Siegen: Rassistischer Diskurs reloaded

Foto: Bubo/ (CC BY-SA 3.0)
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Zwei Wochen nachdem die Siegener Zeitung „Zündstoff“ herbei schrieb, sammeln sich die Reaktionen. Eine Stellungnahme der Zeitung, oder des für den Artikel verantwortlichen Redakteurs Michael Wetter gibt es bislang nicht, aber traditioneller Stil des Blattes ist auch vielmehr, die von ihm lancierte Stimmungsmache durch gezielte Veröffentlichung von Leserbriefen zu untermauern. Von unserem Gastautor Steffen Benjamin Herbig.

So wettert im ersten erschienenen Leserbrief der rechte CDU- Mann Herbert Bäumer gegen alles, was ihm fremd erscheint. Er erinnert an die beginnenden 1990er Jahre, für ihn augenscheinlich eine Zeit, vornehmlich geprägt durch „Zuzüge aus dem damaligen Ostblock“ und „Probleme mit den kriminellen Rumänen“. Um den aktuellen Bezug zu Burbach herzustellen ist er sich nicht zu schade, aus den berichteten Ladendiebstählen „Körperverletzung und bandenmäßigen Diebstahl um die ehemalige Siegerlandkaserne“ zu machen.

Schließlich passt dies in sein Weltbild, in dem „täglich (…) klapprige Busse in die Innenstadt (kommen) und professionelle Bettler aus(laden).“ -Eine Angstfantasie, die er sich mit dem deutschen Stammtisch teilt. Nachdem also einer Breitseite an Vorurteilen und Ressentiments ein Forum geboten wurde, bemüht sich die Siegener Zeitung um den Anschein von Neutralität und veröffentlicht am 5. November die Pressemitteilung der Partei „die Linke“ vom 30. Oktober – als Leserbrief. Wirkliche Leserbriefe werden am 8. November abgedruckt. Der Tenor aller drei Briefe ist Empörung über die tendenziösen Formulierungen des Ursprungsartikels und über die davon mitausgelösten „verunglimpfende(n) und rassistische(n) Äusserungen des Herrn Bäumer“ und seiner noch deutlicher hetzenden Gesinnungsgenossen auf Facebook. Katharina Braas aus Burbach stellt die entscheidende Frage an die Zeitung: „Was will Ihr Blatt mit solch einem Artikel bewirken, außer Wasser auf die Mühlen derer zu gießen, die im bürgerlichen Deckmäntelchen gerne in brauner Soße rühren oder generell mit keinerlei Veränderung umgehen können?“

Zu Unrecht in der „rechten Ecke“?

Diese Frage, sowie auch die im „offenen Brief“ von Julia Dombrowski am 8. November gestellten Fragen, will die Siegener Zeitung nicht beantworten. Stattdessen veröffentlicht das Provinzblatt einen Leserbrief, der sich an der als Leserbrief veröffentlichten Pressemitteilung der „Linken“ abarbeitet. Bagatellisierung der Ladendiebstähle von Kleinstartikeln wird vorgeworfen und sich indifferent gegen die Anerkennung des Grundrechts auf Asyl bei den in Burbach kasernierten ausspricht: „Einer Einbürgerung (Naturalisierung) widersprechen jedoch Fakten, welche das Ziel haben, sich durch Ausübung von Straftaten persönliche oder/und materielle Vorteile zu verschaffen.“(sic!) Ins gleiche Horn blasen dann auch die beiden am 11. November erscheinenden Leserbriefe, die für die Siegener Zeitung offensichtlich den Diskurs abschliessen. Axel Berg schreibt von unterlassenen Anzeigen „aus Angst heraus, man könnte politisch in die ‚rechte Ecke‘ abgestempelt werden“. Nachdem er erwachsene Menschen mit zu-erziehenden-Kindern gleichsetzt, fordert er „die „Spreu vom Weizen“ zu trennen und endet mit dem BILD-Werbeslogan von 2006: „Jede Wahrheit…“

„Viele meiner Freunde sind Ausländer“

Das bisherige Schlusswort zu der Debatte lässt die Siegener Zeitung Achim Heinz aus Seelbach sprechen. Nachdem er fragt, „In welcher Lebensrealität leben eigentlich diese Leserbriefschreiber, die von ‚bürgerlichem Deckmäntelchen‘, von ‚brauner Suppe‘, von ‚Schubladen-Denken‘ und ‚fremdenfeindlicher Hetze‘ und mehr schreiben?“ Er gibt Einblick in seine eigene Lebensrealität, in der ihm „ein seit 15 Jahren in Deutschland lebender Pakistani“ von der „staatlichen Verwaltung und (…) Rechtssicherheit“ vorschwärmt, ganz ohne zu hinterfragen, warum er für den Herrn Heinz kein „Deutscher“ ist. Auch Franzosen will Achim Heinz kennen, die „die Verhältnisse in den Pariser Vorstädten genauso kennen wie die Zustände in der „Flüchtlingsstadt“ Marseille.“ Auch will er um den „Anteil von Ausländern am Umschlag von Drogen usw.“ wissen. Er schliesst mit den Worten: „Ich wünsche mir, dass ein jeder, der hierzu schreibt oder spricht, nicht vergisst, dass Reden allein, ohne die tätige Hand, keine Verhältnisse ändert.“

Dem gegenüber steht das Fazit der Diskursanalyse von 1994 zu rassistischer Berichterstattung der Siegener Zeitung: „Worte, Sätze, Diskurse sind erst der Hintergrund für Taten. Struktureller Rassismus wie die faktische Abschaffung des Asylrechtes wie auch die direkte Gewalt, die sich in rassistisch motivierten Anschlägen und Morden kristallisiert, ist erst auf diesem Hintergrund möglich und erklärbar.“ Ein trauriges Beispiel für „die tätige Hand“ liefert die Aldi-Süd Filiale in Burbach. Ein Sicherheitsunternehmen wird engagiert, dass Augenzeugenberichten zufolge „Ausländer“ kontrolliert.

Siehe auch: Die Siegerländer und ihr Umgang mit Rassismus

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Achim Heinz
Achim Heinz
10 Jahre zuvor

Hallo,
zu den vorg. Fragen meines Leserbriefes:
1. Pakistani: Wer sich selber als „Pakistani“ bezeichnete, den darf ich sicher auch so nennen.
2. Frankreich: Es liegt einfach und simple daran, dass ich Menschen kenne, die dort wohnen und das über viele Jahre.
3. Drogenumschlag: die Welt ist eine „google“. Einfach mal selber recherchieren.

Freundliche Grüße
Achim Heinz

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