Scheitert die Antisemitismus-Resolution des Bundestages an den Grünen?

Antisemitische Demonstration in Dortmund 2014 Foto: Laurin


Die vier demokratischen Fraktionen werden sich nicht wie geplant zum Jahrestag der Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober auf eine gemeinsame Resolution zum Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland einigen. Das berichtete gestern die Zeit. Nun soll versucht werden, zum 9. November, dem Gedenktag an das Novemberpogrom in Deutschland 1938, ein gemeinsames Papier vorzulegen. Das Vorhaben wurde mittlerweile zur Chefsache erklärt, die Fraktionsspitzen haben die Verhandlungen übernommen.

Bereits ein Jahr zuvor hatten die Fraktionen der Ampel und der Union zwei Entschließungsanträge als Reaktion auf den Hamas-Terror in Israel vorgelegt. Die Union forderte damals, „ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland“ zu prüfen und so „dem Missbrauch von Vereinsstrukturen, die unter dem Deckmantel humanitärer gemeinnütziger Vereinszwecke in Wirklichkeit Gelder für extremistische oder antisemitische Zwecke sammeln, als auch der Auslandsfinanzierung extremistischer Strukturen in Deutschland durch konsequente Anwendung des Vereinsrechts einen Riegel vorzuschieben.“ Die Ampelfraktionen wollten auch ein „Betätigungs- oder Organisationsverbot“ prüfen und „Kultureinrichtungen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder mit Einrichtungen oder Personen zusammenarbeiten, die das Existenzrecht Israels ablehnen, keine finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand ermöglichen.“ Alle vier Fraktionen sprachen sich dafür aus, dass weiterhin die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für Deutschland gültig bleibt, die auch antiisraelischen Antisemitismus umfasst. Seitdem wurde versucht, aus den beiden Entwürfen einen gemeinsamen zu erarbeiten. Es gelang nicht.

„Dass aus den zwei ursprünglich inhaltlich extrem guten Anträgen nach fast einem Jahr noch immer nichts geworden ist, ist ein bitteres Signal“, sagt Elio Adler, der Vorsitzende der Werteinitiative, einem Verein, in dem sich jüdische Bürger für das Zusammenleben in der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft engagieren. „Wir haben von beiden Seiten das Argument gehört, dass das Thema nicht geeignet sei, um sich parteipolitisch zu profilieren. Da es offensichtlich zu keiner vernünftigen Einigung kommt, finde ich, dass es sehr wohl dafür geeignet ist. Dann sollen die jeweiligen Seiten eben offen zeigen, was sie für eine Haltung zum Thema ‘jüdisches Leben’ haben.“

Dass es trotz der ursprünglichen Nähe der Positionen von SPD, FDP und Grünen und der Unionsfraktion nicht gelang, sich auf ein gemeinsames Papier zu einigen, liegt nach Informationen dieses Blogs vor allem an den Grünen. Aus Kreisen der Grünen selbst, aber auch aus der Union und der FDP wurde gegenüber diesem Blog den Grünen eine Blockadehaltung vorgeworfen. Sie seien für das Desaster verantwortlich, das nichts anderes als eine Blamage für die vier demokratischen Fraktionen im Bundestag ist. Im Umfeld der Bundestagsfraktion der Grünen sieht man das anders. Schon vor fast zwei Wochen rechnete man dort mit einer baldigen Einigung, denn es ginge nur noch um „Wortklaubereien“. Namentlich zitieren lassen will sich niemand. Das Thema gilt als toxisch.

Doch wenn das der Fall gewesen wäre, hätte nichts einem gemeinsamen Papier am 7. Oktober im Weg gestanden. Nach Informationen dieses Blogs tun sich die Grünen vor allem schwer damit, Kulturinitiativen, die den Boykott Israels unterstützen, die Gelder zu entziehen. Über ein erfolgreiches Lobbying freute man sich bei den Gegnern der Resolution schon Anfang September auf dem Internationalen Literaturfestival in Berlin. Der Historiker Per Leo schätzte auf einer Podiumsdiskussion, an der auch der Autor teilnahm, ein, dass es gelingen könnte, die Resolution zu verhindern. Die Grünen widersprachen dieser Einschätzung in einem Hintergrundgespräch vehement, aus der Union wurde sie damals mit Sorge geteilt. Bei den Grünen wurde das Papier zudem mit ihren Bundesministerien abgestimmt. Warum es notwendig sein soll, sich in dieser Frage mit dem Umwelt oder  Landwirtschaftsministerium zu besprechen, erschließt sich auch auf den zweiten Blick nicht.

Die CDU/CSU-Fraktion war bis dahin der Ampel weit entgegengekommen und hatte bereits auf ihre Forderung verzichtet, nur Personen und Gruppen zu fördern, die hinter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) stehen, zu der das Demokratieprinzip, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte gehören. Für die Ampel offenbar untragbar, die Union gab ausweislich einer diesem Blog vorliegenden Fassung des gemeinsamen Entwurfs nach, um das Gesamtvorhaben nicht scheitern zu lassen:

Das reichte der Ampel nicht. Ihr ist offenbar die Sicherstellung der Finanzierung der antisemitischen Teile der Kulturszene wichtiger als ein Zeichen der Solidarität mit Israel und den Juden. Denn obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, kam der Protest gegen die nun vor dem Scheitern stehende Resolution vor allem aus der subventionierten Kulturszene. Sportverbände, Kirchen, Gewerkschaften und Jugendorganisationen hatten mit ihr offenbar kein großes Problem.

Das sich abzeichnende Scheitern der Resolution ist nicht nur eine Schande für den Bundestags, es ist auch Wasser auf die Mühlen eines Milieus, das dafür sorgt, dass sich Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, in den vergangenen Wochen den Berliner Kultursenator Joe Chialo attackiert haben, der den Antisemiten die Finanzierung streichen will und sogar sein Wohnhaus angegriffen hat und zu Boykotten gegen Clubs wie das Conne Island in Leipzig und das About:Blank in Berlin aufruft, weil sie hinter dem Existenzrecht Israels stehen.

Bleibt zu hoffen, dass eine unionsgeführte Bundesregierung spätestens im kommenden Jahr für klare Regelungen sorgt, die mit der Ampel offenbar nicht zu haben sind: Ein Ende der staatlichen Alimentierung von Antisemitismus in dem Land von Hitler, Himmler, Goebbels und Göring.

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