Man kann den Muttertag mit Fug und Recht als einen der verlogensten und bigottesten (inoffiziellen) Feiertage in Deutschland bezeichnen. Klar, Mütter freuen sich, wenn ihnen einfach mal gedankt wird, für ihre meist aufopfernde Arbeit innerhalb der Familie. Wird ja weder vergütet, noch von der Gesellschaft sonderlich anerkannt. Gut, CSU, Teile der CDU und auch Norbert Röttgen sind da anders, die Herdprämie soll den Daheimgebliebenen eine kleine Alltagsversüßung zukommen lassen. Das gab’s schon mal, damals hieß das „Frauengold“ und war wohl das frauenverachtendste pharmazeutische Erzeugnis der Nachkriegszeit. Frauengold war ein rezeptfreies Gesöff, das mit einem Alkoholgehalt von 16,5 Prozent dazu diente, ob ihrer tristen Lebenssituation depressiv gewordenen (Haus-)frauen ein wenig Wonne zukommen zu lassen, sie ruhig zu halten. „Stimmungshebend“ sollte es sein, krebserregend ist es geworden.
Am Erfolg scheitern
Diese Zeiten sind seit 1981 glücklicherweise vorbei. Nun bleibt, zur symbolischen Zementierung des Status Quo, nur noch der „Muttertag“. Wer hat’s erfunden? Als erstes die US-amerikanische Frauenbewegung. 1865 wollte Ann Maria Reevers Jarvis, die eine völlig andere Intention hatte, als das, was daraus wurde, durch die Schaffung des speziellen Tages eine „Mütterbewegung“ gründen. Dort sollten aktuelle Themen, vor allem aus dem friedenspolitischen Bereich, diskutiert werden. Etablieren konnte den Muttertag dann aber erst ihre Tochter, eine Methodistin. Ihr ging es um Profaneres, um die „Liebe und Verehrung der Mütter“. 1914 erklärte Präsident Wilson den Muttertag zum offiziellen Feiertag. Der „Erfolg“ war allerdings derart groß, dass sich die Erfinderin des Muttertages plötzlich auf der anderen Seite der Barrikade wiederfand. Aufgrund der immer stärkeren Kommerzialisierung nahm Jarvis den Kampf gegen den Feiertag auf. Dafür musste sie 1923 sogar kurzzeitig ins Gefängnis. Mit ihrer Schwester zusammen setzte sie ihre gesamte Familienerbschaft ein, um den Muttertag zu bekämpfen. Sie und ihre Schwester starben in Armut.
Die „deutsche Mutter“
Und dann, ja dann kam Deutschland, wieder einmal auf Sonderwegen. Die Farce begann 1922/23. Der „Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber“, heute „Fachverband Deutscher Floristen e.V.“, hängte Plakate mit dem Slogan „Ehret die Mutter“ in ihre Schaufenster. Ein „Tag der Blumenwünsche“ sollte es sein, ganz uneigennützig. Es war dann auch der Vorsitzende des Verbandes, der am 13. Mai 1923 den ersten deutschen Muttertag ausrief.
Die Nationalsozialisten stellten den Tag dann ganz in den Kontext der „gebärfreudigen deutschen Mutter“, die neue Landser für die kommenden Kriege und jede Menge pausbackiger Neu-Arier für die Volksgemeinschaft produzieren sollte. Der erste offizielle „Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter“ fand dann 1934 statt. Vier Jahre später, am Muttertag 1938, stiftete Hitler erstmals das sogenannte „Mutterkreuz“. Bekommen konnte es nur, wer „deutschblütig“ und „erbtüchtig“ war, darüber hinaus „erbgesund“ und „sittlich einwandfrei“. Es kann somit als Symbol des deutschen Rassenwahns bezeichnet werden.
Im „öffentlichen Interesse“?
Nach der Niederlage des deutschen Faschismus übernahmen die Blumenhändler wieder das Ruder. Die Floristenverbände legten, nach dem sie sich auf ein Datum geeinigt hatten, den zweiten Sonntag im Mai fest. Nach dem geltenden Ladenschlußgesetz dürfen heute Blumenläden fast überall in Deutschland an diesem Sonntag geöffnet haben. Paragraph 23 regelt die „Ausnahme im öffentlichen Interesse“. Diese gesetzliche Sonderbehandlung einzelner Wirtschaftszweige im Wettbewerb verwundert kaum, führt man sich vor Augen, dass nach Angaben des deutschen Handelsverbandes, in der Muttertagswoche durchschnittlich 130 Millionen Euro Umsatz mit Schnittblumen gemacht werden.
Da drängt sich die Frage auf, ob die hiesige Blumenhändlerbranche ein pures Gewohnheitsrecht beansprucht, oder ob die Tür zu einem solchen Wettbewerbsvorteil prinzipiell Jeder und Jedem offen steht. Ist der Vatertag am Ende gar eine Erfindung der Brauereiverbände? Hat der Bundesverband für Pyrotechnik bei der Jahreswende etwa seine Finger im Spiel gehabt? Wir wissen es nicht. Aber wir können uns entscheiden: Wollen wir unsere liebe Frau Mama wirklich mit einem Ritus ehren, der hierzulande durch nackte Wirtschaftsinteressen geschaffen, durch die Nazis pervertiert und dann wieder der Wirtschaft übertragen wurde? Oder sagen wir: Sorry Mama, am Sonntag keine Blumen!
Nachtrag: Der Autor hat eine bessere Idee. Statt einmal im Jahr symbolischen Nonsens mit grotesker Vorgeschichte zu zelebrieren, sollten wir uns die sozialistische Lösung anschauen. In der DDR wurde der Tag als „reaktionär“ abgelehnt, stattdessen wurde der Internationale Frauentag begangen. Bei diesem Tag, der heute weltweit am 8. März gefeiert wird, geht es um die Gleichberechtigung der Frau. Das wäre dann auch eher im Sinne von Ann Maria Reevers Jarvis, der eigentlichen Erfinderin des Muttertages.
Wieso wird hier schon wieder vom „Vatertag“ geredet? Es war, ist und bleibt: Christi Himmelfahrt! Und das muß ich, als nicht glaubender sagen.
Natürlich ist es traurig, das wir einen festgelegten Tag brauchen, um unseren Müttern einfach auch mal Danke zu sagen. Es ist aber immer noch besser, als würden wir Ihre Aufgaben überhaupt nicht würdigen.
Hallo Ruhrbarone.
Schon wieder wird sich bei einem Artikel von Martin Niewendick rein positiv auf die DDR bezogen. Wie schon bei „8. Mai: Cпасибо! Thank you! Merci!“. Woher kommt diese Liebe zum zweiten postnazistischen Staat? Der real existierende Sozialismus war alles andere als emanzipatorisch und antifaschistisch. Sexismus, Rassismus und Antisemitismus warend/sind 😉 Alltag.
Die Frauen „drüben“ waren nicht gleichberechtigt und frei. Sie wurden gesamtgesellschaftlich von den gleichen Nazis unterdrückt und haben sich genauso unterdrücken lassen. Von daher ist es ziemlich daneben den „Internationalen Frauentag“ der DDR als Vorbild zu sehen. Hat der Autor zuviel Propaganda geschluckt? Trotz der berechtigten Kritik am Muttertag ist es noch sympathischer die Erfindung von Blumenhändler_innen zu feiern, als sich an „sozialistische Lösung[en]“ zu orientieren. Das nenn ich „grotesk“! Außerdem heißt es nicht „deutscher Faschismus“! Auch da reiht sich der Autor in die Traditionen der SEDLINKE/DKP/MLPD ein, die diese geschichtsrevisionistische Floskel benutzt um die entsetzliche Einzigarkeit des Nationalsozialismus zu relativieren.
Zum Schluss noch eine Linkempfehlung:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article13727979/Neger-Fidschis-und-die-Heuchelei-der-Linken.html
@ Trude
Der internationale Frauentag ist mittlerweile bei der UNO angekommen und die ist jetzt nicht unmittelbar sozialismusverdächtig.
https://www.unis.unvienna.org/unis/de/pressrels/2003/note237.html?print
Hallo trude!
Wow, sie holen aber Geschütze raus….
Zu ihrer Beruhigung: Ich bin mitnichten K-Grüppler oder DDR-Nostalgiker. Das sollte ich mehrfach unter Beweis gestellt haben, da ich mir regelmäßig die ungunst dieser klientel zuziehe, zb hier:
https://www.bszonline.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2651:mein-kommunismus-dein-kommunismus&catid=42:urbi-et-orbi&Itemid=88
ich habe ja gerade nicht den frauentag der ddr gemeint, sondern den tag, „der heute weltweit am 8. märz gefeiert wird“. dieser tag hat, mit verlaub, mit der ddr nichts zu tun. es ist aber doch bemerkenswert, wie progressiv der pseudo-sozialismus in seiner rethorik und symbolik gegenüber der alten brd erscheint. nehmen sie zb den paragraphen 175, der homosexualität unter strafe stellte. dazu hab ich mal folgendes verfasst:
„Erst 1969 wurde der Nazi-Paragraph in der BRD reformiert, 1973 ein zweites Mal. Nun war Sex unter erwachsenen Männern legal, eine Entscheidung, die in der DDR bereits ab Ende der 1950erJahre beschlossen wurde. Erst 1994 entschied sich die Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches, den Paragraphen endgültig zu streichen.“
Dass die ddr auch hier fortschrittlicher war, ist eine Tatsache, die nicht dadurch falscher wird, dass sie die ddr nicht mögen. ich auch nicht, das lässt mich die adenauer-republik aber nicht verklären. mir dann vorzuwerfen, ich würde den ns relativieren…. starker tobak.
Lieber Autor,
ohne zu sehr ins thematische Detail zu gehen, deine Argumentation ist strukturell gleichzusetzen mit dem Klassiker "Die Nazis haben die Autobahnen gebaut".
Du hast deine Rechtfertigung (so möchte ich es nennen) recht eifrig abgetippt, warst wohl aufgebracht. Oder wie darf man/frau (<- ich habe hier versucht, mich möglichst emma-mäßig auszudrücken, stoße dabei aber auf die Frage, wie "Frau" geschrieben wird, groß, klein… ? "Man" [hier groß weil Satzanfang] ist ja nicht gleichzusetzen mit "der Mann", daher also "frau" klein ?? Das ist jedoch nur ein Gedankenfurz am Rande) deine eigenwillige Groß/Kleinschreibung deuten ?? Haha, nun werd ich doof und persönlich. Sorry. Ich find das ja auch Lahm, Mitmenschen ob ihrer Rechtschreibung zu kritisieren.
Scheiß auf Muttertag, Frauentag, DDR, Drittes Reich, BRD, Eltern, Staat, Schule, Disco, Floristen. Journalisten, Internet. Fuck the world.
Herzlichst,
ein Typ im Internet
Was ist denn, wenn den Müttern egal ist, woher der Muttertag kommt oder ob sich der Blumenhändler die Hände reibt.
Vielleicht freuen sie sich einfach, und wenn es nur der Anlass ist, mal wieder Im Altenheim aufzukreuzen.
@ Andere Mimi # 6
Mimi, kann es sein, dass sie den folgenden Satz gleich am Anfang des Artikels überlesen haben?
"Klar, Mütter freuen sich, wenn ihnen einfach mal gedankt wird, für ihre meist aufopfernde Arbeit innerhalb der Familie. Wird ja weder vergütet, noch von der Gesellschaft sonderlich anerkannt."