Wider der Boulevardisierung eines ernsten Themas.
Wie war das nochmal? Letzte Freitag Nacht gegen halb 12 tritt der Grußonkel der Tagesthemen sensationsheischend in einem Teaser auf und verkündet eine neue Bedrohung für die Menschheit. Bumms. In der nachfolgenden Sendung kommt das Thema dann als 90sekünder zwischen den Nachrichtenblöcken. Nächste Episode: TWITTER auch hier wimmelt es nur so von Meldungen, die durch ihre auf 140 Zeichen begrenzte Länge nur nach Panik heischend rüber kommen. Doch auch hier gibt es bereits einige die sich dagegen verwehren.
Und was liest man so in der Zeitung? Der Titel der WAZ von heute Morgen lautet: „Verdacht auf Mexiko-Grippe im Revier und im Sauerland“. Zwischenheadline „Testergebnisse stehen aus“. Und im Text nähern wie uns wieder vorsichtig der Wirklichkeit. „Es bestand keine Notwendigkeit einer Behandlung“ wird zitiert. Gleiches gilt für den zweiten Fall. Auch dort ergab der Schnelltest keine Symptome. Ja es ist wieder soweit. Wie bei der Wirtschaftskrise wird wieder die Sau durchs Dorf getrieben und mit einem ernsthaften Thema, das eventuell eine große Bedrohung für uns alle werden KÖNNTE, sensationsheischend Panikmache getrieben.
Und der Spiegel berichtet in einer Eilmeldung gerade über den vermutlich ersten Fall in Bayern…
Hi Uli,
grundsätzlich hast Du recht. Bei dem Thema muss man ruhig und besonnen bleiben. Trotzdem halte ich die Sensibilisierung für richtig.
Und ich kann Dir nicht zustimmen, dass die Weltwirtschaftskrise eine Sau ist, die durchs Dorf getrieben wird.
Zuerst zur Krise: Sie ist ernst. Leute verlieren ihren Job – zu zehntausenden. Hundertausende bangen. Und kaum einer, der seinen Job verloren hat, findet neue Arbeit. Das ist keine Sau. Das ist Shit. Frag mal in Deinem Bekanntenkreis, wie es aussieht.
Dann zur Schweinegrippe: Ich denke, vier Dinge unterscheiden die Nummer von der Vogelgrippe: a) Menschen in Deutschland sind krank. b) Sie wird von Menschen auf Menschen übertragen c) sie verbreitet sich schnell und ohne Gegenmaßnahmen schneller. d) die Sterberate ist mit fast 10 Prozent extrem hoch.
Klar haben die in Mexiko kein Knappschaftskrankenhaus. Aber trotzdem halte ich die Sorge für sehr berechtigt. Ich hab mir Medikamente besorgt.
Hallo David, was die Wirtschaftskrise angeht habe ich mich wohl nicht sauber ausgedrückt und den Vergleich nicht deutlich herausgearbeitet.
Die Ernsthaftigkeit der Folgen beider Themen ist mir sehr bewußt und erlebe ich bei der Wirtschaftskrise auch in meinem Umfeld.
Mir geht es vielmehr um die Rolle der Medien beim Thema der Schweinegrippe, die in der Berichterstattung teilweise zu sehr überspitzen. Dies wird der Ernsthaftigkeit nicht gerecht. Mich stören dabei die Mutmassungen und die Art und Weise wie damit gespielt wird.
Gottseidank verhalten sich die Menschen besonnener. Die Sorge ist berechtigt und die Vorbereitung von Gegenmaßnahmen auch.
Die Massenmedien könnten mich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über eine ernsthafte Bedrohung informieren, selbst wenn es eine gäbe. Katastrophe hier, Katastrophe da, alles nur für Auflage und Umsatz. Ich bin einfach zu taub geworden vom ständigen Geschrei.
@Michael Herzog: ich finde die Medien reagieren zum größten Teil sehr besonnen und schüren keine Panik (Ausnahme: BILD) schon). Ich fühle mich als Leser gut informiert und ich erfahre auch, was man alles noch nicht genau weiß und genau DAS finde ich gut. Übrigens: Auch was die Wirtschaftskrise betrifft ist die Berichterstattung meiner Einschätzung nach sehr detailgetreu und vielschichtig. Ich habe mich selten in Krisenzeiten so gut informiert gefühlt wie in den letzten Monaten.
Twitter ist ja oftmals digitaler Boulevard. Das ist ja sehr schön erkannt. Wenn allerdings die WHO die Warnstufe für eine Pandemie erhöht, dürfen Print und TV meiner Meinung auch darüber berichten. Im Gegensatz zur Finanz- und Wirtschaftskrise berichten die Medien hier allerdings wohl früh genug. Mit den klassischen Auswüchsen des Boulevards. Und (ist nicht bös gemeint jetzt), wenn wir uns schon über die Fehler der Berichterstattung von Bild und Co aufregen, sollten wir es lieber korrekt tun: Heißt es eigentlich „wider der Boulevardisierung“ oder doch eher „wider die Boulevardisierung“?
🙂
Elmar