Sieg für die Pressefreiheit. Bittere Niederlage für Dortmund.de

Der Verlag Lensing-Wolff setzte sich im Prozess gegen Dortmund.de durch

Verleger Lambert Lensing-Wolff feierte das Urteil als Sieg der Pressefreiheit. Dortmund.de darf nicht mehr über alles und jeden in Dortmund berichten. Das Landgericht wies die Stadt in ihre Grenzen. Eine Einschätzung.

So etwas nennt man im Fußball eine Klatsche. Das, was Borussia Dortmund mit dem 0:4 bei Bayern München erlebte, ist sehr vergleichbar mit dem Urteil einen Tag zuvor im Dortmunder Landgericht. Eine Niederlage auf ganzer Linie, ohne nur den Hauch einer Chance zu haben. Diesmal für die Stadt, nicht für den BVB. Der Richter gab dem klagenden Verlag Lensing-Wolff in seinem Verfahren gegen die Stadt bzw. das Internetportal Dortmund.de „vollumfänglich“ Recht.

Dortmund verlieret Prozess wegen Dortmund.de

Die Internetseite der Stadt dürfe in Inhalt und Aufmachung nicht dem Angebot eines Medienunternehmens gleichen, urteilte der Richter. Dies verstoße gegen die gebotene Staatsferne der Medien. Sprich: Portale wie Dortmund.de dürfen nicht so tun als ob sie unabhängige Medien sind. Das sind sie nämlich nicht. Konkret ging es um Seiten aus dem Jahr 2017. Damals gab es sogar noch Werbung auf den Seiten von Dortmund.de. Reporter der Stadt schwirrten zu allen erdenklichen Terminen aus, um darüber (eben nicht unabhängig) zu berichten. Mittlerweile hat die Stadtverwaltung die Berichterstattung auf der Seite erheblich eingeschränkt. In voraus eilendem Gehorsam. Aber auch das nutzte ihr vor Gericht nichts.

Der Prozess fand vor dem Dortmunder Landgericht statt

Verleger Lambert Lensing-Wolff kommentierte das Urteil nachher süffisant. „Ich würde mich freuen, wenn sich die Stadt etwas schneller digitalisieren würde und wir nicht länger im Bürgerbüro stehen müssten. Und wir das digital machen könnten. Das wäre eine gute Aufgabe der Stadt und nicht gute Presse für sich selber zu machen.“

Enttäuschung bei der Stadt

Die Stadt war enttäuscht. Nicht nur für sich selber, sondern für alle Städte und Gemeinden in. Deutschland. Dieses Urteil könnte tatsächlich Signalwirkung haben. Auch in anderen Kommunen gibt es ähnlich umfangreiche städtische Portale wie Dortmund.de. Auch in München oder Köln regt sich dagegen Widerstand. Die Stadt ficht hier einen Kampf stellvertretend für andere Städte aus, die ebenfalls interessiert auf das Urteil blicken. Auch deshalb ist davon auszugehen, dass die Verwaltung bis zur letzten Instanz klagt, sehr wahrscheinlich.

Auch München und Köln schauen auf Prozess

Dass sie siegt ist dagegen eher unwahrscheinlich. Der Dortmunder Richter nahm in seinem Urteil Bezug auf einen Musterprozess, den die Stadt Crailsheim vor dem Bundesgerichtshof verloren hat. Die Stadt darf keine eigene Zeitschrift mehr an Haushalte verteilen, sondern nur amtliche Mitteilungen verbreiten. Nicht in der Gestalt eines unabhängigen Mediums Stadt-Propaganda verbreiten.

Staatliche Propaganda greift um sich

Mittlerweile – und da sind wir wieder beim Fußball-Vergleich – verhalten sich staatliche Organe in ihrer Kommunikation häufig wie Proficlubs. Die verbreiten ihre wichtigen Informationen manchmal nur noch über eigene Medienkanäle. Diese Tendenz gibt es auch längst bei Staatsorganen. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Besuch des Bundespräsidenten zusammen mit einer NRW-Landesministerin in einer Dortmunder Schule. Wir Journalisten durften die beiden bei ihrem Rundgang nicht begleiten und wurden auf ein Podium abgeschoben. Hautnah beim Rundgang dabei waren dagegen die PR-Mitarbeiter von Präsident und Ministerin. Sie begleiteten die beiden mit Stift, Blog und Kamera. Um dann ihre geschönte Version des Besuchs auf staatlichen Seiten hochzuladen während die Journalisten außen vor standen.

Staatliche PR darf nicht als Journalismus daher kommen

Dass bei YouTube oder Facebook Grenzen zwischen Werbung und Journalismus verwischen, kritisieren Politiker gern. Oder dass dort Fake News verbreitet werden. Aber was sind denn staatliche oder städtische Berichterstattung anderes? Auch das sind geschönte Fake News. Oder PR. Wie immer Sie es wollen. Die Stadt Dortmund wird sicherlich keinen kritischen Bericht über den Oberbürgermeister verbreiten. Die Schulministerin von NRW keine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Schulpolitik. Deshalb ist das Urteil des Dortmunder Landgerichts, dass staatliche PR nicht in der Aufmachung von Journalismus daher kommen darf, wichtig.

Probleme im Lokaljournalismus

Allerdings – das gebe ich einschränkend zu – beim Fall der Stadt Dortmund muss man auch andere Aspekte berücksichtigen. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, was der Anwalt der Stadt am ersten Verfahrenstag sagte: Dortmund.de berichte über Themen, über die andere Medien nicht berichteten. Das ist tatsächlich so. Immer mehr Lokalredaktionen schließen und die, die existieren, werden immer kleiner. Längst decken lokale Medien nicht mehr alle Aspekte des städtischen Lebens ab. Hinzu kommt, dass viele Medien Paywalls hochziehen, also nur noch für zahlende Kunden berichten. Der Lokaljournalismus geht vor die Hunde. In diese Lücke ist die Stadt mit Dortmund.de erst reingesprungen.

Wie kann eine Lösung aussehen?

Lokaljournalismus verliert an Wert. Gleichzeitig kann es nicht sein, dass staatliche Publikationen uns mit Steuergeldern und ihrer geschönten Meinung einlullen. Was kann also die Lösung sein? Ein staatlicher Stiftungsjournalismus, wie in ihn der ehemalige SPD-Staatssekretär Jan-Marc Aumann mal ins Spiel brachte? Eher nicht. Auch da wäre mir die Staatsnähe viel zu groß. Ich mache mal einen anderen Vorschlag: Ministerien, Städte, Regierungen hören mit ihren umfänglichen PR-YouTube-Social-Media-Aktivitäten auf. Das würde Millionen an Steuergeldern einsparen. Dieses Geld packen sie in Töpfe, aus denen Journalisten und Verlage Geld beantragen können. Und zwar nicht nach Haltung oder Kriterien wie „der trägt dem Minister brav die Tasche“, sondern nach mathematischen Faktoren. Wie viele Artikel veröffentlicht ein Portal? Wie viele Mitarbeiter beschäftigt es? Wie viele Menschen lesen, sehen oder hören, was Journalisten produziert haben?

Dortmund als Vorbild

Damit könnten wir in Dortmund doch gleich anfangen. Dann hätte die Stadt wieder eine Berichterstattung wie sie es sich wünscht. Bis in den letzten Winkel der Kommune. Aus Vereinen, aus Stadtteilen, aus bestimmten Szenen. Und wir hätten viele unterschiedliche Quellen, aus denen sich Bürger ihre Informationen zusammensammeln können. Und eine Jobmaschine mit extremem Gründergeist wäre auch da. Das hätte mehr Signalwirkung als eine Berufung gegen das Dortmunder Urteil.

 

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Ruhr Reisen
Ruhr Reisen
5 Jahre zuvor

Lokaljournalismus ist für Bürger unverzichtbar.
Er ist das einzige Mittel, sich gegen kommunale Willkür am Ort zu wehren und Misstände aufzudecken. Das zur Utopie. Die wenigen Redakteure des WAZ-Monopols erfüllt diese Aufgabe schon lange nicht mehr. Die Nähe zur Kommune ist allerdings auch hier schon immer ein Problem gewesen. Wenn man sich mal die Mühe machte und Artikel im Lokalteil durchzählen würde, die aufgrund von Pressemitteilungen verschiedenster Lokalakteure ins Blatt und Netz kommt, fragt man sich tatsächlich, was in den meisten Städten die Journalisten außerhalb des Sports noch recherchieren. Das Dilemma ist aber: Guter Journalismus kostet. Betrieben wird er deshalb online immer mehr von Hobbyjournalisten oder den wenigen, die im Ruhestand eine Erfüllung darin sehen, weil sie nicht (mehr) davon leben müssen. Wie sich das im digitalen Umbruch weiter entwickeln wird und Bürger bereit sind für alternative Modelle Geld zu zahlen, bleibt abzuwarten.

Robin Patzwaldt
Editor
5 Jahre zuvor

Darüber, dass das mit der Lokalzeitung hier leider nicht mehr wirklich gut funktioniert, habe ich vor ein paar Wochen auch schon einmal etwas geschrieben:

https://www.ruhrbarone.de/die-lokalzeitung-ist-tot-und-ich-bin-weg/173043

ke
ke
5 Jahre zuvor

Warum gleichen sich viele Presse-Publikationen und die Portale der Städte etc.? Weil die Presse auch im großen Umfang Pressemitteilung publiziert. Recherche fehlt häufig komplett bzw. ist offensichtlich fehlerhaft und tendenziös durch Weglassen oder dem Fehlen anderer Ansichten.

Wo bleibt da die kritische Rolle der Medien. Dann gibt es überwiegend Artikel, die eigentlich nur auf Klicks zur Pay-Wall verweisen. Früher hatte man Infos in der Schlagzeile bzw im ersten Absatz als Zusammenfassung. Heute ist der erste Teil der Meldung ein Rätsel, das nach Einwurf weiterer Münzen gelöst wird.

Ich kann das Urteil deshalb nicht nachvollziehen, frage mich aber auch, was so manche Polizeibehörden etc. als ihre Aufgabe betrachten, wenn Social Media Teams den Entertainer spielen. Das ganze wird auch zum Eigentor, wenn Basics nicht mehr funktionieren. Der Verweis auf die Bürgerbüros, die zurzeit mit ihren Schlangen mit der DDR konkurrieren, ist mehr als berechtigt.

paule t.
paule t.
5 Jahre zuvor

Aus unternehmerischer Sicht ist es natürlich gut verständlich, solches Verhalten einer staatlichen Institution für unfairen Wettbewerb zu halten und dagegen vorzugehen. Dabei geht es aber zunächst mal nur um die – wie gesagt: durchaus verständlichen und legitimen – unternehmerischen Interessen, nicht darum, ob andere Medien frei berichten können oder nicht. In dieser Weise, wie es hier im Artikel und vor allem in der Überschrift geschieht, unternehmerische Interessen mit Pressefreiheit gleichzusetzen, ist darum leicht zu durchschauender, interessegeleiteter Bullshit.

Dann im nächsten Moment zu verlangen, dass der Staat den Medien einfach mal Geld ins Portemonnaie schaufeln soll, und dabei dann auch noch nicht mal auf eine gemeinnützige Form achten dürfen soll, ist dann gleich schon eine bemerkenswerte Chuzpe.

paule t.
paule t.
5 Jahre zuvor

Naja, ich halte den Leser für so dämlich nicht, dass er nicht erkennen könnte, dass ein Medium von der Kommune kommt, sondern nehme eher an, dass es sehr viele Leute einfach nicht kümmert. Und daher halte ich es im Wesentlichen eben doch eher für eine Wettbewerbsfrage, weil ein kostenloses Medium von Seiten der Stadt andere Medien unter Druck setzt. Bei dieser Wettbewerbsfrage kann man natürlich gerne (und das würde ich unterschreiben) für die Staatsferne der Medien Stellung beziehen und deswegen die Entscheidung gegen solche Medien begrüßen. Aber solche Medien gleich zur Gefährdung der Pressefreiheit hochzujazzen, so als würden andere Medien durch sie nicht nur unter wirtschaftlichen Druck geraten, sondern direkt in ihrer Berichterstattung behindert, halte ich nun mal für deutlich übertrieben.

Zitat: "Du selbst meckerst ja über Paywalls, bist also nicht bereit, für Journalismus Geld. zu bezahlen. Nur wenn keiner mehr dafür bezahlen will, wird es über kurz oder lang keinen Lokaljournalismus mehr geben."

Habe ich das mal hier bei den Ruhrbaronen getan? Kann schon sein, ich weiß es nicht mehr – da weißt du über meine Posts mehr als ich. Aber die Schlussfolgerung, ich wäre nicht bereit für Journalismus zu zahlen, ist falsch – ich habe eine Tages- und eine Wochenzeitung abonniert. Mein Problem mit Bezahlschranken ist nur, dass für mich das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt, wenn ich nur ganz gelegentlich Links zu einzelnen, möglicherweise (was ich oft nicht erkennen kann) interessanten Artikeln folgen will, die dann hinter einer Paywall stecken. Zumal ich, was bezahlen im Internet angeht, eher eine Steinzeitmentalität habe und mich sowieso nur ungern bei Seiten anmelde, die ich nicht wirklich ganz regelmäßig nutze.

Aber ja, ich sehe durchaus das Problem des Lokaljournalismus, und habe auch keine Lösung dafür. Gäbe es aber etwa eine qualitätsvolle lokale/regionale Wochenzeitung, könnte ich mir vorstellen, die auch zu halten. Die müsste sich aber strikt auf den regionalen Bezug beschränken, denn eine dritte Zeitung zu überregionalen Themen würde ich nun wieder nicht brauchen.

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