Am 25.02 fand im Siegener Ortsteil „Hengsbach“ eine Informationsveranstaltung zur geplanten Umwidmung eines jahrelang leerstehenden Kita- Gebäudes zu einem Flüchtlingsheim statt. Ein Erlebnisbericht von unserem Gastautor Steffen Benjamin Herbig.
„Seit zwanzig Jahren war ich nicht mehr in dieser Kirche“ geht mir auf dem Weg zu dem Veranstaltungsort durch den Kopf. Mit ein paar interessierten Studierenden der Uni Siegen habe ich mich auf den Weg gemacht. Wir befürchten das Schlimmste und hoffen das Beste. „Wir sind aus verschiedenen Gründen nicht einverstanden mit einem Asylanten- und Flüchtlingsheim mitten in unserem Stadtteil, das allerdings konnten wir bislang nicht formulieren und argumentieren“ zitiert die Lokalzeitung einen Anwohner. Um mitzuerleben, wie dies formuliert und argumentiert wird betreten wir die Hengsbacher „Christuskirche“. Der Einladung der Siegener Stadtverwaltung sind gegen 19 Uhr ca. 60 Personen gefolgt, im Laufe der nächsten halben Stunde füllen sich die Reihen aber noch auf rund 120 Teilnehmende. Junge Menschen sehe ich nur vereinzelt, und dann meist als junges Paar. Männer mittleren Alters dominieren das Bild, unterbrochen von bemüht-besorgt drein blickenden Weißhaarigen. Keines der bekannten Siegerländer Neonazigesichter scheint vor Ort zu sein.
„Das sind alles relativ normale Menschen!“
Die Stadträtin Babette Bammann eröffnet die Veranstaltung. Ihr Anliegen scheint es zu sein, mitzuteilen, dass das Heim nicht „für immer“ im Ortsteil bleibe und notwendig sei aufgrund „massiver Verstärkung“ der Flüchtlingszahlen. Sie sagt deutlich, dass Sie „Verständnis hervorrufen“ möchte und benutzt dafür Formulierungen wie „muss“, „verpflichtet“ und „haben aufnehmen müssen.“ Man merkt ihr deutlich an, dass sie diesen Teil ihrer Arbeit nicht gerne macht.
Als nächstes beschreibt André Schmidt, seines Zeichens Fachbereichsleiter Kinder, Jugend und Familie, Bildung, Soziales, Wohnen, den „gesetzlichen Auftrag“ und dessen Delegation von oben nach unten. Er erinnert an die „Container“ in den neunziger Jahren, neben dem Eiserfelder Klärwerk, die „abgebaut werden konnten“ und erklärt, dass der Standort aufgrund von Kostenfragen gewählt worden sei. Als er erwähnt, dass noch weitere Standorte eröffnet werden sollen werden die Mienen der Zuhörenden finster und als er sagt, dass „normaler Wohnraum“ für Geflüchtete langfristiges Ziel der Stadtpolitik sei schütteln einige mit dem Kopf. Beruhigter sehen sie erst aus, als Schmidt versichert, dass in dem Heim „keine Gartenfeste oder Partys“ stattfinden werden. Er schließt mit den Worten: „Das sind alles relativ normale Menschen!“
Stefan Böhmer vom VAKS (Verein für Soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen e.V.) berichtet von seinen Erfahrungen mit der Betreuung von Geflüchteten, was er seit 1993 beruflich macht und betont die Notwendigkeit zusätzlicher ehrenamtlicher Hilfen. Er appelliert: „Das sind keine Monster die kommen, sondern Menschen!“
„Können Sie uns garantieren, dass es keine Probleme gibt?!“
Die Fragerunde beginnt. Der erste Redebeitrag bemängelt, dass alte Menschen nicht „solche Unterstützung“ erführen und erntet Applaus. Der nächste wiederum fordert eine „Willkommenskultur“ und erntet ebenfalls Applaus. Die Stimmung im Raum scheint nicht eindeutig einzuschätzen zu sein. Eine Frau fragt besorgt, auf welche Schulen die Kinder der Geflüchteten denn kämen und ob Hengsbacher Kinder dadurch benachteiligt würden. Jemand anders erinnert indifferent mahnend an die „Medienberichte“ zu Polizeieinsätzen im Burbacher Flüchtlingslager, was ein junger Mann im Trainingsanzug der örtlichen Handballmannschaft zum Anlass nimmt fordernd zu fragen: „Können Sie uns garantieren, dass es keine Probleme gibt?!“ Stramm stehend wartet er bis die Frage -natürlich negativ- beantwortet wird.
Ein Lichtblick ist dann der Beitrag eines Herrn Daub, der, ungeachtet der vorherigen Beiträge versichert, ehrenamtliche Hilfe über die ansässigen Vereine zu organisieren. Ein weiterer Anwohner sagt, dass er über die ablehnenden Reaktionen einiger Anwohner beschämt sei. Daraufhin meldet sich der schon im Vorfeld in der Siegener Zeitung zu Wort gekommene Herr Haub zu Wort. Er wohnt direkt neben dem Gebäude. Er will, dass seine Ängste ernst genommen werden! Er sagt, er habe Angst „vor der Einrichtung“. Näher auf seine Ängste eingehen will er offensichtlich nicht. Mir platz der Kragen. Ich rufe zu ihm herüber, ob er Angst habe, dass ihm „die Einrichtung“ auf den Kopf springen würde. Seine „Angst“ ist für mich pure Xenophobie, so real begründet und so ernstzunehmen, wie die Angst eines Kindes vor der Dunkelheit… Die Fragerunde geht weiter, Einer kritisiert die Baukosten, eine Andere fragt nach einem Zaun, rund um die Einrichtung, Herr Daub geht versöhnend auf die Ängste der Anwohner ein und ruft abermals zu ehrenamtlichem Engagement auf.
Unfreiwillig komischer Höhepunkt ist die Frage eines Anwohners, ob denn dann die Straße nicht zugeparkt würde. Nachdem ihm geduldig erklärt wird, dass die geflüchteten Familien wohl keine Autos besitzen, beharrt der Mann immer noch darauf, dass die Strasse ja jetzt schon zugeparkt würde, worauf die Stadträtin kurz und knapp sagt, dass sie dies dem Ordnungsamt dann mitteilen würde. Der Fragende schnappt kurz nach Luft und setzt sich wieder. Es gibt noch einige Fragen, allerdings keine ausformulierte Kritik, keine Argumente der Gegner des Heimes. Man fragt, ob der Hausmeister denn rund um die Uhr da sei, und ob „die“ nicht zum Putzen herangezogen werden könnten. Der Abend endet ohne großen Disput. Draußen vor der Kirche äußert einer der Gegner seinen Unmut: „Am besten wir schnappen uns heute Nacht nen Kanister Benzin und dann ist das Problem gegessen!“
Wir gehen und machen uns Sorgen, dass das mehr als nur ein geist- und geschmackloser Stammtischwitz ist.
Unabhängig vom Inhalt des Artikels ist mir nicht klar, was der Autor mit seiner Überschrift erreichen will. Dass eine Verneinung vom Menschen kaum wahrgenommen wird, ist vermutlich bekannt. Warum also so eine Überschrift?
Insgesamt spiegelt der Artikel und vermutlich auch der Abend die aktuelle Debatte sehr gut wider. Ein paar Schlagwörter, aber insgesamt gibt es nur eine wenig differenzierte Betrachtung des sehr komplexen Asyl-/Fluchtthemas.
Vermutlich ist der Autor betroffen, weil Mensch meint, gegenüber anderen Menschen eine solche Aussage bemühen zu müssen, um Menschen von der Ungefährlichkeit der kommenden Menschen zu überzeugen…