Das nördliche Ruhrgebiet ist seit Jahren das Armenhaus der Republik. Das weiß man längst. Die bittere Realität mit eigenen Augen zu sehen, ist dann aber doch noch einmal eine ganz andere Hausnummer.
In meiner Jugend war ich stolz auf meine Heimat. Sowohl über mein geliebtes Dortmund, als auch über die Städte im Kreis Recklinghausen, wo ich seit 1973 lebe, berichtete ich ortsunkundigen immer mit einer gehörigen Portion Lokalpatriotismus. Heute frage ich mich immer häufiger, warum eigentlich….
In den vergangenen Jahren nahm die Gegend insgesamt eine sehr negative Entwicklung. Klar, wirklich schick war es hier nie, doch was zuletzt mit der Region passierte, das tut schon weh. Mich störte der Abwärtstrend, den viele Lokalpolitiker und Interessenvertreter vor Ort lange negierten, oder aber zumindest schönredeten, schon immer sehr. Deshalb habe ich immer wieder auf die auftretenden Probleme hingewiesen, auch wenn das nur selten wirklich jemand hören bzw. lesen wollte.
Unabhängig davon welche Innenstadt ich zuletzt besucht habe, alle offenbarten ähnliche Probleme. So unterschiedlich die Wege der Städte in den vergangenen Jahren auch waren, das Ergebnis war fast immer das Gleiche: Unzählige Leerstände, ein verkümmerndes Angebot in den Bereichen Kultur und Gastronomie. Um dies zu bemerken, reichte stets das bloße Auge. Teure Studien und Analysen waren dafür überflüssig, so krass war die Abwärtstrend.
Egal ob bei mir vor der Haustür in Waltrop, in den benachbarten Großstädten Dortmund und Recklinghausen, oder jetzt auch bei meinem jüngsten Besuch in Datteln. Es bot sich mir stets ein Bild der zunehmenden Verödung und der großen Trostlosigkeit.
Die Innenstädte der Region, sie bieten aktuell alle ein trauriges Bild. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Dies belegen auch Berichte und Zahlen zum Einzelhandel. Das Internet ist die Zukunft, unzählige Geschäfte werden wir in den kommenden Monaten und Jahren noch verlieren. Und so sehr es einzelne Kämpfer vor Ort auch versuchen, ein Ausweg ist nicht in Sicht.
Mein Besuch in Datteln in dieser Woche bildete da keine Ausnahme. Die Kanalstadt, die sich hinter vorgehaltener Hand stets für etwas Besseres hielt, als sie es in der Realität war, wenn ich das als Waltroper mal so offen und ehrlich hier in die Runde werfen darf, präsentierte sich mir, im Mai 2023 sogar in einem besonders trostlosen Zustand.
Zwar bietet das 35.000-Einwohner-Städtchen Datteln seinen Bürgern und Besuchern einem im Vergleich zum etwas kleineren, nur wenige Kilometer entfernteren Waltrop (30.000 Einwohner) augenfällig mehr Gastronomie und auch eine kleine ‚Mall‘, die Stadtgalerie, doch ist der Zustand insgesamt der dortigen Innenstadt noch trostloser als der von Waltrop.
Wieder einmal musste ich bei meinen regelmäßigen Besuchen der hiesigen Innenstädte enttäuscht feststellen, dass sich ein Aufenthalt hier für mich inzwischen einfach nicht mehr lohnt. Müsste ich einem Ortsfremden die Region zeigen, die Innenstädte des nördlichen Ruhrgebiets, sie würden inzwischen alle nicht mehr zu den von mir auserkorenen Zielen gehören. Die Schönheiten der Region, die es ja durchaus (noch) gibt, sie sind inzwischen allesamt außerhalb der um Besucher webenden Innenstädte zu finden.
Die Tristesse der lokalen Fußgängerzonen ist hingegen abschreckend. Das ist auch in Datteln nicht anders. Und dabei schauten wir Waltroper noch vor wenigen Jahren mehrheitlich etwas neidisch auf das benachbarte Datteln, als dies mit der ‚Stadtgalerie‘ eine kleine ‚Mall‘ als Ersatz des dort schon besonders früh geschlossenen Karstadt-Hauses bekam.
Wir hier in Waltrop haben seit den 1970er-Jahren nur eine ‚Woolworth‘. Da war in der Nachbarstadt in den vergangenen Jahrzehnten was das Shoppingerlebnis betrifft, schon mehr los. Doch auch dieser vermeintliche Vorteil ist inzwischen Geschichte. Auch die Stadtgalerie in Datteln ist längst keine Attraktion mehr, weist eine große Anzahl von Leerständen auf.
Insgesamt ist die Fußgängerzone von Datteln eine üble Betonwüste. Waltrop hingegen hat einen historischen Ortskern, der dem Städtchen noch ein wenig Charme erhalten hat. Datteln hat diesen in dieser Form nicht zu bieten. In Anbetracht der vielen Leerstände, wirkt Datteln inzwischen sogar noch unattraktiver als die Nachbarstädte Recklinghausen oder Waltrop, wo es jeweils noch eine klassische ‚Altstadt‘ gibt. Ohne ein wenig mittelalterliche Bausubstanz, wirken Städte halt noch austauschbarer und trostloser. Das kann man in Datteln direkt sehen, wo identitätsstiftende Landmarken fehlen. Nicht umsonst haben Bürger ja schon gewitzelt, dass das umstrittene Kraftwerk ‚Datteln 4‘ als solche herangezogen werden sollte.
Wenn ihr demnächst einmal in die Region kommt, auch die Innenstadt von Datteln könnt ihr aus eurem Besuchsprogramm streichen, wie auch die Fotos zeigen, die ich für euch von dort mitgebracht habe.