Niemand bleibt mehr sitzen, denn das ist ja demotivierend. Alle lernen jetzt von selbst, die Kinder vom Gymnasium mit aller Unterstützung der Welt und die Kinder aus den Hauptschulzweigen der integrierten Gesamtschule einfach so aus dem Nichts. Ist das nicht schön im rot-grünen Modellprojekt-Paradies? Und wer profitiert denn da eigentlich? Klar, die Gymnasiasten! Von unserer Gastautorin Anne Winterhager
Und für die Nicht-Gymnasiasten? An integrieren Gesamtschulen gibt es ja in vielen Bundesländern schon lange eine Einschränkung des Sitzenbleibens. Dieser Zustand wird als beispielhaft beschrieben, da es dort nicht mehr so viele Schulabbrecher gibt. Ein etwas dünnes Argument, da keinerlei Infos über die Notendurchschnitte der Nicht-Abbrecher, besonders nach dem Hauptschulabschluss daraus hervorgehen. Jeder weiß, dass Menschen aus niedrigeren Bildungsschichten die einmal mit einem unterdurchschnittlichen Hauptschulabschluss entlassen wurden, erstens anschließend kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und zweitens das verpasste Wissen nicht so einfach nachholen können, da ihnen leider keine Ressourcen im Garten wachsen.
Und was nützt da die eventuelle Chance einen Realschulabschluss nachzuholen, wenn sie den Stoff dafür nicht beherrschen?
Ein einmal gemachter Abschluss, so schlecht er auch ist, lässt sich in Deutschland nicht mehr widerholen. Da fragt man sich ernsthaft, ob es nicht besser ist „abzubrechen“, sich eine Auszeit zu nehmen und dann den Hauptschulabschluss nochmal in Angriff zu nehmen, dann aber richtig. Die Tochter meiner Nachbarin besucht eine solchen, „modellreife“, integrierte Gesamtschule und wird mit schlechten Noten durchgeprügelt und fühlt sich seit Jahren unmotiviert und zunehmend richtig depressiv. Ihr Selbstbewusstsein ist derbe ausgedrückt „im Arsch.“
Ja, vielleicht hätte sie ansonsten abgebrochen und ein Jahr Pause gemacht, aber mit einem 4er Hauptschulabschluss sieht sie ihrer Zukunft auch nicht gerade rosig entgegen.
Sie und ihre Freundinnen hassen das System auf den integrierten Gesamtschulen, sie würden lieber sitzen bleiben. Dafür würden sie auch lieber ihre Freunde in der Klasse „verlassen“, was ja oft das vielgepriesene Argument gegen das Sitzenbleiben ist, als weiterhin von den Lehrern vor der Klasse als dumm gedemütigt zu werden. Das ist ihnen nämlich hundertmal peinlicher als das Sitzenbleiben.
Sitzenbleiben am Gymnasium, ein bisschen Einrad fahren und dann einfach am Ressourcenbaum rütteln
Meines Erachtens muss man die Frage der Nützlichkeit des Sitzenbleibens differenzieren, und dringend zwischen den verschiedenen Schultypen und Bildungsmilieus unterscheiden.
Vielleicht würde es in manchen Fällen am Gymnasium Früchte tragen, um den Kindern der Gutsituierten mehr Zeit zum Leben zu geben.
Diese Kinder haben schon ein hartes Leben als Leistungsträger, gehen aufs Gymnasium, fahren Einrad, lernen vegetarisches Kinderkochen und Chinesisch weil das ja wichtig ist(!?!?) – und haben dann auch das Recht, ja sogar die Pflicht, sich total wild ausprobieren, solange es das kulturelle Feeling hat: Drogen in der Jugendtheatergruppe? Yes! Bisexuelle Erlebnisse beim Bodenturnen. Auch okay! Biertrinken auf dem Edekaparkplatz? No!
Und so kommt es, dass diese Superheranwachsenden so von ihren Leidenschaften erfüllt sind, dass sie die Schule als Stress empfinden und sich zeitweise nicht voll und ganz darauf konzentrieren können und wollen. Aber wer will denen schon einen Strick daraus drehen, dass diese Leute Superforscher, Journalisten, Sportler, Künstler, Mediendingsbums werden? Niemand: Das wächst sich doch alles wieder raus. Die Schule packen die schon. Bei deeeeen Anlagen. Vielleicht ist diese Schulmüdigkeit sogar ein Ausdruck von Hyperintelligenz? Schnell zum Test. „Der Arzt sagt: Druck ist da genau das falsche Mittel!“ Passt ja zur Lebenseinstellung. Zack, gekauft.
Druck macht tolle Kinder wirr im Kopf und ist nicht gut für ihre Kunst, ihre zahlreichen Hobbies, ihre aufstrebenden Ambitionen bei der Forschung nach einem Mittel gegen Krebs! Und es ist ganz selbstredend für die engagierten Eltern, dass man alles tun muss um das Maximum an Lebensqualität für den Nachwuchs herauszupressen, wie Saft aus einer blutenden Bioorange.
Den Stoff kann man ja auch ein Jahr später bzw. parallel wieder aufholen, wenn man die Kinder gezielt fördert und die Ressourcen von seinem Ressourcenbaum im Vorgarten schüttelt. Hier im Bildungs-Paradies ist die Nachhilfe jederzeit und in jeder Form erntefrisch verfügbar – und zur Not nimmt man eben ein bisschen mehr Geld in die Hand. Hauptsache die Kinder sind weiter mit ihren Freunden zusammen und haben Zeit zum Einrad fahren.
Und am Ende Abi, natürlich!
(Dies war natürlich überspitzt und polemisch formuliert, natürlich weiß ich, dass am Gymnasium lange nicht mehr nur Kinder aus gut situierten Akademikerfamilien stammen, aber die Studien, wer letztendlich das Abitur schafft, zeigen immernoch deutlich dorthin.)
Die integrierte Gesamtschule, ihre Hauptschüler und der Kampf gegen das Sitzenbleiben
An integrierten Gesamtschulen muss man eine Klassenwiederholung beantragen und es liegt an einer Lehrerkonferenz, diese zu bewilligen oder abzulehnen. Meine Nachbarin hat dies im Falle ihrer Tochter Lena 3 Mal getan und wurde jedes Mal abgeschmiert. In der siebten, achten und jetzt, in der neunten Klasse. Nun wird Lena bald mit ihrem Hauptschulabschluss mit schlechten Noten ans Ufer gespült, und hat seit Jahren keine Lust mehr in die Schule zu gehen. Sie findet die Lehrer ungerecht. Sind sie ja auch. „Wie Müll behandeln die mich, wenn die mir nicht erlauben, sitzen zu bleiben.“ Tun sie ja auch. Sie hat das Gefühl, sie wollen sie loswerden und nur die Leistungsstarken fördern. Der Verdacht liegt nahe, und die Versuchung für die Lehrer ist riesig, eine noch stärkere Zweiklassengesellschaft aus ihren Schülern zu machen als ohnehin schon – und den schwächeren auch noch ihre letzte Illusion zu nehmen.
Und wer denkt Sitzenbleiben sei peinlicher als weiterzukommen, aber Jahre lang für dumm zu verkauft werden, der hat wohl auch noch nie in einer Klasse gesessen. „Viele meiner Freunde wollen gerne die Klasse wiederholen, es ist ja auch nicht schön und peinlich immer so schlecht zu sein, dafür würden wir auch in eine Klasse drunter gehen.“ sagt Lena.
Natürlich hat das mit Lena einen Grund, viele Gründe, jeder Art. Ihre Familie musste Hartz 4 beantragen und Lena hatte nie so ein Auffangnetz wie die Kinder Fördervereinmuttis am Gymi. Das Nachhilfepaket, das Frau von der Leyen in ihrer engelhaften Barmherzigkeit geschnürt hat, kam bei Lena auch nicht an – zu viele Fehlzeiten, Arge lehnte ab. Wie gesagt, Lena hat seit Jahren keine Lust mehr auf Schule, weil sie sich von den Lehrern rausgemobbt fühlt. Deshalb schwänzt sie. Da, genau an dieser Stelle, beißt sich die Ratte in den Schwanz. Keiner kann so recht was dafür: Lena ist nicht doof und nicht per se unmotiviert, Lena ist normal. Aber Lena wird seit Jahren kategorisch von einem System jegliche Hoffnung genommen.
Sie ist sehr realistisch, sie sagt sie bräuchte Zeit ihre Lücken zu füllen. Dann würde sie auch nicht aufgeben. Sie hat auch überhaupt kein Bock wieder auf die nächste Schule gespült zu werden. „Wenn mich jetzt jemand pflichtmäßig für den Realschulabschluss annimmt, dann kann ich das wieder nicht und wir haben kein Geld das nachmittags nachzuholen und dann blamiere ich mich wieder…“ – und dann geht das alles so weiter.
Lena ist schlau, aber die Welt um sie herum ist es nicht. Die, die ihn Lenas Welt das sagen haben, sind stumpf und bürokratisch und asozial genug, ihr die Chance zu versauen, sitzenzubleiben.
Arme Lena. 🙁 Ein typisches Beispiel wie gut gemeint komplett das Gegenteil von gut gemacht ist.
Danke für diesen wichtigen Artikel, Gastautor.
Bei allen Schwächen, die dieser Artikel hat, arbeitet er doch eins klar heraus. Die Pseudokuschelpädagogik wird von den Kindern als das erlebt, was sie ist: eine riesen Verarschung.
Mir hat man die mittlere Reife geschenkt!!! nur um mich los zu werden, denn ich hatte dem Direktor damit gedroht, die 10. Klasse an seiner Schule zu wiederholen. Da gab’s dann wohl ’ne Konferenz wo folgendes beschlossen wurde: „Ne, komm, gib dem sein Abschlusszeugnis, über die Totalverweigerung sehen wir mal großzügig hinweg, noch ein Jahr halten wir den nicht aus“.
Ach, wenn ich an diese Hilflosigkeit der Pädagogen zurückdenke. Herrlich.
Da haben wohl Einige nicht verstanden, was in unseren Schulen wirklich schief läuft. Das Sitzenbleiben ist ein überkommendes, auf Strafe ausgelegtes „pädagogisches“ Mittel, was hoffentlich bald in der Müllkiste der Geschichte verschwinden wird.
Das reaktionäre Geseiere über sogenannte Kuschelpädagogik durfte (in den Kommentaren) natürlich auch nicht fehlen.
Das autoritäre System der Schulen muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Das Kind darf nicht mehr ins System gepresst werden, bis es passt, sondern die Schulen endlich vom Kind aus denken.
@Karsten: Genau – egal ob es dem Kind nutzt und ob es das will.
@ Karsten: Dieses Mädchen MÖCHTE sitzen bleiben, weil sie nicht weiss, wo sie die Dinge sonst lernen soll! Diese Schule denkt nicht vom Kind aus, wenn das Kind sagt: Ich will die Klasse wiederholen. Und die Schule sagt: Nö, du bist uns zu stressig und DU BRINGST UNS nichts. Für das Mädel wäre es ein Akt des Vertrauens in ihre Fähigkeiten von Seiten der Schule, dürfte sie sitzen bleiben. Natürlich gibt es auch den entgegengesetzen Fall, aber man kann nicht alle Kinder über einen Kamm scheren. Es gibt auch genug solcher Fälle wie hier beschrieben.
@Stefan: Möchtest du damit andeuten, dass Kinder schlecht behandelt werden wollen? Oder habe ich dich missverstanden?
Genau Karsten, und wie toll das funktioniert hat man ja an mir gesehen. Nämlich gar nicht.
@Anne W: Es sollten eher gezielte Fördermaßnahmen getroffen werden. Wenn das Mädchen es aber unbedingt möchte, sollte sie auch freiwillig eine Klasse wiederholen dürfen. Aber dies ist die absolute Minderheit. Fast alle Kinder, die sitzenbleiben sollen, wollen dies nicht. Hier wegen sehr seltener Einzelfälle sich grundsätzlich für das Sitzenbleiben auszusprechen ist schon sehr merkwürdig.
Ne, Karsten, er will sagen, dass diese Kinder die Klasse wiederholen wollen und das müsste doch eigentlich in deinem Sinne sein, denn die Kinder sollen doch selbst entscheiden können. Also was den nun? Willst du die Kinder zwingen, nicht zu wiederholen, also in ein System pressen?
Warum ist denn Sitzenbleiben gleich schlechtes Behandeln? Man kann es doch auch als Chance wahrnehmen, Phasen, in denen man nicht so gut klar kam, auszubügeln?
@ Karsten
Die Verlogenheit einer bei genauerer Betrachtung auf Nötigung aufbauenden, Kuschelpädagogik heuchelnden Erziehung ist Ausdruck einer wirklich reaktionären und verantwortungslosen Gesinnung eines modernen, unverbesserlichen Spießertums. (Ich hab das so geschrieben, damit ihnen der Duktus vertraut erscheint. Man soll die Leute ja da abholen, wo sie stehen.)
Für alle anderen: Sowas wie Kuschelpädagogik gibt es gar nicht, das was so daherkommt, ist konfliktscheue Kindsverarsche.
Den autoritären Charakter, den Schule auch hat, bekommen Sie schon allein deswegen nicht vollkommen ausgemerzt, weil Schule verfassungsgemäß zunächst nach Beamtenrecht zu gestalten ist und erst danach auch Kinderrechte berücktsichtigt werden können.
Und natürlich darf der Hinweis auf Kuschelpädagogik nicht fehlen, denn er ist absolut gerechtfertigt. Jemand wie ich reagiert auf eine solche Pädagogik mit ungehemmter Totalverweigerung und versaut sich nicht selten die komplette Zukunft.
@Anne W: Fast kein Kind, dass sitzenbleiben soll ist in allen Fächern schlecht, deswegen alles zu wiederholen ist schon einmal unsinnig. Außerdem ist die einfache Wiederholung nicht unbedingt eine Verbesserung. Darüber hinaus setzt das Sitzenbleiben viel zu spät ein, nämlich wenn schon viel zu viel schiefgegangen ist. Trotzdem ist das Sitzenbleiben gar nicht das Problem an sich, sondern nur ein Symptom eines auf Konkurrenz und Demütigung ausgelegtes Schulsystem. Um dieses zu überwinden, müssten als Erstes die Noten abgeschafft werden. Daneben, dass sie völlig willkürlich und nichtssagend sind, schaffen sie ein unmenschliches Klima!
Ist auch für die Kuschelpädagogen nicht immer so toll, ich meine, wenn ein Lehrer heulend aus der Klasse rennt, spricht das ja nicht unbedingt für seine Kompetenz.
Aber wie Robert sagt, die Gefahr ist sehr groß, dass unmotivierte Lehrer sich gewisser Schüler immer schneller entledigen Wird eine allgemeine Stimmung gegen das Sitzenbleiben nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Lehrer es sich noch einfacher machen? ( Und das halte ich für gefährlich) Und wo sollen bitte die Kinder den Stoff, der ihnen fehlt, nach einem schlechten Hauptschulabschluss holen, um weiter zu machen? Und was ist, wenn sie mit ihren Noten nirgendwo angenommen werden und dies vorher nicht abschätzen konnten? Man bräuchte ein viel größeres außerschulisches Beratungsangebot, sichere Nachhilfezuschüsse, Aufklärung ohne Ende. Das alles müsste mit einer Abschaffung des Sitzenbleibens einhergehen. Und wie soll das alles auf einmal funktionieren, was in den letzten Jahren auch schon nicht geklappt hat? Viele Leute wissen nicht, wo sie die Ressourcen herbekommen….
@Wilfram Obermanns: Der Begriff Kuschelpädagogik ist bestimmt keine Erfindung von irgendwelchen Linken. Es ist ein rechter Kampfbegriff, so ähnlich wie der Begriff Gutmensch. Das deutsche Schulsystem ist ungerecht, leistungsschwach (wenn man soetwas denn als Kriterium ansieht) und demütigend. Das haben mittlerweile fast alle Staaten der Welt erkannt, nur am deutschen Wesen soll weiterhin die Welt genesen.
„rechter Kampfbegriff“ Ah, das beliebte Multifunktions-Argument wird hervorgeholt. Na ja, wenn man sich nicht anders zu helfen weiß.
@ Karsten: Aber Noten gibt es in anderen Staaten auch… oder wurden die neuerdings irgendwo abgeschafft?
Das Deutsche Schulsystem soll mal ganz gut gewesen sein. Damals, als es noch keine Kuschelpädagogik gab.
@Anne W: In Skandinavien gibt es nur teilweise noch Noten. Trotzdem oder gerade deswegen gehören sie in allen Vergleichen zu den Spitzenreiter*innen.
Oh Mann, Karsten.. Die skandinavischen Staaten sind in den PISA-Erhebungen gerade mal so Durchschnitt. Schweden z.B. war 2009 in allen Bereichen außer Lesekompetenz (knapp drüber) unter OECD-Durchschnitt, Dänemark in allen Bereich unterdurchschnittlich. Norwegen ist leicht über dem Durchschnitt. Alle drei schneiden übrigens in großen Bereichen wesentlich schlechter als Deutschland ab. Finnland ist top, aber ja auch irgendwie nicht so richtig skandinavisch; Noten kann es da ab der fünften Klasse geben, ab der siebten sind die Pflicht.
Es ist doch völlig offensichtlich, dass in Deutschland einfach nur formale Aspekte eines womöglich ja wirklich besseren Schulwesen (Inklusion, alle Kinder mitnehmen..) übernommen werden. Das ist ja auch relativ einfach und kann in Parlamenten beschlossen werden. Viel schwieriger ist es, die Situation in den Schulen vor Ort grundlegend strukturell zu verbessern. So haben wir halt das schlechteste aus beiden Welten.
Apropos Finnland, dem Spitzenreiter in Sachen PISA Studie:
„Finnland hat im europäischen Vergleich eine der höchsten Selbstmordraten unter Jugendlichen.“
„Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern beginnen finnische Jugendliche recht früh mit dem Rauchen und Trinken.“
(nachzulesen auf dija.de/finnland einem Projekt von ijab, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
was ich sagen will: Es macht keinen Sinn Schule lediglich auf Noten und Leistung zu reduzieren. Wir lernen nicht für die Schule. wir lernen fürs Leben. Das hatten selbst schon die alten Lateiner geschnallt.
Das Problem liegt nicht im Sitzen bleiben. Das Problem liegt in unserer Gesellschaft, die erwartet, dass aus einem Kind in möglichst kürzester Zeit ein erwachsener Mensch gemacht werden muss. Das mag bei manchen Menschen funktionieren, aber Gott sei dank nicht bei allen.
Sitzen Bleiben würde ich deshalb als eine sinnvolle pädagogische Maßnahme erachten, die einer rein leistungsorientierten Erziehung entgegen wirkt. Ich bin selber sitzen geblieben und möchte diese Zeit nicht missen. Meine Kindheit hat sich dadurch um ein wertvolles Jahr in die Länge gezogen. Ein Jahr mehr Zeit zum Spielen, ein Jahr mehr Zeit für Sport und Hobbys, ein Jahr mehr Zeit, um pubertierenden Blödsinn zu machen. Man wiederholt ein Schuljahr doch gar nicht unbedingt, weil man zu doof oder geistig unterbelichtet ist. Ich habe wiederholt weil ich zu faul war, weil ich die Leistung, die man mir abverlangte, verweigerte, weil ich als Kind meine Schwerpunkte anders gelegt habe, als Eltern und Pauker von mir erwarteten.
Als Kind/ Jugendlicher tetst man immer wieder Grenzen an. Wenn man ein Schuljahr wiederholt, wird einem eine solche Grenze gesetzt, denn man bekommt ganz klar vor Augen geführt, dass man nur weiter kommt, wenn man ein Mindestmaß an Leistung erbringt. Wie soll man diese für die spätere Arbeitswelt wichtige Erfahrung machen, wenn man trotz fehlender Leistung irgendwie ständig durchgeschleust wird?
Ich weiß nicht, wer hier sonst noch alles eine Ehrenrunde gedreht hat. Vermutlich bin ich nicht der einzige und vielleicht können ja auch andere, die diese Erfahrung gemacht haben, schildern, wie sie diese Ehrenrunde erlebt haben.
@#23 | der, der auszog
Absolute Zustimmung, ich habe auch ein Jahr wiederholt, freiwillig, von den Noten her ging es noch. Aber im nächsten Jahr es dann schieriger geworden. Natürlich war es am Anfang nicht schön in eine neue Klasse zu kommen, aber auf dem Schulhof hatte man doch trotzdem noch die alten Freunde.
Und Sitzenbleiben soll peinlich sein? So steht’s auf einige Nachrichten-Seiten. Konnte ich bei mir nicht feststellen, warum soll das auch peinlich sein?
Bin selber auch pappen geblieben, freiwillig. Hätte damals Nachprüfung machen können( gibts den Müll noch?), was ich nicht wollte. Als14jähriger auf Sommerferien fürs Pauken verzichten und dann direkt weiterbüffeln um den Anschluß hinzubekommen( was ja meistens nicht klappte), fand ich nur dumm.
Aber auf unserer Realschule, hatten wir damals noch die fünfte und sechste als Orientierungsstufen. Wenn man in dieser Zeit merkte, das passt mit den Anforderungen nicht so ganz, einfach „ohne Peinlichkeit“ nochmal versuchen. Wenn man merkte, die Anforderungen werden garnicht erfüllt, auf die Hauptschule ohne Wiederholung.
Wir hatten damals ( also ca 20 Jahre her) aber auch das Problem einer überalterten Lehrerschaft, die mit unserem Zeitgeist nichts anfangen konnten, sich und uns aufgaben und einfach nur noch ihr Standartprogramm Jahr für Jahr durchzogen. Ich hatte wirklich mal genau den gleichen Englischtest (Matrize) wie eine meiner Schwestern 5Jahre vorher schon.
Ich hoffe die Lehrer müssen irgendwann auch mal ein bis zwei Wochen im Jahr Pädagogische Lehrgänge machen, um die Kids überhaupt noch zu ereichen.
@#17 | Karsten: „Fast alle Länder“ hier, „fast alle Schüler“ da – hätte Ihnen eine Ehrenrunde allein zum Wiederholen des Mathe-Grundstoffs nicht doch gut getan? Jetzt ist es anscheinend zu spät…
Wäre ich jetzt bösartig, könnte man behaupten, die Gegner des Sitzenbleibens nehmen bewusst in Kauf, daß diese Kinder ihre Noten nicht verbessern können um dadurch ihrem eigenen Nachwuchs die Konkurrenz (Gymnasium, Uni, Beruf) aus dem Weg zu räumen.
Gott sei Dank bin ich aber nicht bösartig.
Sitzenbleiben? Gibts diesen Quatsch immernoch? Gymnasien auch? und Hauptschulen?
krass, wie langsam wir sind, das Schulsystems zu reformieren. Redet man Jahre drüber, alle sind sich einig und nichts passiert.
Nur son Quatsch wie wie Schule auf 12 Jahre zu reduzieren. Das ging schnell.
Worüber genau sind sich alle einig?
ich stimme „dem,der auszog zu“, sitzenbleiben schenkt den kindern ein jahr, in einer immer schnelleren welt: in der leute sinnlos schnell fertig werden ( bachelor etc.) und kein arsch mehr weiss, warum…die chefs wollen das nicht, die leute fühlen sich selber nicht bereit. sitzen bleiben abschaffen ist meines erachtens ein zugeständnis an diesen „schnell-schnell-automatismus“, den wir stoppen sollten…es wundert mich auch, dass das mit dem abschaffen ausgerechnet von rot-grün kommt…. es ist als hätten sie wieder nicht bis 3 zählen können und sich mal wieder nicht gefragt ob das, was sie tun ihrer eigenen „ideologie“( oder dem, was davon übrig ist) nun entspricht oder total entgegenwirkt. ärgerlich.
und mich wundert auch, dass manche menschen „sitzenbleiben abschaffen“ als zugeständnis an die kinder und eine humanere pädagogik empfinden… das ist es doch nur auf den allerersten, oberflächlichsten blick….
Wie waer es denn, wenn man nur dort sitzen bliebe, wo Nachholbedarf ist. Und vielleicht schneller lernte, wo’s besser klappt? Ist wohl eine Organisationsfrage?