soweit!“. Wie friedlich könnte die Welt sein, wenn es keine Amerikaner und keine Israelis gäbe. Warum weigern die sich so hartnäckig, sich von uns den Frieden erklären zu lassen?
Der Text erschien bereits in ähnlicher auf dem Blog von Michael Miersch.