Es spielte schon deutlich auf die Elektropioniere Kraftwerk an, wie „Señor Coconut“ alias Uwe Schmidt hinter seinem Stehpult auf der Bühne fast unbeweglich den Laptop bediente – aber der umtriebige Workaholic steuerte nicht nur kühle Beats, sondern überließ auch bei einer der heißesten Latin-Combos nichts dem Zufall. Jede und jeder kam mächtig in Fahrt in der Zeche Zollverein – und jede Winterkälte schien binnen Minuten weggeschmolzen!
Ein Marimba – und ein Vibraphon, eine Salsa-Schlagzeugbatterie nebst Bläsersection befeuern den Sänger, der sich immer wieder auf die einschlägigste Coverversionen einschießt. „Smooth Operator“, „Beat it“ oder „Smoke on the Water“, die zu den am häufigsten abgespielten Hits im ganzen Musikgeschäft gehören. Das Wagnis, an so etwas ganz peinlich zu scheitern, ist immens.
Aber Senor Coconut und die phänomenalen Musiker aus der lateinamerikanischen Wahlheimat vollbringen das Wunder, solch „ewige“ Standards aufs nachhaltigste von jeder Erstarrung angesichts ihrer unablässigen Wiederholung zu befreien, da es hier gelingt, mit extremer Einfühlung die „Codes“ (Senor Coconut) der Stücke zu erfassen und diese in neue Kontexte zu übersetzen.
Fabelhaft virtuose Soloparts verdichten die Intensität in den ausgiebig langen Stücken. Oft groovt das Schlagwerk mit elektronischen Beatgewittern aus dem Computer des Bandleaders um die Wette, der zuweilen mit einer „Acid“-Modulation aus den Techno-Gründertagen humorvoll dazwischen zu funken weiß – und damit auch auf der Bühne seine bemerkenswerte Doppelexistenz als Elektronik-Künstler und Latin-Spezialist leben lässt. Ironie aus südländisch-lässigem Blickwinkel ist hier im Spiel- ein dezidiertes künstlerisches Konzept waltet im Hintergrund.
Grenzgänge wie diese gingen hatten einst in Kraftwerk-Adaptionen ihren Ursprung. Davon zeugen beim Essener Konzert „nur“ zwei Stücke, die aber mit ausgefuchster Dramaturgie und einem pantomimisch ausgeführten „Fahrradrennen“ auf der Bühne nochmal großes Theater bieten.
Die Macher der Konzertreihe in der Zeche Zollverein haben mit diesem Gastspiel wieder einmal Geschmack bewiesen.