Zu behaupten, dass Arye Sharuz Shalicar in seinem Leben einige Wendungen erfahren hätte, wäre wohl eine ziemliche Untertreibung: Mit jüdisch-persischen Familienhintergrund schlug er sich in den 90er Jahren auf den Straßen von Berlin durch. In einem Umfeld, das nicht unbedingt für seine Sympathien für das Judentum und den Staat Israel bekannt ist. Seinen damaligen Weg, der Arye Sharuz Shalicar von den Straßen Berlins irgendwann nach Israel führte, hat er in der verfilmten Autobiografie „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ beschrieben.
Der Politologe, Publizist und Buchautor (Hundert Weisheiten um das Leben zu meistern, Der neu-deutsche Antisemit, Ein nasser Hund) mit deutsch-iranisch-israelischen Background hat jetzt nachgeliefert:
„Schalom Habibi“ heißt das Buch, in dem Arye Sharuz Shalicar über die – aktuelle – Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden schreibt.
„Das Glas ist halbvoll“
Arye Sharuz Shalicar, der im Alter von 23 Jahren nach Israel übersiedelte, beschränkt sich in diesem Buch nicht auf den Nahostkonflikt, um Lösungsansatz Nr. XXXX zur Schaffung von Frieden zwischen Israel und dem Staat feindlich gesinnten Staaten und Organisationen präsentieren.
Seine Erfahrungen in Berlin, sein „spezieller Background“ und sein Blick auf die Ereignisse der letzten Zeit – die Vereinigen Arabischen Emirate, der Sudan, Oman und andere Staaten sind dabei ihre Beziehungen mit Israel zu normalisieren – heben „Schalom Habibi – Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden“ von anderen Büchern zum Nahostkonflikt ab
Das Buch ist weitaus mehr als eine Analyse und Beschreibung der Probleme zwischen Juden und Muslimen, aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und seine Sichtweise auf die israelisch-arabischen Beziehungen: Sehr aktuell ist in diesen Tagen das vierte Kapitel des Buches, in dem Arye Sharuz Shalicar den „anderen Iran“ – vor der islamischen Revolution immerhin der stärkste Verbündete des Staates Israel im Nahen Osten – beschreibt. Die Massenmord-Pläne des Mullah-Regimes werden hier beschrieben und benannt als das, was sie sind: Als Pläne zum Massenmord!
Lesenswert für alle, die in diesen Tagen noch auf Appeasement mit dem Mullah-Regime im Iran setzen: Trotz Waffenbrüderschaft mit Russland und aufkeimenden Protesten gegen das Regime in Teheran, ist die Kritik und Reaktion aus Berlin in diesen Tagen eher gemäßigt.
Im Kapitel „eine neue Realität“ geht der Politologe auf die Zeitenwende in Europa ein und das besondere Verhältnis, die historischen Gründe dafür sind bekannt, der Deutschen zum Nahostkonflikt:
Für die Deutschen im Nachkriegsdeutschland war das Wort Krieg bis vor wenigen Monaten, als Russland in die Ukraine einmarschierte, beinahe ein Fremdwort. Obwohl es auch in Europa seit 1945 viele Konflikte gab, … denkt man in Deutschland bei dem Wort „Krieg“ vor allem an zwei Dinge: zum einen an den Zweiten Weltkrieg, zum anderen an den den „Nahostkonflikt“. Das eine ist mit dem anderen verbunden, ein eindeutiger Faden spannt sich zwischen dem Tiefpunkt der deutschen Vergangenheit und dem sich fast direkt im Anschluss daran entfalteten Existenzkampf der Juden in der muslimisch geprägten Region des Nahen Ostens.
Dass es in Europa, neben dem aktuellen Kriegsschauplatz in der Ukraine, andere potenzielle Brandherde gibt, macht Arye Sharuz Shalicar einen Absatz später, in dem er auch die vergangenen islamistischen Terroranschläge in Europa und Deutschland erwähnt, deutlich: „…dass es in Zypern zwischenzeitlich ruhig geblieben ist, hat nichts zu bedeuten, denn ein falscher Schritt der Griechen genügt, und die türkische Armee könnte es wagen, ganz Zypern einzunehmen.“
Arye Sharuz Shalicar, der in „Schalom Habibi“ besonders die mangelnde Beachtung des neuen Verhältnisses zwischen Israel und den arabischen Staaten kritisiert („Das Glas ist halbvoll!“), geht auch auf die neue (kaum beachtete) neue Realität beim Thema Nahostkonflikt in Deutschland ein:
Zu meiner Freude haben mittlerweile sehr viele Muslime akzeptiert, dass Israel nicht ihr Feind ist und die Juden ihnen Böses wollen. … Denn sie wissen, dass es absolut keinen Grund dafür gibt, dass Juden und Muslime Feinde sind. Im Gegenteil. Immer mehr Muslime akzeptieren mittlerweile, dass die Juden auf der Welt und der jüdische Staat Israel in ihrem eigenen Kampf gegen radikalislamistische Unterdrücker ihre Verbündeten sind. Sunnitische Terroristen, allen voran der IS und schiitische Terroristen, allen voran die iranischen Revolutionsgarden und die libanesische Hisbollah, stellen nicht nur eine Gefahr für die Juden und Israel dar, sondern sind in erster Linie eine tagtägliche Bedrohung für die muslimische Weltgemeinschaft. Das Blatt hat sich gewendet. Man könnte auch in diesem Fall von einer eindeutigen Zeitenwende sprechen. Leider eine in Deutschland kaum beachtete und wahrgenommene Zeitenwende. Man scheint, aus mir nicht ganz nachvollziehbaren Gründen, das Narrativ des Konfliktes aufrecht erhalten zu wollen.
Bei den geschilderten persönlichen Erfahrungen, die Arye Sharuz Shalicar als „Grenzgänger zwischen Kulturen und Religionen“ während seiner Zeit in Berlin (Die in „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ ausführlicher als in seinem neuen Buch nachzulesen sind!) und später in Israel gesammelt hat, fand ich den Abschnitt über seine Freundschaft zu Ella, einer arabisch-muslimischen Israelin – die in der IDF dient – spannend.
Die andere Seite der Medaille
Anhand eigener Erfahrungen zeigt Arye Sharuz Shalicar hier die „andere Seite der Medaille“ – die im Schatten der kriegerischen Auseinandersetzungen mit radikalislamischen Terrorgruppen und dem Staat Israel oftmals untergeht – auf. Fatima – die kopftuchtragende, arabische, Kindergärtnerin seiner Tochter – ist ebenfalls (Neben der gerade erwähnten Ella!) eine „andere Seite der Medaille“ die beispielhaft für die neue Realität steht:
- Frieden zwischen Juden und Muslimen
- Frieden zwischen Israel und den arabischen Staaten
– der auch persönlich – in diesem Falle durch Arye Sharuz Shalicar – erfahrbar ist. Das Resümee des Autors:
Frieden ist keine Fantasie mehr
„Schalom Habibi“ bietet einen perfekten Einstieg um den Konflikt im Nahen Osten, der auch auf deutschen Straßen ausgetragen wird, zu verstehen. Das Buch hebt sich von vielen anderen Büchern zur Thematik ab, weil es hier nicht aus zweiter Hand berichtet wird: Hier schreibt jemand, der den Konflikt seit seiner Jugend in Berlin „hautnah“ miterlebt hat und den Friedensprozess seit Jahren aktiv begleitet. Die Botschaft des Buches ist eine positiv: Es gibt sehr positive Entwicklungen – schaut auf diese, nicht nur auf Konflikte und denkt nicht in Stereotypen.
Seine Erfahrungen in ehemaligen „Feindstaaten“, die inzwischen ihren Frieden mit Israel geschlossen haben, sind auch in „Schalom Habibi“ nachzulesen:
In den israelischen Delegationen – die den Oman, den Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate besucht haben – die Normalisierung mit dem Staat Israel ausgehandelt haben, war der Autor mit dabei.
Auch in diesen Kapiteln gelingt es dem Autor historische Hintergründe extrem kompakt zu erklären, ohne sich in Details zu verheddern: Ein Grund dafür, dass sich das Buch sehr flüssig lesen lässt.
Ein weiter Pluspunkt sind einige humorvolle Stellen – aufgrund der Thematik und des ernsten Hintergrundes sind diese natürlich nur spärlich vorhanden – in „Schalom Habibi“, in denen der wirklich multikulturelle Mix des Autors, auch mit einer gutdosierten Prise Selbstironie, zur Geltung kommt. Bei der Vorstellung der Szenerie „Angriff mit Poliermittel auf Schuhe“ kam mir sofort eine legendäre Szene Selbstverteidigung aus Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft in dem Sinn. Das Kopfkino entlockt mir einen Lacher:
In einer kleinen Gasse angekommen, nahe eines Haupteinganges, bückte sich der Mann plötzlich, zog ein Tuch aus seiner Tasche und fing an, meinen linken Schuh zu polieren. Ich kann nicht in Worte fassen, wie unangenehm mir das war. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet. Wahrscheinlich wäre ich eher mit einer Situtation zurechtgekommen, in der er ein Messer gezogen hätte, denn das kannte ich aus meiern Jugend. Doch was tut man, wenn ein fremder Mann einem mitten auf der Straße, an einem sehr abgelegenen Ort, anfängt die Schuhe zu polieren?
Für diese Szenerie bietet der Autor keine perfekte Lösung: Dafür bekommt der Leser auf 162 Seiten die Chance, inzwischen veraltete Stereotype zu überdenken.
Und positiver, als es das Bild in vielen deutschen Medien eigentlich zulässt, auf den Nahen Osten und das Verhältnis Judentum-Islam zu blicken.
Schalom Habibi – Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden
- Herausgeber: Hentrich und Hentrich Verlag Berlin; 1. Edition (1. September 2022)
- Sprache: Deutsch
- Taschenbuch: 162 Seiten
- Preis: 18 Euro
- ISBN-10: 3955655520
- ISBN-13: 978-3955655525
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