So haben die Städte aus dem Ruhrgebiet und NRW den Aufbau Ostdeutschlands finanziert

Innere Altstadt Dresdens Foto: Albrecht Voß – Stadtarchiv Dresden Lizenz: CC BY-SA 4.0


Im Rahmen des Aufbau-Ost wurden auch die Städte aus dem Ruhrgebiet und Nordrhein-Westfalen zur Kasse gebeten. Während im Westen eisern gespart werden musste, flossen Milliarden nach Ostdeutschland.

Die Bundesrepublik ist dabei, den Osten an Parteien zu verlieren, die den Westen und die Westbindung, für die die Mitgliedschaft in der NATO, der Europäischen Union und die Unterstützung für die Ukraine und Israel stehen, ablehnen. In diesen Fragen sind die Unterschiede zwischen der rechtsextremistischen AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht ebenso gering wie zu der Linkspartei, die in den vergangenen Jahrzehnten auch eine große Rolle dabei spielte, den Osten gegen den Westen aufzuhetzen.

Bei all der Ablehnung gegen die Bundesrepublik, der die DDR ja 1990 aus freien Stücken beigetreten ist, ist in Vergessenheit geraten, welche finanzielle Last die Bürger und die Städte im Westen schultern mussten, damit aus den Ruinengebieten in der Ostzone Regionen mit luxussanierten Städten und steigenden Einkommen und Bruttosozialprodukt werden konnten. Als Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) vor wenigen Wochen sagte: „Der Osten hat sich nicht zu entschuldigen. Man sollte ihn vielmehr als Chance begreifen. Stattdessen geht die emotionale Einheit zunehmend krachen. Dass man von Ostdeutschen Dankbarkeit erwartet, treibt diese Spirale weiter an.“, war das eine Ansicht, die im Westen längst nicht alle teilen. Vielen war immer bewusst, dass der Aufbau Ost teuer war: Experten schätzen, dass der Westen seit 1990 gut zwei Billionen Euro in die ehemalige DDR geschickt hat. Auch heute noch werden Milliardensummen in den Osten überwiesen: Sei es durch den Länderfinanzausgleich, durch Hilfen der viel geschmähten Europäischen Union oder zur Finanzierung der Ostrenten.

Die Ruhrbarone haben bei einigen Städten aus dem Ruhrgebiet nachgefragt, wie hoch die Summen waren, die sie in den Osten schicken mussten.

So musste sich die Stadt Duisburg zwischen 1991 und 2021 mit 559 Millionen Euro am Aufbau Ost beteiligen. Da die Stadt das Geld nicht hatte, musste sie teilweise Kredite aufnehmen. Inklusive der Verzinsung wurde der Haushalt Duisburgs so mit rund 757 Millionen Euro belastet. Die Jahre 1993 bis 2014 waren für Duisburg hart. Sie schrieb rote Zahlen, musste ihr Eigenkapital vollständig verbrauchen und war durchgängig zur Aufstellung von Haushaltssicherungskonzepten und Haushaltssanierungsplänen verpflichtet. Während Duisburg die Abgaben und Gebühren für seine Bürger erhöhen musste und viel zu wenig Geld für Investitionen oder Sanierung von zum Beispiel Schulgebäuden hatte, finanzierte es mit seinem Geld die Luxussanierung ostdeutscher Städte.

Auch Oberhausen ist keine Stadt, die auf Rosen gebettet ist. Zeitweise war Oberhausen die Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung Deutschlands. Von 1991 an bis einschließlich 2019 zahlte Oberhausen 211.748.214 Euro in den Fonds Deutsche Einheit. Auch Oberhausen musste sich dieses Geld leihen, sodass auch noch Zinsen in Höhe von 178.765.796 Euro anfielen. Die Gesamtbelastung des städtischen Haushaltes lag bei 390.514.010 Euro. Während des gesamten Zeitraums befand sich Oberhausen in der Haushaltssicherung und hatte kaum Geld für Investitionen.

Von 1991 bis 2019 zahlte Essen 796,5 Millionen an den Fonds Deutsche Einheit. Auch Essen musste für das Geld Kredite aufnehmen. Am Ende kostete die Einheit die Essener 922,7 Millionen Euro. Von 1996 bis 2011 war Essen in der Haushaltssicherung oder Haushaltssanierungskommune und musste eisern sparen. Geld in den Osten überweisen musste die Stadt trotzdem.

Dortmund belasteten die Zahlungen an den Osten inklusive der Zinsen zwischen 1991 und 2019 mit 847,7 Millionen Euro. „Bei dem von der Stadt Dortmund zu tragenden Anteil“, schreibt die Stadt auf Anfrage der Ruhrbarone, „ist zu beachten, dass sich Dortmund, wie andere Städte auch, in einer äußerst angespannten Finanzlage befand. Die Leistungen im Rahmen des Solidarpaktes mussten zu Lasten anderer Aufgaben beziehungsweise über Kredite finanziert werden.“ Zwischen 1995 und 1999 sowie 2001, 2003/2004 und 2005 befand sich die Stadt in der Haushaltssicherung. Im Jahr 2002 galten ähnliche finanzielle Einschränkungen wie in der Haushaltssicherung.

Auch Bochum, die Stadt, die, wie schon Herbert Grönemeyer wusste, tief im Westen liegt, zahlte zwischen 1991 und 2019 316 Millionen an den Osten. Ob Zinskosten anfielen, gab die Stadt in der Antwort auf unsere Anfrage nicht an.

Gelsenkirchen, die ärmste Stadt Deutschlands, musste für den Zeitraum 2012 bis 2019 Mittel in einer Gesamthöhe von ca. 96,01 Millionen Euro auf die andere Seite der Elbe überweisen  65,53 Millionen Euro hoch waren Aufwendungen nach dem Einheitslastenausgleichgesetz. . 30,48 Millionen Euro entfielen auf Zinsaufwendungen, denn Gelsenkirchen musste sich das Geld für den Osten leihen.

Der Solidarpakt, mit dem die westdeutschen Bundesländer an der Finanzierung teilungsbedingter Sonderlasten beteiligt waren, lief im Jahr 2019 aus. Die Beteiligung der Kommunen an den vom Land NRW zu tragenden Lasten entfiel somit ab dem Jahr 2020. Aufgrund von zeitlich nachgelagerten Spitzabrechnungen war letztmalig in 2021 eine Beteiligung aufzubringen.

Die Stadt Gelsenkirchen hat in der Zeit von 2012 bis einschl. 2021 freiwillig an der zweiten Stufe des Stärkungspaktgesetzes NRW teilgenommen. Die Haushalte in diesen Jahren waren daher genehmigungspflichtig.

Gut vier Milliarden Euro zahlten die Ruhrgebietsstädte nach einer 2020 veröffentlichten Aufstellung des Ministeriums für Heimat, Kommunales und Bau allein zwischen 1996 und 2018 an den Osten. Alle Städte und Gemeinden Nordrhein-Westfalens kamen in nur dieser Zeit auf eine Summe von über 14,8 Milliarden Euro. Keine Stadt zahlte so viel wie Köln: 1.1 Milliarden Euro.

Dass in Jena die Parks schöner als in Essen sind, die Schulen in Dresden besser aussehen als in Dortmund und in Potsdam die Altbauten besser saniert sind als in Duisburg, liegt auch an den Milliarden, die aus den Weststädten in den Osten flossen.

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