Nein! Norbert Röttgen will nicht. Nicht mit den Linken. Auch der CDU-Fraktionschef im Landtag, Laumann, will nicht. Nicht mit den Linken. Laut tönend machte der gewichtige Führer der größten Opositionsfraktion im Düsseldorf Landtag klar, dass er an dem Gipfeltreffen am Freitag mit SPD, Grünen, FDP und den Linken zur Zukunft der Real- und Hauptschule nicht teilnehmen wird.
„Die CDU“, so Laumann, „sei nicht bereit, mit den Feinden der Demokratie über ein wertegebundenes Schulsystem zu verhandeln.“ Und sein NRW-Parteichef, sonst eher in den Weiten der glamourösen Berliner Republik zu finden als bei der politischen Krämerarbeit zwischen Rhein und Ruhr, betonte, in der „Rheinischen Post“: „Wir machen keine Politik mit Altkommunisten und Sektierern.“ Das Bollwerk gegen die rote Front innerhalb der Christdemokratie schien damit gefestigt — blöd nur, dass die Realität ganz anders aussieht.
Der Eklat im Vorfeld des neuen Schul-Gipfels ist da. Die Einladung von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zu einem Gespräch über einen Schulfrieden zwischen Rhein, Ruhr und Sieg hat die CDU-Spitze mit gewaltiger Wortakrobatik abserviert. Hauptgrund: Weil Kraft auch die Linkspartei eingeladen hatte. Damit werden alte Zöpfe wieder aus der Klamottenkiste der politischen Kommunikation gezogen. Denn in den Kommunalparlamenten ist diese Zusammenarbeit schon längst Alltag und bei führenden CDU-Kommunalpolitikern hat die Absage der Parteiführung auch für Irritationen gesorgt: „Was soll denn das Gehampel?“, fragt sich ein Neusser Stadtrat. „Inhaltlich haben wir uns doch schon längst von der Hauptschule verabschiedet. Eine Alternative gibt es auch nicht.“
Warum also die Absage? Möglicherweise, weil die CDU derzeit kein anderes Thema hat, an dem sie die rot-grüne Landesregierung vorführen kann? Das Treiben und Jagen der SPD-Minister Schulze (Wissenschaft/Atomkugeln), Borjans (Finanzen/Verfassungsgerichtsurteil), Jäger (Innen/Dankeschön-Spenden), Voigtsberger (Wirtschaft/ Industriepolitisches U-Boot) und Schneider (Arbeit/für was steht der?) hat nicht zum Erfolg geführt. Die Regierung ist stabil – und immer noch will kein Minister oder keine Ministerin zurück treten. Fukushima hat die letzten konservativen Werte über Bord geworfen. Mit dem politischen Untergang der FDP droht der CDU sogar auf absehbarer Zeit der Koalitionspartner verloren zu gehen – schlimmer noch: Eine Koalition scheint nur mit den verhassten Grünen zu funktionieren. Heiner Geißler, einst Generalsekretär und Grünen-Fresser in der Ära von Helmut Kohl, nannte die Öko-Partei jüngst „die neue FDP, weil die ihren Anspruch als Bürgerrechtspartei leider aufgegeben hat“. Mit den Grünen habe die Union „auf jeden Fall mehr Gemeinsamkeiten als mit der SPD, mit der sie im Bund ja schon zweimal regiert hat“. Das dürfte nicht jedem CDU-Mitglied geschmekt haben — und auch nicht jedem Grünen. Es zeigt aber, nichts scheint mehr unmöglich zu sein. Warum also nicht auch ein Spitzengespräch zum Schulfrieden in NRW? Inhaltlich hatte sich die CDU von der Hauptschule verabschiedet. Ein eigenes Schul-System haben die Christdemokraten nicht vorgeschlagen. Bleibt als Alleinstellungsmerkmal nur ein Nebenskriegsschauplatz – der Angriff auf die Linken.
Doch dieser Plan geht nach hinten los. Denn was die Führung der NRW-CDU vergisst: Im Landtag bäumen sich die Christdemokraten weniger stark gegen eine Zusammenarbeit auf – die Basis sieht das Verhältnis zu den Linken eher aus der machtpolitischen Perspektive. Niccolò di Bernardo dei Machiavelli lässt grüßen.
Das prominenteste Beispiel dafür ist sicherlich die erste parlamentarische Niederlage der rot-grünen Landesregierung im Parlament. Im Februar musste Rot-Grün dies hinnehmen – im Umweltausschuss des Landtags bei einem Thema, das so unsexy und politisch uninteresant ist wie wohl kaum ein anderes: die Handwerker-Parkausweise.
Um die Luftqualität im Jahre 50 nach der berühmten Rede von Willy Brandt im Ruhrpott („Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden“) zu verbessern, forcierten SPD und Grüne einen neuen Luftreinhalteplan für das Revier. Konsequenz: eine große Umweltzone und strengere Einfahrtsregelungen. Das betrifft auch die kleinen Handwerkerbetriebe, die teilweise Fahrzeuge besitzen mit einer roten Plakette oder eine Sondergenehmigung. Damit sollte im Juli 2011 Schluss ein. So der Vorschlag der Landesregierung. Bis zu dieser sagenumwobenen Sitzung des Umweltausschusses im Februar 20011 im Düsseldorfer Landtag unter dem Vorsitz eines CDU-Politikers.
Als ein FDP-Antrag verhandelt wurde und die Linke überraschenderweise Sympathien für eine Verlängerung der Handwerkerparkausweise um 6 Monate zeigte, erkannten die Liberalen und die Christdemokraten ihre Chancen und änderten den FDP-Antrag so lange, bis die Linken-Abgeordneten ihm zustimmen konnten. Mit den Stimmen von CDU, FDP und Linken wurde eine Verlängerung der Handwerkerparkausweise um ein halbes Jahr durchgeboxt. Das mag zwar im Lichte des historischen Atomausstiegs eine Marginale sein, die es noch nicht mal zu einer Fußnote in den Geschichtsbüchern bringen wird. Aber CDU und FDP hatten der Minderheitsregierung ihre erste Parlamentsniederlage eingebracht – mit den Linken. Ein Durchbruch! Eine Premiere! Ein Sieg! Die FDP feierte diesen Erfolg der neuen Allianz gegen Rot-Grün mit einer eigenen Pressemitteilung. Doch vermutlich war der Umweltausschuss zu unbedeutend, als das Herr Laumann das alles mitbekam. Und Norbert Röttgen verweilte wohl wieder einmal als Landeschef in Berlin, um die Welt zu retten. Deshalb sollte man ja auch nicht so kleinlich mit den Fakten und Ereignissen sein. Vermutlich war diese Parlaments-Allianz auch nur ein Versehen. Kann ja mal vorkommen.
Das dümmliche Gehampel in der Übersetzung:
„Heuchelei (Hypokrisie)bezeichnet ein moralisch negativ besetztes Verhalten, bei dem eine Person nach außen hin ein Bild von sich vermittelt, das nicht ihrem realen Selbst entspricht. Das zugrundeliegende Zeitwort heucheln stammt ursprünglich vom unterwürfigen ducken und kriechen (mittelhochdeutsch hüchen) des Hundes ab und wurde auf vorgespieltes, schmeichelndes Verhalten übertragen.“
Schulpolitik ist aber schon etwas anderes als irgendein Parkausweis für Bauarbeiter. In der Schule geht es immer auch um die Vermittlung von Werten an unsere Kinder, die kommende Generation und von daher ist es gut, wenn die CDU in einer so bedeutenden Frage wie der Schulpolitik den Feinden der Demokratie, den Extremisten und Antismemiten (siehe Duisburg) den Laufpass gibt!
@Lotte (2):
… und durch die Gesprächsverweigerung die Rolle der Linkspartei erst aufwertet?
@ Lotte: Was hat denn Bitte ein Gespräch bei Frau Kraft mit den Inhalten in der Schule zu tun?
Ich würde Sebastian Flyte raten, sich einmal mit der Linken Bildungsexpertin Gunhild Böth, an einen Tisch zu setzen, dann was er sehr schnell, was auf uns zukommen kann. Es mag ja sein das er die Abstimmungsniederlage in einem Ausschuss zum Maß aller Dinge macht, das aber z.B die rot-rot-grüne Koalition in Duisburg dafür zum Kronzeugen dienen muss, halte ich für leicht pervers. Aber wer ein halbes Jahr Handwerkerausweis und ein zukunftweisendes Schulgesetz vermengt, sollte seinen eigenen politischen Horizont erweitern und nicht so schnell von sagenumwobenen Geschehnissen schreiben.
@ Allemachtdenräten: Ich verstehe Ihren Einwand nicht. Was hat die rot-rot-grüne Koalition in Duisburg mit dem wankelmütigem Verhalten der CDU zu tun?
Die CDU propagiert auf der einen Seite eine (wie auch immer zu bewertende) Ausgrenzung der Linken, wenn es um die aktuelle Schulfrage geht. Wenn es jedoch darum geht, einen politischen Erfolg zu erringen, wird dann mit den Linken paktiert. Dass nenne ich nicht gerade eine stringente und ehrliche Politik oder?!
Darum geht es. Nicht mehr. und auch nicht um weniger!
Undemokratisch ist hier das Verhalten der CDU (ewig gestrig). Wer meint er könne über 5% der Wählerstimmen, einfach ignorieren, der sollte doch mal vom Vefassungsschutz überprüft werden.
@Kalif: Was ist daran undemokratisch mit einer Partei nicht kooperieren zu wollen? An der Stelle von Röttgen würde ich auch nicht mit der Linkspartei reden.
Die CDU NRW dokumentiert mit ihrem Verhalten in der Schulpolitik ein Mal mehr, dass sie sich in diesem Land in der Oppositionsrolle am wohlsten fühlt und eigentlich gar nicht mehr regieren möchte. Zum einen wird das an den Personalien deutlich: Mit einem Potenziellen Ministerpräsidentenkandidaten, der seinen Themenschwerpunkt in der Bundespolitik sieht, kann man keine Landtagswahlen gewinnen. Ebenso wenig mit einem Generalsekretär, der auch nicht im Landtag sitzt und der, wenn überhaupt, mit seinem Themen, Ideen und Einstellungen nur von seinen Parteifreunden in den Städten und Kommunen wahrgenommen wird. Aber genau der Landtag ist die Bühne, auf die die Kameras gerichtet sind, weil sich dort die politischen Diskussionen abspielen und da fehlen die beiden wichtigsten Funktionsträger der CDU.
Inhaltlich dieselbe Substanzlosigkeit: Es ist schon auffällig, wie die Konservativen in den letzten Wochen, allen voran Olli Wittke, ein Einlenken in Sachen Schulpolitik propagierte und wie jetzt auf einmal das Ruder herumgerissen wird, weil man sich mit den Linken nicht an einen Tisch setzen will. Das ist Prinzipienreiterei und hat nichts mit inhaltlichen Auseinandersetzungen zu tun. Das ist so ähnlich, als würde Schalke keine Spieler in die Nationalmannschaft entsenden, weil da auch Dortmunder mitspielen. Nur dass man im Fußball dann doch nicht so albern ist, wie derzeit die NRW Christdemokraten. Dieser Zickzackkurs wird der CDU nur schaden. Er dürfte ähnlich contranproduktiv sein, wie jüngst das Geschwafel von Neuwahlen im Falle eines unrechtmäßigen Haushaltes, was sich als blosses Säbelrasseln erwies.
Parteien, gerade wenn sie sich Volksparteien nennen, und ihre Mitglieder in Scharen austreten, sollten nicht nur die übriggeblieben Stammwähler nach dem Mund reden, sondern vor allem ihr Wahlvolk im Auge behalten. Und das rennt der CDU nicht nur weg, weil die Grünen mit Fukushima punkten können, sondern auch, weil man das Gefühl hat, dass der Clan um Röttgen, Wittke und Laumann eigentlich gar nicht wirklich regieren will. Opposition sieht zumindest im 21. Jahrhundert anders aus. Personell, wie auch inhaltlich
Nach 30 Jahren Schulkulturkampf dämmert es auch der CDU, dass das Schulmodell der PISA Sieger vielleicht doch nicht so schlecht ist.
Wenn ich die Andeutungen in den Bleiwüsten der „DIE LINKE“ richtig verstehe, will sie mehr Gesamtschulen, mehr Ganztagsschulen und eine Hochschulausbildung auch für Kindergartenpädagogen, das hört sich für mich nicht völlig schwachsinnig an. Warum also setzt man „Die LINKE“ nicht an den Katzentisch und die großen Parteien lösen endlich mal ein Problem?
Die Parteien sollen laut GG an der „politischen Willensbildung“ mitwirken, aber was soll man tun wen kein Wille da ist? Es ist doch auch im Interesse der CDU, wenn dieses leidige Thema endlich vom Tisch ist, am besten bevor Norbert der nächste Ministerpräsident wird. Ohne Kohle und ohne Schule ist NRW Ministerpräsident doch beinahe ein schöner Job.
Von Politikern erwarte ich, im Gegensatz zu Privatleuten, dass sie auch mit ihren (politischen) Gegnern reden, wenn es der Sache dient. Ja wenn es sein muss sogar mit ihren (politischen) Feinden. Wer über die dazu notwendige sachliche Klarheit und persönliche Souveränität nicht verfügt soll zuhause bei Mutti bleiben.
Gibt es für die Entscheidung der CDU -nicht mit der LINKEN- sachliche Gründe, z.B. „radikal-sozialistische, verfassungwidrige“ Schul- Pläne der LINKEN, wie immer die auch aussehen könnten? Ich kenne keine und die CDU benennt keine. Gibt es parteitaktische Gründe für dieses Nein der CDU ? Da kann „man“ einige annehmen. Und die CDU, nicht die anderen Parteien, hat sich zu fragen, ob das Nein ihres Partei- und ihres Fraktionsvorsitzenden tatsächlich parteitaktisch,wählerwirksam vorteilhaft sein könnte. Aus einigen Gesprächen mit „parteipolitisch neutralen“ Bürgern zum Thema nehme ich nur Unverständnis für dieses Nein mit und folgere daraus, daß parteitaktische, wählerwirksame Vorteile der CDU für ihr Nein ehe fragwürdig sind. Auffallend ist zudem, daß die meisten von mir angesprochenen Bürger die Thematik als solche gar nicht kennen und auch nicht bereit waren, sich dazu in einem Gespräch einzulassen. Alle, wirklich Alle haben mir gesagt, „die sollen sehen, daß sie Vernüftiges hinbekommen“ und wer da mit wem kann oder nicht, scheint danach viele Menchen gar nicht zu interessieen. Zur Stefan Laurins Anmerkung: Es ist doch eine „Binsenwahrheit“, daß jede Partei, mit welcher Begründung auch immer, für sich eigenverantwortlich zu entscheiden hat, ob , wann, wie, mit welcher Begründung und zu welchen Themen sie mit anderen Parteien spricht oder eben nicht. Und das sich dann jede Partei „so oder so“ der Kritik der anderen Parteien -und der Kommentatoren der Ruhrbaronen- zu stellen hat, ist eben so eine „Binsenwahrheit.“ Also abschließend noch einmal gefragt:“ Bringt das Nein die CDU konkret weiter in der Verfolgung ihrer schulpolitischen Ziele und/oder bringt es ihr parteitaktisch-wählerwirksam Vorteile? Ich bin gespannt, ob und wie die Gesamtpartei CDU-NRW diese Fragen beantwortet. Die rot-grüne Landesregierung wird ihre Gespräche -mit allen Parteien, auch mit der LINKEN-wann, wo, wie auch immer weiterführen,in Verantwortung gegenüber ihren sachlichen Zielen , und selbstverständlich aus Sicht der Parteien von SPD und Bündnist90-Die Grünen auch unter parteitaktisch-wählerwirksamen Erwägungen.
[…] Schulstreit in NRW: Röttgen will nicht mit den Linken — diesmal nicht (Ruhrbarone) – Siehe auch: Sachliche Atmosphäre aber keine Ergebnisse und Probleme eines Annäherungsversuchs. […]
@8
Stefan Laurin deshalb sind sie als politischer Mandatsträger auch völlig ungeeignet!
@Olga: Ich weiß. Und nichts reizt mich weniger, als ein politisches Mandat wahrzunehmen.