Silvesterkrawalle: Betroffenheitslyrik ändert nichts

Reste eines Feuerwerks (Symbolbild) Foto: Dr. Bernd Gross Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), hatte nach den Ausschreitungen der Silvesternacht sogleich eine Warnung parat: „Wer jetzt mit Generalverdacht gegenüber Menschen mit Einwanderungsgeschichte reagiert, trägt zur weiteren Stigmatisierung und Spaltung unserer Gesellschaft bei, statt die sozialen Ursachen des Problems zu bekämpfen.“ Natürlich gab es einen solchen „Generalverdacht gegenüber Menschen mit Einwanderungsgeschichte“ nicht. Kaum jemand mit japanischen, griechischen und auch türkischen Wurzeln dürfte das Gefühl gehabt haben, angesprochen zu sein.  Trägt man alle heute schon verfügbaren Informationen zusammen, haben sich wohl vor allem arabischstämmige Jugendliche und und junge Männer aus dem Clanumfeld, die aus der Gegend um Mardin in der Türkei stammen, zusammengetan.

Letztere sehen zumindest in der dritten Generation meist weder als Türken noch Araber oder Kurden, sondern haben eine Identität die sich auf ein paar Dörfer bezieht. Das politische System der Bundesrepublik mögen sie verachten, aber eine andere Heimat als Deutschland haben sie nicht. Niemand will sie. Die meisten sehen Deutschland als ihr Land und das ist es mittlerweile auch. Und sie sind der Ansicht, hier die Regeln bestimmen zu können. Und das nicht nur an Silvester. Zu Angriffen auf Rettungskräfte kommt es in den entsprechenden Wohnquartieren das ganze Jahr über. Mittlerweile bieten Spezialisten Sicherheitsschulungen für Krankenwagenbesatzungen und Notärzte an. Es geht nicht um Böller, es geht um Gewalt und Verachtung gegenüber die Mehrheitsgesellschaft – und die wird längst nicht mehr nur aus Deutschen gebildet.

Die Aufgabe einer Integrationsbeauftragten wäre es nun nicht Sprachregeln aufzustellen, das ist einfach, sondern Ideen entwickeln, was getan werden sollte. Klar ist: Weg bekommt man diese Menschen nicht mehr, der Staat und die Gesellschaft müssen sich also etwas einfallen lassen.

Und da gibt es Grund zum Optimismus: Sowohl die meisten Araber als auch die aus der Region Mardin stammenden Menschen, die in Deutschland wohnen, wollen wie alle anderen auch im Wohlstand in einem Rechtstaat leben und ihre Ruhe haben. Es könnte sich ein Umgang wie mit den Hooligans in den 80er und 90er Jahren empfehlen. Damals gingen der Staat, die Vereine und die Fans gegen die Schläger vor. Die Fußballfans gaben ihnen zu verstehen, dass sie ihr Verhalten weder unterstützen noch gutheißen. Der DFB finanzierte Fanprojekte, in denen auf die Problemgruppen zugegangen wurde und der Staat und die Vereine setzte auf Repression: Hooligans erhielten Stadionverbote, auffällige Fans bekamen auf der Arbeit oder in ihren Wohnungen Besuch von der Polizei, die ihnen klar machte, dass man sie im Blick hätte. Es kam zu Haftstrafen, der Verfolgungsdruck wurde größer. Dieses Vorgehen hatte Erfolg.

Es geht darum, Gruppen deren Verhalten auf patriarchalischen, autoritären Werten fußt, zu schwächen, was immer einhergeht mit der Befreiung der einzelnen Menschen, die Teil dieser Gruppen sind. In der aufgeklärten Gesellschaft steht der Einzelne im Zentrum, nicht irgendwelche Clans oder Gangs. Soll Integration gelingen, müssen die Einzelnen gestärkt und die Gruppen so weit geschwächt werden, bis sie bedeutungslos geworden sind. Das widerspricht der postmodernen Betroffenheitslyrik, für die die westliche Gesellschaft immer der eigentliche Täter ist, aber darum sollte man sich natürlich nicht kümmern.

Ablehnung aus der eigenen Community, Verfolgungsdruck und Pädagogik sind die Mittel, die eingesetzt werden sollten. Es wäre angenehm, wenn es eine Migrationsbeauftragte gäbe, die sich um dieses Problem und nicht um clowneske Sprachregeln kümmern würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

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