Schnorrer Off Ruhr

Die Städte Bochum, Gelsenkirchen und Recklinghausen haben sich verspekuliert. Mit Cross-Border-Geschäften. Sie haben ihre Schulen, Kanalnetze und was noch alles an amerikanische Finanzhaie verkauft und zurückgemietet und müssen nun in der Wirtschaftskrise Millionen hinterherschießen. Weil überraschenderweise die New Yorker Kohlecracks cleverer waren als die Kämmerer aus dem Pott. Nun wollen die Trottel-Kommunen, dass ihnen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zur Seite springt. Wie "Kai aus der Kiste" soll der Peer die Millionen rüberschieben, um drohende Verluste zu vermeiden.

Für mich ist das Schnorrerei. Zuerst mit amerikanischen Finanzprofis die US-Steuerzahler bescheißen wollen – und diese dabei reich machen. Und kaum tauchen die Probleme auf, sollen die deutschen Steuerzahler die Karre aus dem Dreck holen. Moral ist offensichtlich ein Fremdwort für die Profi-Handaufhalter.

Besonders Bochum ärgert mich. Die Kommune muss sich vermutlich um weitere 90 Millionen Euro verschulden, weil sonst 350 Millionen Euro Vertragsstrafe fällig werden. Ottilie Scholz (SPD), die damalige Kämmerin von Bochum und heutige Oberbürgermeisterin, hatte den Deal eingefädelt. Und als ein Bürgerbegehren das miese Geschäft zu blockieren drohte, setzte die Dame in Pömps mit schmierigen Verfahrenstricks durch, dass Bochum doch noch das Leasing abschloss.

Ich kann mich genau an das Gesicht von Ottilie Scholz erinnern, als ich Sie gefragt habe, wer ihr den Flug nach New York bezahlt, um dort die Millionenrisiken einzugehen. Ottilie sagt, die arrangierende Bank hätte ihr den Trip gesponsort. Dann drehte sich sich um, und schimpfte unflätig über meine unverschämte Frage.

Frau Scholz, die Frage ist durchaus berechtigt. Warum hat die Stadt Bochum nicht den Tripp bezahlt, wenn der Deal so toll war? Haben Sie sich schmieren lassen mit Hotel und Flug? Waren Sie nicht aufmerksam genug, als Sie den Vertrag lesen sollten? War das Hotel zu schön? Sind Sie auf Kosten der Bank eingeschlafen, als es um die Risiken ging?

Heute versteckt sich Ottilie in Bochum hinter der SPD. Und die ist sich keiner Schuld bewusst. Es heißt: "Die Bezirksregierungen hätten eingeräumt, dass niemand die aktuelle Finanzkrise habe voraussehen können.” Deswegen soll der Bund oder wer auch immer einspringen.

Wenn ich diese billige Entschuldigung lese, wird mir ganz anders. Die SPD in Bochum hat das Geschäft durchgedrückt – zusammen mit den Grünen. Jetzt gilt es zu der Verantwortung zu stehen. Ottilie Scholz sollte zurücktreten. Sie hat der Stadt den Mist eingebrockt. Dabei hätte sie wissen müssen, was für ein doofes Geschäft sie macht. Die Bürger von Bochum waren dagegen und als Ottilie nach New York flog, hatten die Länder Schleswig Holstein und Bayern ihren Kommunen den Cross-Border-Unsinn schon verboten.

Ich schlage vor, dass jeder Ottilie Scholz einen Brief schickt.

oberbuergermeisterin@bochum.de

Als Inhalt schlage ich vor:

Sehr geehrte Frau Scholz,

Sie haben die Stadt Bochum durch ein unverantwortliches Cross-Border-Leasing mit dem Rücken an den Rand einer tiefen Grube geführt. Sie haben sich dabei über den Willen der Bürger hinweggesetzt. Deswegen rate ich Ihnen – treten Sie jetzt zurück, um weiteren Schaden von der Stadt und den Bürgern abzuwenden.

Sie werden nicht vermißt.

Hochachtungsvoll

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Frank
15 Jahre zuvor

Hallo David,
wenn ich über all diese unfähigen Möchtergernfinanzmanager von Landesbankenund Kommunen so nachdenke, will ich sie die Suppen, die sie uns eingebrockt haben, täglich auslöffeln sehen. Rücktritte sind für diese Missmanager, die sich mit ihrer Unfähigkeit und Überheblichkeit an ganzen Generationen vergangen haben, doch viel zu bequem.
Leute, lasst sie im Amt und berichtet täglich über ihre Taten. Das trifft diesen Egotyp viel härter.

Die von Ihnen geschilderte Arroganz der besagten „Ottilie“ hat mich ein wenig an die frühere Bezirkspräsidentin von Arnsberg, Raghild Berge erinnert, als sie dem östlichen Ruhrgebiet seinerzeit eine überdimensionierte neue Mülldeponie aufs Auge drückte.

Jens
15 Jahre zuvor

@David:
Kennst Du Dich mit der Kommunalverfassung von NRW aus? Anscheinend nicht, denn da ist die Position der Kämmerin nicht die führende.

Und man sollte nicht vergessen, dass z.B. die CDU ursprünglich auch dafür war. Und wo ist die Rücktrittsförderung an Oliver Wittke, der in Gelsenkirchen CBL durchgesetzt hat?

PS: Glaubst Du wirklich(!), dass man sich mit einem Flug und einem Hotel bestechen lässt?

Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

Ich hielt das Cross Border Leasing damals für richtig – in Bochum wie in den anderen Städten – und muss nun sehen, dass ich mich geirrt habe. Ich glaube nicht das jemand geschmiert wurde – CBL haben viele Städte gemacht – das war alles parteiunabhängig, da hat Jens recht, und nun habe sich die Kommunen auf die Nase gelegt. War das Naivität? Vielleicht. Aber ein Stück weit ist das alles auch aus der Not heraus passiert. Die Städte haben nach neuen Geldquellen gesucht und Fehler gemacht. Damit so etwas nicht wieder passiert muss die Finanzierung der Städte verändert werden. Sie muss auf sichere Grundlagen gestellt werden und künftig sollten auch die Aufsichtsbehörden den Städten weniger Freiräume lassen. Bei einer Sache bin ich mir sicher: Weder Scholz (und Stüber) noch Wittke noch Pantförder haben aus böser Absicht gehandelt. Sie haben einfach nur sehr teure Fehler gemacht.

Jens
15 Jahre zuvor

@David:
Sorry, Du kennst Dich nicht aus. Mag ja sein, dass Scholz damals das CBL-Geschäft wollte – aber sie hat als Kämmerin nichts zu entscheiden gehabt, da dafür der Rat zuständig ist, der übrigens anfänglich auch mit den CDU-Stimmen dem Geschäft zugestimmt hat.

Wäre Scholz alleine für CBL gewesen, dann hätte es das Geschäft nicht gegeben. Alleine konnte sie vielleicht Bleistifte für ihr Büro bestellen – aber nicht so einen Vertrag abschließen.

Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

@Jens: Willst Du damit sagen das ein Kämmerer so wenig Verantwortung trägt wie ein Sachbearbeiter? Wohl kaum. Und zur Entscheidung (Die ich damals richtig fand): Entschieden haben SPD und Grüne im Rat. Das ist nun einmal so und das kann man auch nicht wegdiskutieren. Was man tun kann ist zusagen: Es war ein Fehler, das waren die Grüne für den Fehler und es tut uns leid. Fehler macht jeder und man sollte dann dazu auch stehen.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

David, mit der Beschreibung der realen Machtverhältnisse in einer Kommune wie Bochum hast du völlig Recht. Aber CBL war zu dem Zeitpunkt als Frau Scholz drauf eingestiegen ist schon eine zumindest unter Kämmerern bekannte und auch schon angewandte Lösung. Sie schien zu diesem Zeitpunkt also nicht nur Frau Scholz sondern vielen anderen, die mit ähnlichen Finanzproblemen zu tun hatten, als keineswegs ideale, aber doch gangbare Lösung. Zweifellos wurde von Experten damals schon davor gewarnt, aber wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, dann hört man natürlich eher auf die, die die möglichen Schwierigkeiten klein reden.

Und natürlich haben die New Yorker Banken auch Frau Scholz und ihren Mitstreitern ihr Produkt mit den üblichen Mitteln der Umwerbung- und Umschmeichelung schmackhaft und mit den üblichen Verklausulierungen mehr oder weniger undurchschaubar gemacht.Verträge dieser Größenordnung werden aber nun mal nicht per Telefon zum Abschluss gebracht sondern von Angesicht zu Angesicht. Und wenn man so gut wie fest entschlossen ist zu unterschreiben, warum sollte man sich dann die Reise nach New York nicht von der Bank statt aus dem kommunalen Steuersäckel bezahlen lassen.

Rebecca Bernstein
Rebecca Bernstein
15 Jahre zuvor

Ich habe die Auseinandersetzung vor sechs Jahren sehr aufmerksam verfolgt. Das CBL-Geschäft war die entscheidende Profilierungsmaßnahme von Ottilie Scholz, um Otto Stüber als OB zu beerben. Der damalige Rechtsdezernent Hanspeter Knirsch weigerte sich, dem CBL-Deal zuzustimmen, weil er die Sache für unverantwortlich riskant hielt. Scholz wusste also sehr genau, welches Risiko sie eingeht. Knirsch wurde dann später auch von ihr weggemobbt.
Der Artikel von David Schraven basiert ja weitgehend auf einer Meldung von http://www.bo-alternativ.de. Dies hat mich angeregt, mir im Archiv dieses Blogs die Nachrichten zu CBL noch einmal anzuschauen. Dabei ist mir für die Forderung, dass Scholz zurücktreten muss, noch ein weiterer wichtiger Punkt aufgefallen. In dem Prozess, den Attac und Mieterverein angestrengt haben, weil Rot-Grün den nach dem erfolgreichen Bürgerbegehren fälligen Bürgerentscheid verweigerte, stellte sich in den Prozessakten heraus, dass Scholz die Öffentlichkeit belogen hatte. [https://www.bo-alternativ.de/cbl-25-07-03.htm] Sie hatte erklärt, der Vertrag müsse sofort unterschrieben werden, sonst könne man die 20 Millionen Euro gleich vergessen. Den Bürgerentscheid abzuwarten, bedeute auf das Geld zu verzichten, weil die Banken nur noch eine kurze Zeit lang dieses „lukrative“ Angebot aufrecht erhalten würden. Die Prozessakten machten deutlich, dass die Banken keinen Zeitdruck ausübten. Scholz hat die Öffentlichkeit betrogen.
Was würde eigentlich mit einem CEO passieren, der einen Vertrag unterzeichnet, den er nicht gelesen hat, den er nicht verstehen kann, von dem ihm die Rechtsabteilung abrät, der den Aufsichtsrat und die Öffentlichkeit betrügt, als sich Opposition formiert und es sich dann auch noch rausstellt, dass er dem Unternehmen einen erheblichen Schaden zugefügt hat? Reicht das für eine Anklage wegen Untreue?

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ David,

Nicht Frau Scholz hat die amerikanischen Steuerzahler betrogen sondern die amerikanische Bank, und die hat das ganz legal getan weil sie eine Gesetzteslücke (die jetzt gerade wieder geschlossen wird) zu ihren Gunsten ausgenutzt hat. Juristisch war das also kein Betrug.

@ Rebecca Bernstein

Der Schaden den Frau Scholz der Stadt Bochum (letztlich) zugefügt hat war am Anfang ein eindeutiger finanzieller Nutzen. Er stellte sich erst viel später, und zwar durch unvorhersehbare Ereignisse, als Schaden heraus.

@ David und Rebecca

Über das Belügen der Öffentlichkeit kann nur politisch, d.h.letztlich nur durch den Wähler entschieden werden. Lügen sind im politischen Geschäft nicht nur keine Seltenheit, sie stellen sich im Nachhinein manchmal sogar als politisch richtig heraus, obwohl sie moralisch natürlich zu verwerfen sind.

Politisch war ich immer gegen das Cross-Border-Leasing, weil ich die dahinter stehende Privatisierungsstrategie für falsch halte. Die betroffenen Städte und Institutionen büßen damit einen wesentlichen Teil der ihnen noch verbliebenen lokalen und regionalen Selbststeuerungsfähigkeit ein, die gerade in der globalisierten Welt von überlebenswichtiger Bedeutung ist.

Wenn dann obendrein noch Verträge nicht veröffentlicht und zugleich durch ihre fremdsprachliche Abfassung selbst für (deutsche) juristische Experten nur schwer auf ihre Korrektheit und Seriosität einzuschätzen sind, wird die Sache obendrein methodisch-handwerklich fahrlässig. Alles in allem handelt es sich deswegen für mich um einen schweren politischen Fehler den es dringend zu korregieren gilt.

Fehler werden in der Politik jedoch immer wieder gemacht und das auch meistens gegen Warnungen der Opposition und der Öffentlichkeit, die wiederum selbst häufig mehr politisch als sachlich motiviert sind. Politik ist deswegen nichts anderes als dauernde Fehlerkorrektur. Es stände den Politikern also gut zu Gesicht, Fehler zuzugeben und sie öffentlich zu diksutieren als sie zu vertuschen respektive zu beschönigen. Das nennt man Streitkultur und diese ist obendrein zutiefst demokratisch. Ansonsten gilt der diesbezügliche Spruch des Konfuzius: Wer einen Fehler begangen hat und ihn nicht korregiert begeht einen zweiten!

David
15 Jahre zuvor

Hi Arnold,

das haben damals alle gesagt und gewusst, dass es darum geht, die Amerikanischen Steuerzahler über den Tisch zu ziehen. Nenn es Steuerloch, nenn es Beschiss. Es ging um Briefkastenfirmen auf den Cayman-Inseln und auf den Bermudas und Luftgeschäfte.

Wie das juristisch heißt, ist mir in diesem Fall egal. Es gibt eine Moral. Und wenn man sich nach der richtet, kann einem wenig passieren. Den amerikanischen Behörden ist das übrigens auch ziemlich egal. In den Staaten wird drüber diskutiert, die Luftnummern rückwirkend abzuwürgen. Und die Kohle einfach einzuziehen.

Wie wenig Spaß die Ami-Steuerfahnder verstehen, weiß Du bestimmt. Ich würde den Leuten wie Scholz jetzt nicht raten in die Staaten zu reisen.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
15 Jahre zuvor

Ich denke auch, Ottilie Scholz sollte zurücktreten. Mit etwas anderer Begründung: Opportunisten und Karrieristinnen, deren Fähigkeiten zu eigenständigem Urteil erwiesenermaßen unterentwickelt ist, sollten keine öffentlichen Ämter bekleiden.
Seinerzeit nämlich, als Cross-Border landauf landab diskutiert wurde, war die politische Landschaft quer zu Fraktions- und Parteiengrenzen gespalten. In einen kleineren Teil selbständig urteilender Menschen und in einen größeren Teil, der sich unbelehrbar und selbstgerecht den herrschenden neoliberalen Dogmen hingab. Argumente der Vernunft zählten nicht, moralische Bedenken wurden mit Links vom Tisch gewischt.
Der Schaden, den dieser Politikertypus tagtäglich anrichtet, übersteigt die Crossborder-Havarie um ein Vielfaches. Also raus mit ihnen.

Ich weiss: nur ein schöner Toren-Traum, den ich mir zum Jahresende anno Domini 2008 leiste.

Jens
15 Jahre zuvor

@Stefan (6):
Natürlich trägt ein Kämmerer oder in diesem Fall eine Kämmerin mehr Verantwortung wie ein normaler Sachbearbeiter.

Nur: Eine Kämmerin alleine kann das halt nicht entscheiden und wie Du korrekterweise gesagt hast, war das eine Entscheidung des Rates. Meines Wissens von SPD und Grünen.
Wobei man hier auf keinen Fall vergessen sollte, dass ursprünglich die CDU auch dafür war und dann erst in letzter Entscheidung sich dagegen entschieden hat. Wahrscheinlich weil man wußte, dass ja Rot und Grün alleine für die Mehrheit ausreichen.

@David (7):
Wir müssen ja nicht zueinander kommen… ich bezweifel nicht die Aussagen, dass Ottilie Scholz dieses Geschäft wollte. Weil sie es gut für Bochum hielt. Nur: Sie alleine konnte nicht entscheiden. Punkt.

Wenn Du irgendwelche Rücktritte für irgendwelche Fehler forderst, die man damals so u.U. nicht sehen konnte, dann aber bitte richtig. Und wenn wir hier schon Leute vorverurteilen, dann bitte auch die mildernden Umstände berücksichtigen. Wir brauchen hier kein Tribunal.

PS: Hoffe auch, dass Du ein frohes Fest gehabt hast.

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