Sie haben Probleme mit aggressiven Häftlingen in ihrem Gefängnis? Kein Problem! „Das Konzept ist in der Schweiz und den USA erprobt. Dort wurden sehr positive Erfahrungen gesammelt“, warb Anstaltsleiterin Barbara Lübbert von der JVA Dortmund jüngst in der WAZ (Zitate in Kursiv). Nun muss man kein ausgewiesener Yankee-Hasser sein, um bei den Strafvollzug betreffenden „Konzepten“ aus den USA stutzig zu werden. Bei einem Land, in welchem noch bis Anfang 2005 Minderjährige in 19 Bundesstaaten zum Tode verurteilt werden konnten, einem Land, in dem jeder neunte schwarze Amerikaner im Alter zwischen 20 und 34 Jahren im Gefängnis sitzt (gegenüber einem von dreißig weißen Amerikanern), bei so einem Land wird man zuweilen stutzig, wenn es um Innovationen zum Einknasten geht. Und das sieht so aus:
„Mit einer rosa gestrichenen Gefängniszelle sollen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dortmund besonders aggressive Gefängnisinsassen beruhigt werden. (…)Die Dortmunder JVA ist landesweit das erste Gefängnis, das eine Zelle in der Farbe „Cool-Down-Pink“ gestrichen hat.“
Eine gute Idee! Zwar sei die Effektivität des „Cool-Down Pink“ wissenschaftlich belegt, aber:
„In der Theorie soll die Farbe beruhigend auf besonders aggressive Gefängnisinsassen wirken (…)Bei einem Häftling zumindest bewirkten sie das Gegenteil. Er soll seine pinken Zellenwände mit Kot beschmiert haben.“
Das nennt man dann wahrscheinlich kreativen Protest. Aber mal ehrlich – Was soll das? Klar, „Studien belegen…“ irgendwas, aber das tun sie nun mal immer. Dieses Belegen irgendwelcher Thesen, oder auch gerne mal deren Gegenteil ist Studien immanent, dennoch sind sie, und das ist ihrer oftmals hermetischen Empirie geschuldet, für Otto Normal reichlich intransparent. Vergleichbares findet sich in der Meinungsforschung, man muss nur die Frage „richtig“ stellen, schon bekommt man das gewünschte Ergebnis.
Die Sache hat noch einen negativen Beigeschmack der ganz anderen Art. Die Farbe Rosa wird von Männlichkeitsfanatikern seit jeher als Demütigung à la „Bissuschwuloderwas?“ genutzt. Ich will in diesem Zusammenhang aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht auf den Rosa Winkel zu sprechen kommen, den (vermeintlich) Homosexuelle KZ-Häftlinge tragen mussten. Aber: In den USA etwa werden Knastinsassen auch schon mal gezwungen, öffentlich rosa Unterwäsche zu tragen, um ihren Willen zu brechen – Eine unfassbare Demütigung für „echte Männer“. Das Hantieren mit der Farbe im Strafvollzug hat also eine stramm sexistische, bisweilen homophobe Komponente, Rosa gleich „schwul“ gleich nicht (mehr) aggressiv.
Im Ernst: Die Wissenschaft mag Recht haben. Dennoch sollte man sich die Frage stellen, ob es nicht andere Dinge gibt, die man in der JVA verbessern kann, als bloß die Wandfarbe. Aggressive Menschen tun aggressive Dinge, viele werden aber erst durch den Strafvollzug zu „richtigen“ Kriminellen. Hier sollte man ansetzen und überlegen, was genau diesen Effekt auslöst. Das wäre doch mal eine Aufgabe für die Wissenschaft. Dazu gehört natürlich auch geschultes und möglichst wenig frustriertes Personal, dazu gehört ein gesundes Maß an sinnvoller Betätigung. Wer etwa pro Tag nur eine Stunde Hofgang hat, bei dem das spannendste ist, im Kreis um einen Baum zu trotten, der wird mitunter Aggressivität anstauen, die sich dann in Gewalt gegen Andere entlädt.
„Das Hantieren mit der Farbe im Strafvollzug hat also eine stramm sexistische, bisweilen homophobe Komponente, Rosa gleich „schwul“ gleich nicht (mehr) aggressiv.“
Bitte?
Rosa wird doch nicht ausgewählt, weil es paar Leute mit Schwulsein verbinden, sondern eher umgekehrt: weil Rosa auf Menschen keinen aggressiven Eindruck macht usw. wird es von einigen klischeehaft mit Schwulsein in Verbindung gebracht.
Aber warum soll das nun ein Problem sein? Man sollte alles nutzen, wovon man sich Hilfe im Auftrag der Resozialisierung erhofft. Kann mir gut vorstellen, dass die wissenschaftlich belegte reduzierte Aggressivität, die psychologische Arbeit unterstützt. Weniger Störungen, stärkere Öffnungen und daher bessere Resozialisierung.
Bitte erstmal diesen Artikel lesen:
https://www.dold.ch/Files/Die%20Zeit%20nr%2048_24.11.2011.pdf
In der Schweiz wird das offenbar seit längerem mit guten Ergebnissen ausprobiert.
@ Tux, Was bedeutet es anderes, wenn amerikanische Sherrifs „ihre“ Gefangenen zum Schaulaufen in Pink auf der Straße vorführen? Da geht es um Demütigung, und nicht darum, dass ihre eigenen Unterhosen auf die Gefangenen beruhigend wirken. Den gleichen Effekt versuchen „Authoritäten“ zu erzielen, wenn sie ihre Schützlinge, seien dies nun Häftlinge oder andere Untergebene, mit „Mädels“ ansprechen. Das grundsätzliche Problem gerade im Strafvollzug ist aber doch: Macht die nicht-pinke (bzw. nicht-rosa) Wandfarbe die Menschen aggressiv, oder sind es doch eher die Verhältnisse im Knast selber?
Außerdem: Könnte es nicht eher so sein, dass die „reduzierte Aggressivität“ durch das Rosa ein künstlicher Zustand ist, der Vorhandenes nur kaschiert? Zur psychischen Auseinandersetzung mit sich und seinen Taten gehört aber die Offenlegung aller seiner Emotionen und Geisteskomponenten, es ist eben die Verdrängung oder Unterdrückung, die störend wirkt.
Auf dem Foto kann man sich mal so eine Zelle ansehen. Für mich hat das was von Clockwork Orange. Wegsperren und konditionieren. Mich jedenfalls würde es wahnsinnig machen, mich erzwungenermaßen in einem solch engen Raum mit einer so psychoaktiven Farbgebung an den meisten Stunden des Tages aufhalten zu müssen. Vielleicht klingt das albern, aber ich finde, dass das Ansätze von Folter hat, ganz im Ernst.
@#4 | Robert:
Es geht doch wohl nur darum, das ein bis zwei Zellen rosa gestrichen werden und wer im Knast durchknallt und agressiv wird, darf da so lange in der rosa Zelle bleiben, bis er wieder in den normalen Vollzug eingegliedert werden kann. Es geht nicht darum, jetzt jede Zelle rosa zu pinseln.