Schalke muss die Zweitliga-Rolle lernen

Schalke Graffiti in Herten | Foto: Peter Hesse

Alle drei großen Ruhrgebietsvereine sind gerade nicht auf Rosen gebettet, vor allem Schalke macht dem geneigten Fan große Sorgen. In ihrer Rundum-Schau blicken Thommy Junga und Peter Hesse zudem zum nach München und Wien – und selbstverständlich zum kleinen Ruhgebietsderby nach Dortmund, wo heute der VfL Bochum zu Gast ist.

Peter Hesse: Großes Rätselraten beim BVB. Das Schwarzgelbe Team startete mit Sabitzer und Adeyemi auf den offensiven Flügeln gegen Stuttgart – dazu Anton und Guirassy in der Startelf, beide noch bis Sommer beim VfB unter Vertrag. Am Ende hieß es 5:1 für den VfB und Dortmund fuhr mit langen Gesichtern nach Hause. Der Qualitätssprung von Terzic zu Sahin sollte den BVB in neue Sphären hieven, was macht Nuri falsch?

Thommy Junga: Ja, sieben Zähler nach vier Spieltag ist gelebte Durchschnittlichkeit. So früh in der Saison hält sich die prognostische Qualität einer Niederlage aber natürlich noch in Grenzen. Ich hatte den Eindruck, dass VfB-Coach Hoeneß die Dortmunder gut analysiert hatte und speziell auf den von dir angesprochenen Außenbahnen seinen schwarz-gelben Gegnern den Zahn gezogen hat. Kaum Räume für Adeyemi, aggressives Anlaufen in den Halbräumen, das hat Kraft und Nerven gekostet. Dass bei einer Standardsituation Offensivspieler frei vor dem Kasten stehen, kannst du Sahin kaum anlasten. Gefordert ist er als Anwalt seiner schnellen und direkten Spielidee. Er wird wohl deshalb bei der Trantütigkeit seiner Untergebenen ansetzen müssen. Fehlender Biss ist ein Problem, dass du nur schwierig in den Griff bekommst, frag nach beim Nachbarn Bochum.  Da sind wir dann voll im Thema Durchschnittlichkeit.

Nieselregen beim BVB am Freitagabend wenn Bochum kommt | Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: Auch Bochum steckt jetzt schon knietief im Abstiegskampf. Im Krisenduell gegen Holstein Kiel lag der Revierclub nach Rückstand lange in Führung, wurde am Ende aber für seine Passivität bestraft. Das 2:2 bedeutet am Ende wiederum nur einen Punkt. Jetzt muss das Team von der Castroper Straße am Freitag zum Derby nach Dortmund – wie werden sie sich da verkaufen?

Thommy Junga: Dortmund fällt mit Bochum ein bereits poröser Kandidat für einen Scherbenhaufen vor die Füße. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt die Limbostange, unter der die Dortmunder jetzt locker durchtanzen müssen. Drei Punkte sind Pflicht. Bochum steht nach der gruseligen Leistung gegen Kiel stimmungsmäßig schon gefühlt mit einem Bein in Liga zwei. Trainer Peter Zeidler ist ein grandioser Moderator, lässt nicht nach außen keinen Hoffnungsverlust anmerken. Allein ein paar gute Phasen pro Spiel werden ihn und den VfL aber nicht retten. Das Argument der mangelnden Eingespieltheit wird sich in Kürze gegen ihn wenden. Angezündet von einer zum Ende hin beeindruckenden Testspielphase in der Vorbereitung ist man jetzt recht schnell auf dem Boden der Bundesligatatsachen angekommen.

„Bochum steigt nicht ab, oder watt“ – Der Kultfan VfL-Jesus gibt sich noch optimistisch | Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: Auch auf Schalke gelingt gerade wenig. Nach dem Katastrophen-Spiel gegen Darmstadt flog Trainer Karel Geraerts raus, er war der 11. Trainer in den letzten fünf Jahren. Schalke 04 will sich bis zur nächsten Länderspielpause die Zeit nehmen, um einen neuen Trainer zu finden. Der Name Raul ist intern schon gefallen, wie könnte er (oder ein anderer neuer Trainer) für die bitter nötige Aufbruchstimmung sorgen?

Thommy Junga: Gefühlt besprechen wir dieses Dilemma alle sechs Monate. Dieser Verein muss runter von dem Trip der Superlative, die Rolle des Zweitligisten annehmen und leben. Das bedeutet auch, zu verstehen, dass diese Liga jeden kleinen Fehler bestraft und eine echte Herausforderung darstellt. Kaderplaner Manga verwies in einem Interview vor der Saison auf die mittelfristige Erfolgsperspektive, eben darauf, dass nicht sofort ein Aufstiegsplatz herausspringen wird und muss. Jetzt haben wir auf Schalke wieder das große Entlassungsdrama auf mehreren Ebenen. Meine Antwort lautet deshalb: es ist völlig wurscht wen die da schlussendlich vorstellen. Schalke hat Probleme, die kann ein Trainer allein nicht lösen.

Peter Hesse: Rekordnachfrage in München: Für das Topspiel gegen Bayer Leverkusen hätte der FC Bayern die Allianz-Arena fünfmal füllen können. Aber wird das Spiel denn auch das hochkarätige Match, das sich viele Fans erhoffen? Dank einer souveränen und spielstarken Vorstellung feierte der FC Bayern im vierten Bundesliga-Spiel den vierten Sieg vergangenen Samstag in Bremen mit einem 5:0-Kantersieg in Bremen. Ist der FC Hollywood wirklich so stark?

Max Eberl hat mit dem FC Bayern viel zu lachen gerade | Foto: wikipedia / Muffutz / CC BY-SA 3.0 de

Thommy Junga: Das Spektrum des Möglichen für diese Partie ist wirklich groß. Mein Bauchgefühl lässt mich glauben, wir sehen viele Tore. Vielleicht ein spätes Unentschieden, etwas Drama würde der schläfrigen Liga gut tun. Bayer bisher teilweise hinten anfällig, Bayern defensiv wenig gefordert, aber auch wenig anders als letzte Saison aufgestellt. Die Partie gegen Leverkusen kann der Kompany-Mania so oder so eine neue Richtung geben, Xabi Alonso steht vor einer weiteren großen Profilbestimmung. Ich bin gespannt, was passiert wenn diese zwei Tempofußballmannschaften aufeinandertreffen.

Peter Hesse: Schauen wir mal nach Österreich: Nach dem Stadtderby zwischen Rapid und Austria Wie ist es zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Im Anschluss an den 2:1-Sieg von Rapid stürmten Fans beider Lager den Platz und es kam zu Schlägereien – und man beschoss sich mit Leuchtraketen. Zuvor sollen Austria-Anhänger Böller in Richtung der benachbarten Rapid-Osttribüne geworfen haben. Die Polizei schritt laut Medien erst verspätet ein, neun Personen sollen verletzt worden sein, werden wir solche Bilder bald auch in Deutschland haben?

Thommy Junga: Mit großem personellen – und damit auch finanziellen – Aufwand wird in Deutschland bisher recht erfolgreich dieses Stadion-Szenario verhindert. Da geht einiges an Steuergeldern drauf. Noch effektiver scheint in Deutschland aber der sehr konservative Ansatz hinsichtlich der Hoch-Risiko-Partien. Da wird früh und konsequent vorselektiert – zu weilen ja bis runter in die unteren Klassen. Darauf dürfte es in Österreich jetzt auch hinauslaufen. Beide Klubs zeigen sich einsichtig, die Ultras sollen in ihrem eigenen Interesse stärker inhaltlich abgeholt und aufgeklärt werden. Bis ein tragfähiges Sicherheitskonzept vorliegt, werden beide Klubs keine Auswärtskarten mehr erhalten. Das ist die gebotene Konsequenz.

Fans vom Rapid Wien in ihrem Fanblock | Foto: wikipedia / Chivista / CC BY-SA 4.0

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