Die Bundesliga geht mit einem neuartigen Dreiklang in den neuen Spieltag, denn die Bayern, Union Berlin und der BVB stehen punktgleich an der Tabellenspitze. Dazu schwadronieren Thommy Junga und Peter Hesse über Ersatztorhüter, die letzten Niederlagen von Jürgen Klopp und das Engagement von adidas in Amerika. Und wie Schalke aus der Sackgasse im Tabellenkeller wieder herauskrabbeln könnte.
Peter Hesse: Nach 21 Spieltagen stehen die Bayern wie immer an der Tabellenspitze, aber die Dortmunder und Union Berlin stehen punktgleich dahinter auf Platz 2 und 3. Kriegen wir jetzt mal endlich wieder ein spannendes Saisonfinale ohne die übliche Dominanz des Münchener Rekordmeisters?
Thommy Junga: Wir haben in der Vergangenheit häufiger die fehlende Konstanz bei Dortmund bemängelt – das sieht jetzt deutlich besser aus, Trainer Terzic scheint seine Elf gefunden zu haben und jetzt ist Zug drin. Das kann wirklich da oben enger werden als in den vergangenen Jahren. Mit Frankfurt, Freiburg und Leipzig liegen neben Union weitere Mannschaften in Schlagdistanz denen allen qualitativ eine Serie zuzutrauen wäre. Die Bayern-Saison wirkt holprig, das Auftreten der Münchner in der Liga teilweise recht fahrig. Coach Nagelsmann fängt das momentan im Mourinho-Stil ab und lenkt die Aufmerksamkeit stark auf sich. Das funktioniert aber auch nur, wenn dann am Ende was rausspringt.
Peter Hesse: In den letzten sechs Spielen holte der FC Schalke 04 gleich viermal ein 0:0-Unentschieden. Das dürfte um den Ligaverbleib zu retten, zu wenig sein. Peter Neururer hat prognostiziert, dass Schalke absteigt und Huub Stevens hofft, dass Tönnies wieder nach Gelsenkirchen zurückkommt und dem Verein wieder finanziell unter die Arme greift. Was (außer Alte-Männer-Folklore) braucht es noch, damit Schalke dem Tabellenende entfliehen kann?
Thommy Junga: Jahrhunderttrainer Stevens hat viele kluge Sachen über den Fußball von sich gegeben – das kann ja nicht immer klappen. Ich kenne ehrlich gesagt keinen Schalker, der sich den Großfleischer zurücksehnt. Was Schalke braucht sind hingegen Tore und dafür hätte man in der Winterpause entsprechend Lösungen finden müssen. Der sportlichen Führung um Trainer Thomas Reis ist es mit gezielten Transfers gelungen die löchrige Defensive zu stabilisieren. Genau auf dem gleichen Niveau hätte man eben auch vorne nachbessern müssen. Sturmtank Frey ist ohne Frage ein belebendes Element, aber solche Spielertypen brauchen entsprechende Partner im Spiel. Da reicht es unter Umständen nicht Ergänzungen aus der zweiten Mannschaft hochzuziehen. Mit Terodde, Karaman, Frey und dem verletzten Polter hat man vorne zudem doch sehr ähnliche Spielertypen für ein von Reis sehr direkt ausgelegtes Kontersystem. Das könnte den Knappen tatsächlich zum Verhängnis werden. Solche Spieler brauchen klare Zuspiele, dafür sind mir derzeit die Bälle zu lang und vertikal. Da ist der Weg zum Tor für einen 1,90m-Mann unheimlich weit.
Peter Hesse: Nach der 2:5-Klatsche gegen Real Madrid sieht es beim FC Liverpool ziemlich düster aus. Bei Jürgen Klopps früheren Stationen in Mainz und Dortmund war jeweils nach rund sieben Jahren Schluss gewesen. Der BVB rutschte damals mit seinem ehemaligen Meisterteam zwischenzeitlich sogar bis auf die Abstiegsplätze ab. In Liverpool befindet er sich jetzt in seinem achten Jahr, ist es sein letztes?
Thommy Junga: Jürgen Klopp genießt in Liverpool Ikonen-Status. Daran ändert auch eine schwache Phase oder Saison nichts. Bei den Fans steht er immer noch hoch im Kurs und man traut den Turnaround niemanden eher zu, als Klopp. Er hat seine Titelversprechen mehr als eingelöst, Liverpool zurück auf die Liste der Top-Adressen im internationalen Fußball gesetzt. Jürgen Klopp begeht allerdings in gewisser Weise immer den gleichen Fehler: er schwört den Seinen Nibelungentreue und kann sich kaum von verdienten Spielern oder einem System lösen. Du kannst nicht fünf oder sechs Jahre mit der quasi gleichen Mannschaft erfolgreich Fußball spielen, das bekommt kaum einer hin. Die notwendige Blutauffrischung wurde zu spät angegangen und jetzt hat Klopp einen Kader, der sich zur Hälfte noch einleben muss und mit der Spielweise fremdelt. Wenn alle fit sind, dann hat er sechs Stürmer mit Stammambitionen im Kader. Da geht derzeit einiges durcheinander.
Peter Hesse: Anfang Oktober verletzte sich Peter Gulacsi, Red Bull Leipzigs Kapitän und dort die unumstrittene Nummer eins im Kasten, sehr schwer. Kreuzbandriss, sechs Monate Pause, so die erste Prognose. Inzwischen gehen die Leipziger Verantwortlichen von mehr aus. Sein Nachfolger Janis Blaswich erlebt im Alter von 31 Jahren gerade die Zeit seines Lebens inklusive Champions League Einsätzen. Glück ist manchmal wichtiger als Können, oder?
Thommy Junga: Gerade bei den Ersatztorhütern denke ich manchmal, dass dir das eine ganz besondere Ambivalenz abverlangt. Sportliche Leistungen haben ja fraglos auch ganz viel mit persönlicher Motivation zu tun. Leistungsbereitschaft ohne Aussicht auf Leistungsnachweis. Umso bemerkenswerter ist es natürlich, wenn dann der Spot mal in die zweite Reihe wandert und die Geduld belohnt wird. Sein Können kann er nun auf höchstem Level weiter nachweisen, mit 31 fängt das Keeperleben ja eigentlich erst an, da sind noch zwei Verträge drin.
Peter Hesse: Adidas hat seine Partnerschaft mit der US-Fußball-Liga Major League Soccer (MLS) erneuert, und das in Rekordumfang: Wie der US-Sender CNBC berichtet, hat der Sponsoring-Deal eine Laufzeit bis 2030 und ein Volumen von 830 Millionen Dollar (780 Millionen Euro). Es sei das größte Engagement von Adidas in den nordamerikanischen Fußball bislang. Kommt jetzt das große Comeback von Cosmos New York?
Thommy Junga: Die Marke Adidas investiert hier in ein Wachstumspotential. Die großen Sportarten- und Rechte in den USA sind verteilt, Soccer hingegen weckt die Goldgräbermentalität, denn in drei Jahren findet die WM in Nordamerika statt. Also ein mehr als strategisch günstiger Zeitpunkt, um sich nachhaltig mit dem nationalen Fußball zu verknüpfen. Mit den vertraglichen Verbindungen zur FIFA, man denke hier zum Beispiel an den traditionell von Adidas gestellten WM-Ball, wird vermutlich eine unausweichliche Wahrnehmung der Verbindung von Ausrüster, Sponsoring und Sportevents geschaffen. Die Kaufrauschzeiten a la Cosmos New York sind eher vorbei, die großen Stars kamen zuletzt eher deutlich nach dem Zenit ihres Schaffens. Wenn überhaupt erinnert das Miami-Projekt von David Beckham ein wenig an alte US-Fußballzeiten, aber selbst dieser Retortenklub wirtschaftet mittlerweile solide. Anders als früher arbeitet die MLS insgesamt mit einem gesunden sportlichen und finanziellen Unterbau und es gibt viele Talente. Die MLS-Clubs werden seriös geführt und das findet auch bei der stetig wachsenden Zuschauerschaft Zuspruch. Keine plötzlichen Standortwechsel der Teams mehr, keine überalterten Teams, das steigerte die Akzeptanz bei den Fans.