Dass Landwirte gerne jammern, ist grundsätzlich nicht neu. Schon in meiner Kindheit in den 1980er-Jahren, als ich häufiger für einige Wochen bei meinen auf dem Lande lebenden Großeltern zu Gast und im Zuge dessen regelmäßig bei benachbarten Bauern zu Gast war, klagten diese mir häufig ihr Leid.
Die Schweinezucht würde sich für sie wirtschaftlich inzwischen einfach nicht mehr lohnen, das Wetter sei in diesen Jahr ganz besonders ‚beschissen‘, sie hätte immer so ungünstige Arbeitszeiten, es fehle ihnen an öffentlicher Wertschätzung und die schlechte Entlohnung ihrer Mühen sei überhaupt ein einziger Skandal usw.. Was mir da schon als Kind alles erzählt wurde, klang so verbittert wie vielschichtig.
Auch vor meiner Haustür, hier im Übergangsbereich zwischen Ruhrgebiet und Münsterland, hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in Sachen Landwirtschaft viel verändert. Prägten in meiner Kindheit noch zahlreiche Felder voller Getreide und Salatköpfe die Szenerie, sind es heute schier unzählige Spargel- und Erdbeerfelder.
Wie es schrittweise zu dieser Entwicklung gekommen ist, hat man als in der Nachbarschaft wohnender Mitbürger bei etwas Eigeninteresse auch ganz gut mitbekommen: Mit Erdbeeren und Spargel war halt viel mehr Geld zu verdienen als mit Getreide oder Salat. Zumindest über etliche Jahre hinweg und bei normalen Witterungsbedingungen.
Ein mir früher einmal ganz gut bekannter Landwirt hielt sich vor Jahren dann auch für besonders schlau, stellte seine ‚Produktion‘ nicht nur weitestgehend und nahezu vollumfänglich auf Spargelanbau um, sondern stattete seine Felder auch als einer der ersten zusätzlich mit einer teuren Heizung aus, die den Boden im Frühjahr schneller erwärmten, ihm dadurch eine besonders frühe und reiche Ernte ermöglichen sollten, so dass dieser seine Spargelstangen zu einem noch deutlich höheren Preis auf dem Markt anbieten konnte.
Das klappte dann auch ein paar Mal, so dass er sich eine Zeit lang über tolle Gewinne freuen durfte, ihn in Folge dessen mit reichlich Geld in der Öffentlichkeit ‚um sich werfen ließ‘. Doch als es dann einmal ein besonders mildes Frühjahr gab, die Kollegen ohne Heizung ihm gegenüber zeitlich nicht viel nachstanden, ging er direkt krachend in die Pleite, verlor dabei sogar seinen gesamten Hof.
Die immensen Kosten für die Heizungsanlage ließen ihn wirtschaftlich kollabieren, als er seinen erhofften Wettbewerbsvorteil einbüßte. Dieses Beispiel zeigte mir schon damals eindrucksvoll, wie sehr die radikale Umstellung der Landwirtschaft vor meiner Haustür durch finanzielle Gründe bedingt (und wohl auch von diesen Abhängig) war.
Derzeit einmal ein paar Kilometer durch die sogenannten ‚Rieselfelder‘ im Norden von Dortmund zu fahren reicht schon, um die dramatischen Veränderung sofort zu erkennen. Hier gibt es so viele Spargel-, und inzwischen auch Erdbeerfelder, dass man sich echt wundern muss.
Klar, unterstützt wurde das Ganze auch durch den in den vergangenen Jahren landesweit um sich greifenden Spargel- und Erdbeerhype. Gejammert haben die Bauern aber trotzdem immer weiter. Nicht nur über die Unbillen des Wetters, sondern auch über den eingeführten Mindestlohn für die Erntehelfer, der sie angeblich in den Ruin treiben würde. Zuletzt bedrohte Corona die Zukunft der Landwirte. Egal was war, zufrieden waren die Bauern auch in den goldenen Zeiten des Erdbeer- und Spargelhypes eigentlich nie.
In diesem Frühjahr jammern sie wieder. Und das besonders laut. Diesmal sind es die bösen Kunden, die in Anbetracht allgemein steigender Preise in den Supermärkten nicht mehr wie in den vergangenen Jahren gewohnt auf den liebgewonnenen Luxus zurückgreifen können bzw. mögen.
Etliche Landwirte berichten davon, dass sie aktuell keinen Gewinn mehr mit ihren Produkten machen können, pflügen die Ware teilweise sogar lieber unter. Berichtet wird von hektisch vorgenommenen Ersatzpflanzungen mit Mais o.ä., um zumindest noch etwas Gewinn machen zu können.
So nachvollziehbar die wirtschaftlichen Nöte der Landwirte auch für mich natürlich grundsätzlich sind, so unverständlich ist mir dieses permanente Klagen über die Rahmenbedingungen. Es ist doch logisch, dass es gefährlich ist, wenn gefühlt fast die gesamte Branche, von Gedanken zur Gewinnmaximierung (um nicht zu sagen ‚Gier‘) getrieben, auf die gleichen, hochpreisigen Produkte setzt.
Aus dem Antrieb möglichst viel Gewinn aus einer Sache machen zu wollen, ist eben immer schon auch eine Gefahr erwachsen. Es ist die Fortsetzung einer Entwicklung, die ich schon in meiner Kindheit und Jugend gemacht habe. Wer den Bürgern möglichst viel Geld für sein Angebot aus der Tasche ziehen will, der lebt eben häufig gefährlich, wenn es einmal unerwartete Rückschläge gibt.
Branchen unterliegen ohnehin immer einer gewissen Veränderung. Das ist in der Landwirtschaft nicht anders. Und wer am meisten riskiert, der mag eine Zeit lang auch das meiste Geld scheffeln können, trägt aber am Ende auch häufig das höchste Risiko.
Also, in Zukunft vielleicht wieder etwas breiter aufgestellt planen, mehr Mais oder Getreide anbauen, auch wenn die Gewinnspanne dort häufig geringer ist, oder aber dem seit Jahren andauernden Verdrängungswettbewerb Tribut zollen und sich einen anderen Job suchen. So geht es Leuten in anderen Branchen ja auch… Und deren Gejammer über Arbeitsbedingungen und Entlohnung ist vielfach nicht weniger berechtigt, findet aber selten ein solches mediales Echo!
Schon während meiner Kindheit wurde bei uns der folgende Witz erzählt:“ 1973: Bauern beklagen den Dauerregen; 1974: Bauern beklagen EWG-Regelungen: 1975:
Bauern schimpfen über die Preiserhöhung bei Mercedes.“
Das ist gut auf den Punkt gebracht. Eine Sache fehlt noch: Während Corona kam heraus, wie erbärmlich manche Helfer behandelt werden – das hat bei mir dazu geführt, dass ich deutlich weniger am Stand kaufe.
[…] [weiter bei den Ruhrbaronen] […]
Zudem wir eine ähnliche Entwicklung nach der Aufhebung der Milchmengenbegrenzung durch die EU schon einmal hatten: Plötzlich wollten sehr viele Bauern auf Milchviehhaltung umstellen und haben sich dann gewundert, als wegen Überangebot der Preis ins bodenlose fiel.
@ Bochumer Glauben sie denn,dass die im Supermarkt angebotenen Erdbeeren unter anderen Bedingungen geerntet werden?Und wieso sind die in „meinem“Jibi meist etwas preiswerter als am Stand?
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@ Bochumer Heute lese ich in der NW/HK,dass die Supermärkte gewaltig auf die Preise drücken. U.a. weil es ein Überangebot aus den NL und Spanien gibt. Dass gerade Spaniens Erdbeeren verheerend für den dortigen Grundwasserspiegel sind,ist seit langem bekannt,es scheint aber niemanden zu interessieren. Und was dort wohl die Pflücker verdienen? Wir kaufen weiterhin am Stand. Meiner Erinnerung nach hat sich hier vor Ort der Preis für ein Kilo gegenüber letztem Jahr kaum geändert, knapp unter 10 Euro.
Heute morgen, 7 Uhr: Im Lidl werden frische Erdbeeren für € 4,95. Geliefert von einem regional bekannten Erdbeer- und Spargelbauern. An seinen Hütten werden die gleichen Erdbeeren für € 8,80 angeboten.
Einer seiner Kollegen hat eher zufällig eine große Fläche mit Raps eingesät und freut sich jetzt über den verzehnfachten Preis. Landwirtschaft beinhaltet auch „Wirtschaft“. Solange die Bauern gut verdienen, sehen sie sich als unabhängige Unternehmer. Falls nicht, rufen sie nach Hilfe. Das ist das gleiche, was immer bei z.B. Banken bemängelt wird: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.
Den Vogel schoß jedoch ein Bauer ab, der fast ausschließlich Erdbeeren und Spargel anbaut und jetzt argumentierte:(sinngemäß) Wenn der deutsche Verbraucher nicht bei deutschen Bauern kauft, steht die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln auf dem Spiel.