Sayeds Fluchtgrund ist ein Film

Sayed Omid Sami im Essener Kino "Filmstudio Glückauf"
Sayed Omid Sami im Essener Kino „Filmstudio Glückauf“

Der afghanische Filmemacher Sayed musste aus Kabul nach Deutschland fliehen, weil sein Film die Liebe zwischen einem Muslim und einer Hindu zeigt. Für die Bundesregierung gelten jedoch vor allem urbane Gebiete Afghanistans als sicher genug, um Flüchtlinge dorthin abzuschieben.

Sayed hat sich schick gemacht – Graues Sakko, roter Schlips. Er hat sich für die Premiere seines ersten Filmes herausgeputzt. Ein Film, der für ihn eine Herzensangelegenheit ist und gleichzeitig der Grund war, aus seinem Heimatland zu fliehen. Sayed Imid Sami, wie er mit vollen Namen heißt, finanzierte den Film, schrieb das Drehbuch und spielte die männliche Hauptrolle. Er steht mit akkurat gestutztem Bart am Ausgang des Kinosaals, in dem gerade sein Film gezeigt wurde. „Ethics of Love“ heißt er. Er handelt von einem Muslim, der sich in eine Hindu verliebt. Das, so sagt Sayed, sei gesellschaftlich in Afghanistan äußerst kompliziert. Heirat aus Liebe und eine Beziehung zwischen Personen verschiedener Religionen gäbe es in seinem Heimatland fast nie. Den Protagonisten seines Filmes sind diese Probleme bewusst. Vor allem die weibliche Hauptperson ist immer wieder Problemen ausgesetzt.

Auch Sayed war klar, dass die Geschichte in Afghanistan kontrovers ist, aber mit den Reaktionen, die er nach der Veröffentlichung seines Filmes erhielt, rechnete er nicht. „Mit dem Film wollte ich zeigen, dass Liebe keine Religion, keine Hautfarbe und keine Grenzen kennt“, sagt Sayed. Doch vor allem für ihn brachte der Film viele Probleme. Er zeigte den Film nur einmal: In einer Universität, eingeladen waren Studenten und Journalisten. Sayed, der zuvor für verschiedene afghanische Fernsehsender gearbeitet hatte, bekam er kurz nach der Veröffentlichung Drohungen. Die Leute hatten von Ethics of Love vom Hörensagen oder aus den Zeitungsartikeln über den Film erfahren. Zum Beispiel, dass man ihn verbrennen wolle. Man warf ihm vor, zur Liebe zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen aufzurufen. Im Gespräch wiederholt Sayed immer, dass er nur zeigen wollte, dass Liebe keine Grenzen und keine Religion kennt. Etwas verwirrt darüber, dass er für den Film bedroht wurde, wirkt er bis heute.
Also entschied sich Sayed, zu flüchten. Er flog mit dem Flugzeug in die Türkei, von dort aus fuhr er mit dem Schlauchboot nach Griechenland. Später kam er nach Deutschland.

„In Afghanistan geht so gut wie keine Frau ins Kino“

Für Sayed ist die Filmvorführung etwas Besonderes. In Afghanistan, erzählt Sayed, gäbe es nur noch eine Handvoll Kinos, die Hälfte davon sei geschlossen. Die anderen Kinos seien alle von den Taliban zerstört worden. Viele Hände muss er nach der Veranstaltung schütteln, es sind viele Afghanen gekommen. Auch einige Frauen sind dabei, das freut den Filmemacher. „In Afghanistan geht so gut wie keine Frau ins Kino. Meine Mutter und meine Schwestern waren noch nie dort“, sagt Sayed. Neben der Freude schwingt bei ihm auch immer die schwierige Lage in Afghanistan und sein Entsetzen darüber mit, dass er wegen des Filmes das Land verlassen musste. Und es schwingt die Ungewissheit mit. Ungewissheit, ob sein Asylantrag angenommen wird, ob er zurück nach Afghanistan muss und was aus der Schauspielerin wurde, die die weibliche Hauptrolle spielte. Nach der Filmpremiere in Kabul war sie verschwunden. Sayed versuchte, sie zu kontaktieren, frage bei Freunden nach. Doch bis heute ist unklar, was mit der Schauspielerin passierte, wo sie heute ist oder ob sie überhaupt noch lebt.

Sayed lebt heute zusammen mit seinem Bruder am Niederrhein. Die Gefahr besteht, dass er bald wieder zurück nach Afghanistan muss. Die Bundesregierung hält einige, vor allem urbane, afghanische Gebiete als sicher genug, um Flüchtlinge in diese Gegenden abzuschieben. Gegen ihre drohende Abschiebung demonstrierten am vergangenen Samstag über tausend Flüchtlinge aus Afghanistan.

Sayed sieht das anders, für ihn ist es in Afghanistan nicht sicher. Ob er Angst habe, wieder zurück nach Afghanistan zu müssen, frage ich. „Natürlich“, antwortet er.

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