Schenkt mehr Socken!

Letztens saß ich vor einem dieser wunderbar schnurrigen Morgenmagazine mit der verträglich-friedlichen Schonkaffee-Atmosphäre, die ich immer schaue, wenn ich mal wieder meinen Tagesablauf verloren habe. Diesen Magazinen verdanke ich mein Weltwissen über Körbeflechten,  Altersdepression, Bratenzubereitung, Basteln mit Wolle und Gebärmutterhalskrebs. Von unserer Gastautorin Anne Winterhager.

Vorgetragen wird alles von einem samtweichen Moderator im fliederfarbenen V-Ausschnitt-Pullover. Der V-Ausschnitt wollte irgendwann unbedingt in die Medien und fragt sich seitdem, was das bitte mit therapeutischem Basteln und Osteoporose zu tun hat. Zuschauereinbeziehung ist wichtig. Zum Beispiel bei Abstimmungen: Müssen sie bald sterben? Ja/ Nein. Haben sie einen Weihnachtsbaum? Ja/ Nein.  Im Moment ist das Thema Weihnachten sowieso ganz groß, was die Frage nach dem Sterben glücklicherweise für ein paar Wochen in den Hintergrund stellt.  Neben der Klärung, ob Weihnachtsplätzchen nun doch gesund sind, geht es jetzt auch wieder um das große Schenker-Herz der Deutschen. Was schenkt man seinen Liebsten? Jedes Jahr unglaublich wichtig und unglaublich beruhigend, weil es so egal ist.

Warum muss man darüber eigentlich öffentlich im Fernseher reden? Aus den gleichen Gründen, aus denen man sich die Renovierung anderer Menschen im Fernsehen ansehen kann. Du holst dir das vermeintlich echte,  langweilige, stinkige Leben in dein Wohnzimmer, damit du eine Ausrede hast, selber kein echtes, langweiliges, stinkiges Leben beginnen zu müssen!  

In Außenbeiträgen werden dann Menschen namens Michaela bei einem Shoppingtrip durch beleuchtete Innenstädte, über die „Don’ts des Schenkens“ ausgefragt. Und immer antworten die Michaelas etwas Erstaunliches: „Hauptsache keine Socken. Irgendwas Kreatives“. Socken wollen sie nicht. Kreativität wollen sie. Herzchenwärmflaschen. Fotouhren. Fotoschneekugeln. Fotokissen. Pärchenfotos in Schweißfolie, Delfindildos. Kreativität zum Aufstellen und Wegschmeißen.  Unglaublich viel Scheiße zum Wegschmeißen.

Für Michalea-Menschen wären Socken nur dann kreativ, wenn „I love you“ darauf steht. Doch das  Socken-Bashing geht mir auf die Nerven. Socken sind keine einfallslosen, großmütterlichen Weihnachtsgeschenke, die in den 50ger Jahren die frigide Hausfrau ihrem cholerischen Mann aus Rache für das Patriarchat schenkte. Ich freue mich immer über Socken. Denn ich trage sie jeden Tag. Sie machen Sinn.  Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: ich liebe Socken. Socken sind der Hit. Sie stehen ganz oben auf meiner Wunschliste an den Santa. Und wäre ich musikalisch, würde ich jetzt ein Lied namens: „Socken sind der Hit!“ aufnehmen. Socken stehen nicht blöd rum wie die Fotoschneekugeln:  Man kann sie zusammenrollen und in den Schrank legen. Man kann Socken auch über die Hand ziehen und Handpuppe damit spielen. Seine besockten Füße kann man fotografieren, auf Facebook reinstellen und damit 10 völlig sinnlose Likes kassieren. Mit Socken kann man mit dem Hund diese verboten-witzigen Zieh- und Zerrspiele spielen. Man kann geliebten Menschen die getragenen Socken in neckischen Gesten ins Gesicht werfen und dabei weihnachtlich lachen. In den Weihnachtsfilmen tragen die Menschen die sich in den Skihütten lieben, immer große, graue Wollsocken. Sie wollen kuschelig erscheinen. Und verdammt, sie SIND kuschelig.

Es gibt aber auch so viele wunderbare Sockenarten: selbstgestrickte Wollsocken, Baumwollstrümpfe, Feinstrümpfe, Stoppersocken, Fetischstrümpfe, Tennissocken, Zehensocken. Im Sockenparadies ist für jeden was dabei.

Um zum Schluss auch noch mit einem weiteren Klischee aufzuräumen: Auch Haushaltsgeräte sind ganz großartig, oder habt ihr schon einen elektrischen Kartoffelschäler? Als ich meinen letztes Jahr auspackte, war es pure Glückseligkeit. Ein einfacher Karton von einem großen Internetversand ohne doofes Geschenkpapier und darin: Ein wunderbar nützliches Ding, in dem man eine Entwicklung beobachten kann: Die Entwicklung von einer ungeschälten Kartoffel zu einer geschälten Kartoffel.

DAS ist nützlich, DAS ist gut – und so viel besser als ein Foto von Michaela und ihrem Freund inmitten von Plastikschneegestöber.

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Daniel Kasselmann
11 Jahre zuvor

Danke an die Autorin für diesen großartigen Beitrag! Ich werde mich sofort am Samstag in den nächsten Sockenladen machen und irgendwo kriege ich auch noch diesen ominösen Kartoffelschäler her.

Annegret Winterschlager
Annegret Winterschlager
11 Jahre zuvor

Danke:-) Kartoffelschäler: Großes, böses Internetversandhaus, klingt wie eine kriegerische Frau, ohne „e“ hinten. Klingelts?

humperdink
humperdink
11 Jahre zuvor

Ich finde selbstgestrickte Socken auch schön. Ein sehr schöner Artikel!

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